Der Marathon-Opa

Der Inder Fauja Singh lief in Toronto die 42,195 km in 8:11:05 Stunden - Weltrekord für über 100-Jährige.

Hundert Jahre und 198 Tage musste Fauja Singh alt werden, um sich seinen Lebenstraum zu erfüllen. Nach acht Stunden, elf Minuten und fünf Sekunden erreichte der Inder das Ziel beim Marathon in Toronto. Als erster Mensch über hundert Jahren, der die 42,195 Kilometer gelaufen ist. Ein Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde ist ihm sicher. Kurz bevor er um die Kurve vor dem Ziel bog, sagte Fauja Singh, der Vater von sechs Kindern, zu seinem Trainer und Dolmetsch: "Das zu erreichen ist für mich, wie wenn ich noch einmal heiraten würde."

Spätstarter

Nach dem Tod seiner Frau zog Fauja Singh nach London, wo er nach 70 Jahren Trainingspause wieder mit dem Sport begann. Mit 92 Jahren lief er seine persönliche Marathon-Bestzeit (5 Stunden und 40 Minuten). Und drei Tage vor seinem Rekordlauf am Sonntag hatte er in Toronto acht Rekorde in der Wertung der über 100-Jährigen aufgestellt.

Auch wenn diese Zeiten auf den ersten Blick ein müdes Lächeln hervorrufen mögen - die Leistung ist bemerkenswert und (fast) vergleichbar mit jener von Hugo Simon, der mittlerweile 69 ist und immer noch weltklassemäßig auf seinem Fuchs reitet. Oder mit jener von Bernard Hopkins, der heuer als 46-Jähriger Box-Weltmeister im Halbschwergewicht wurde und den bisherigen Rekordhalter George Foreman ablöste. Oder mit jener von Martina Navratilova, die im Alter von 49 Jahren und 46 Wochen im Jahr 2006 den US-Open-Mixed-Titel mit Bob Bryan gewann. Die älteste Marathon-Läuferin heißt übrigens Gladys Burrill, die US-Amerikanerin war 92, als sie in Honolulu in 9:53 Stunden finishte.

Ohne Sport ist Altern eine Verlustgeschichte. Zwischen dem 20. und dem 70. Lebensjahr verliert der Körper bis zu 40 Prozent seiner Muskelmasse, die Kondition nimmt ab dem 30. Geburtstag um bis zu 15 Prozent pro Dekade ab.

Sofern man nichts dagegen unternimmt.

Jungbrunnen

Mit Sport jedoch ist im Alter fast alles möglich, die Wissenschaft bestätigt das. "Mit Training kann man den Verlust der Leistungsfähigkeit bremsen", sagt Sportwissenschaftlerin Marietta Sengeis vom IMSB in der Südstadt. "Der Körper eines alten Menschen ist genau so trainierbar, wie der eines jungen. Allerdings reagiert ein alter Sportler auf einen Trainingsreiz etwas träger."

Untersuchungen der Kölner Sporthochschule ergaben nach einem gezielten Krafttraining bei 90-Jährigen Leistungszuwächse von 150 Prozent. Bei den Senior Olympics im Juni 2011 waren 15.000 Athleten am Start, keiner davon war jünger als 50. Kein Medikament hat eine derart umfassende Wirkung wie regelmäßiger Sport: Er schützt vor Herzinfarkt und Schlaganfall, er stärkt die Knochen, verbessert die Laune, lässt tiefer schlafen und verlängert das Leben.

Wie auch jenes von Fauja Singh. Zwei Monate nach seinem 100. Geburtstag erschien im Juni seine Biografie: Turbaned Tornado.

In seiner Altersklasse hat Fauja Singh alle Rekorde gebrochen. Welche Ziele sich der rüstige Greis noch setzen kann? Vielleicht ist ihm Stefaan Engels ein Vorbild. Der 49-jährige Belgier lief 365 Marathons an 365 aufeinander folgenden Tagen. Auch sein Name steht im Guinness-Buch der Rekorde.

Kommentare