„Schauen Sie Sich diese Massen an. Das ist unglaublich!“ Der Kommentator überschlägt sich förmlich vor Begeisterung. Aber wer kann es ihm verdenken. Die steilen Tribünen rund um die Rennstrecke sind bis auf den letzten Platz besetzt und es kündigt sich ein packender Wettkampf an. Das Qualifying zuvor war schon an Spannung kaum zu überbieten gewesen, die schnellsten sechs waren nur durch sieben Zehntelsekunden getrennt.
„Sie sind jetzt alle aufgereiht“, flüstert der zweite Kommentator. Die Kamera richtet sich auf die rote Ampel über der Start-Ziel-Linie, es muss jetzt jeden Moment losgehen. Dann erlischt endlich das Licht und das Spektakel nimmt seinen Lauf.
„Wir rollen in Seoul!“
Bis hierhin hatte sich alles wie ein echter Formel 1-Grand-Prix angehört. Und das ist ja auch genau die Absicht der Erfinder der neuen Marbula-E-Rennserie, in der Murmeln neben- und gegeneinander über eine Rennstrecke sausen. Sie wollen in diesen Corona-Zeiten all den Motorsportfans die Zeit vertreiben und ihnen eine Alternative bieten. Auch wenn die „Boliden“ aus Glas sind und das Motorengeräusch, nun ja, ein wenig gewöhnungsbedürftig klingt.
Große Fangemeinde
„Es saugt uns in eine andere Welt, eine andere Dimension ohne Krieg, Elend und Negativität“, erklärte Dion Bakker dieser Tage gegenüber der New York Times. Schon seit 2006 lassen der Niederländer und sein Bruder in ihrem Youtube-Kanal „Jelle’s Marble Runs“ Glaskugeln durch Hindernisparcours rollen. Seit die Sportwelt wegen Corona still steht, geht’s plötzlich rund mit ihrem Kinderspiel.
Die innovativen Niederländer haben spektakuläre Rundkurse gebaut, auf denen im Zwei-Wochen-Takt Murmel-Rennen stattfinden. Im Qualifying rollt jede Kugel noch allein über den Kurs, im Rennen kommt es dann zu engen Murmel-an-Murmel-Kämpfen. Ein Wettkampf dauert fünfeinhalb Minuten und eine Runde. Ein Aufzug bringt die Kugeln am Ende der Strecke wieder zurück an den Start. Auf den Tribünen entlang des Kurses liegen tausende kleine Glasmurmeln.
Die Fans fahren dermaßen auf den Formel-1-Ersatz ab, dass nun sogar die Formel E mit an Bord ist und jede Murmel nach einem echten Rennstall benannt ist. Die Rennen werden inszeniert wie ein echter Grand-Prix: Mit Liveübertragungen, Qualifying, Analysen, es gibt eigene Fan-Shirts.
Wer braucht da eigentlich noch die Formel 1?
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