Die verkehrte Marathonläuferin

Paula "Surasa" Mairer läuft Marathon im Rückwärtsgang und umrundete in New York 54 Tage lang ein und denselben Häuserblock.

Paula Mairer ist mehrmals in ihrem 52-jährigen Leben Marathon gelaufen. Na und?

Außergewöhnlich ist Paula Mairer, weil sie sich in "Surasa" umbenannt hat und ein paar dieser Marathons rückwärtsgelaufen ist. Also mit dem Hinterkopf zum Ziel. Oder mit der Nase zum Start. Verkehrte Welt? "Nein", sagt Mairer, weil sie nicht Ja sagen kann, sonst würde sie nämlich zugeben, dass ihr Treiben doch etwas sonderbar anmutet. Es fährt ja auch niemand einen Formel-1-Grand-Prix im Retourgang; niemand spielt Tennis mit dem Rücken zum Netz; niemand köpfelt aus einem Schwimmbecken, wenn er schwimmen will.

Beschränkter Verstand

"Für mich ist es überhaupt nicht seltsam, rückwärtszulaufen", sagt die Tirolerin. "Jeder sucht das Glücklichsein woanders." Mairer hat es bei Sri Chinmoy gefunden, ihrem spirituellen Lehrer aus Indien. Der hat ihr auch beigebracht, dass man sich immer transzendieren kann. "Unser Verstand ist so beschränkt, dass er nicht begreift, was wir leisten können." Der ihre hat begriffen, dass man nicht nur verkehrt einparken kann.

Vier Weltrekorde hat Paula Mairer schon erlaufen, seit sie Surasa heißt. Die Marathon-Bestzeit liegt bei beachtlichen 6:05 Stunden, aufgestellt auf einer Laufbahn im Stadion. Praktisch, diese Linien zur Orientierung. Und noch praktischer die Helfer, die genau schauen, dass sich die Läuferin nur ja nicht umdreht - sonst zählt die Leistung nicht für das Guinnessbuch der Rekorde.

Rückspiegel sind übrigens auch verboten.

Warum läuft jemand rückwärts, wenn es sich seit Jahrhunderten bewährt hat, vorwärts zu laufen? "Weil es gesund ist", sagt Mairer, "geistig wie körperlich. Es aktiviert die linke Gehirnhälfte, schont die Muskulatur. Es ist eine indianische Methode, um die Nieren zu reinigen. Jeder sollte am Tag hundert Schritte rückwärtsgehen."

Mit dem Laufen begonnen hat Mairer vor 24 Jahren - nach 28 Jahren absoluter Unsportlichkeit. "Seit damals versuche ich, die Lehre des integralen Yoga-Weges zu gehen. Ein Teil dieser Lehre ist sportliche Fitness." Dieser Yoga-Weg führte die Sportlerin vor Kurzem nach New York, wo sie sich einer interessanten Herausforderung stellte:
Vorwärtslaufen. Singend und betend umrundete sie beim "Self-Transcendence Run" ein und denselben Häuserblock in der 168. Straße im Bezirk Queens. 54 Tage lang, bis sie genau 3100 Meilen zurückgelegt hatte. Das sind 4989 Kilometer.

Ein bisschen Frieden

Was denkt sich ein Mensch, wenn er die Mahlzeiten im Gehen einnimmt, nie mehr als vier Stunden schläft und täglich 18 Stunden wie ein Hamster im Kreis läuft? "Ziel ist es, keine Gedanken zu haben. Wie ein Pferd, das läuft auch schnell und weiß nicht, warum es das tut. Ich versuche, zumindest keine negativen Gedanken zuzulassen, die kosten nur Energie."

Und, was natürlich auch sehr wichtig ist: Der Frieden. Ohne den geht gar nix. "Der Frieden ist so eine Kraft, da kann kein Power-Riegel mithalten", sagt Mairer, die in Wien als Sekretärin arbeitet und seit 24 Jahren Vegetarierin ist - seit sie läuft.

Mairer hat gewonnen, sie war die einzige Dame am Start. Das macht sie sehr stolz. Aber ums Gewinnen geht's ihr nicht. "Es geht darum, sich zu steigern und sich selbst zu übertreffen. Grenzen gibt es ja nur im Kopf."

Spirituelle Höhenflüge

Also: Rückwärts- und Im-Kreis-Laufen als Weg zu ungeahnten spirituellen Höhenflügen?

Anscheinend. Surasa Mairer hat in diesem Leben, im Hier und Jetzt, noch einiges vor und schon das nächste sportlich-spirituelle Ziel vor Augen: die Teilnahme am "Self-Transcendence Run" im August 2012. " Mein nächstes Ziel ist es, im kommenden Sommer wieder in New York zu laufen. Hoffentlich bin ich fit, ich bin dann ja schon 53."

Vorausgesetzt, sie schafft es bis dahin wider Erwarten nicht, auch das Altern rückwärtslaufen zu lassen.

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