"Das ist keine Wirtshausschlägerei"

"Das ist keine Wirtshausschlägerei"
Umstrittene Sportart. Ein Österreicher bestreitet in den USA einen Profikampf im Mixed Martial Arts.

Ich bin eigentlich ein total friedlicher Mensch", sagt Nandor Guelmino – und man glaubt ihm. Der 36-Jährige macht einen durchaus sympathischen Eindruck, er lächelt freundlich, drückt sich gewählt aus und sagt: "Ich versuche immer jeden Streit zu vermeiden." Das ist die eine Seite.

Die andere Seite des Wieners zeigt sich im Oktagon, dem achteckigen Käfig der Free Fighter. Hier ist Guelmino gnadenlos, er stößt mit den Füßen, er ringt, er kickt und schlägt mit den Fäusten zu, auch wenn der Gegner schon auf dem Boden liegt.

Premiere

"Das ist keine Wirtshausschlägerei"
Der Glatzkopf, 190 muskelbepackte Zentimeter groß, 107 Kilogramm schwer, ist der beste Mixed-Martial-Arts-Kämpfer (MMA) Österreichs, einer Sportart, die Elemente vereint aus Boxen, Kickboxen, Jiu-Jitsu, Ringen, Judo und anderen Kampfsportarten (siehe Kasten) . Am 12. Jänner 2013 hat der Österreicher mit dem ungarischen Vornamen seinen bisher größten Auftritt. Erstmals kämpft er in den USA, in Oklahoma City trifft er auf Josh Barnett, die Nummer 6 der Weltrangliste. Es ist Guelminos erster Kampf im großen Verband Strikeforce, der vom amerikanischen Marktführer UFC (Ultimate Fighting Championship) aufgekauft wurde.

"Niemand erwartet von mir, dass ich gewinne", sagt Guelmino, derzeit die Nummer 60 der Welt. "Aber wenn ich einen guten Kampf liefere, ist das für mich eine Chance, in den USA auf mich aufmerksam zu machen." 20.000 Fans werden in der Halle sein, Millionen schauen live im TV zu. Mehrere 100.000 Euro verdient sein Gegner Barnett pro Kampf, er ist ein Star in den USA. In Europa hingegen werden Freefighter im Normalfall angefeindet oder belächelt, im besten Fall ignoriert.

Groß ist die Kritik an den Kämpfen, "Gewalt" und "Brutalität" sind immer wieder gehörte Worte. Tatsächlich wird beim Mixed Martial Arts noch auf den Gegner eingeschlagen, wenn dieser bereits auf dem Boden liegt. Im deutschen Fernsehen darf der Sport derzeit nicht gezeigt werden.

Kombination

"Das ist keine Wirtshausschlägerei"
"Jede Einzelne der vielen Sportarten, die im Free Fight verschmelzen, ist gefährlich", gibt auch Guelmino zu. Cutverletzungen und Prellungen sind unvermeidbar. "Aber die größten Kritiker sind immer die Menschen, die sich noch nie mit dem Sport beschäftigt haben. Das ist keine Wirtshausschlägerei."

Untersuchungen hätten ergeben, dass Free Fight nicht gefährlicher sei als etwa Boxen. Beim MMA werden die Kämpfe eher durch Aufgabe denn durch K. o. entschieden. Zudem wird nicht hauptsächlich auf den Kopf geschlagen, sondern mit Würfen und Hebeln gearbeitet. Das Risiko, Hirnschäden zu erleiden, sei demnach geringer als beim Boxen.

Dennoch: Der österreichische Kabarettist und Box-Experte Werner Schneyder sagte im Interview mit der FAZ einmal: "Ultimate Fighting ist keine Sportart, das ist ein Brutalo-Event und gehört verboten. Free Fight propagiert den Appeal der Brutalität. Brutalität wird als imponierend dargestellt." Und Peter Danckert, Mitglied des Deutschen Bundestages, verglich das Spektakel mit den Gladiatorenkämpfen im alten Rom. "Dieses Klischee passt schon ", gibt sogar Guelmino zu. "Denn beim Free Fight kann immer etwas passieren. Man kann sich nicht hinter der Doppeldeckung ausruhen wie beim Boxen."

Kampfsport

Wie etwa Hollywood-Boxer Rocky, für den sich Guelmino schon als Kind begeisterte. Mit 10 ging er in eine Taekwondo-Schule, mit 14 hatte er den schwarzen Gürtel. Erstmals mit MMA in Berührung kam er im Jahr 2000. Damals war er als Personenschützer in Kairo, engagiert von der Königsfamilie aus Saudi-Arabien. "Ich war zuständig für den kleinen Prinzen", erzählt er. Der 14-Jährige habe oft Free-Fight-DVDs angeschaut – und Guelmino kam auf den Geschmack.

In Wien suchte er nach Trainingsmöglichkeiten, 2002 fand er sie in einem kleinen Keller. Gemeinsam mit Trainingspartner Gerald
Turek entwickelte er die Techniken weiter. 2007 bestritt er seinen ersten Kampf – und gewann. 14 weitere, davon 10 Siege, folgten. Doch als Österreicher kann und will Guelmino nicht von seinem Sport leben. So arbeitet er seit fünf Jahren als angestellter Personenschützer eines Geschäftsmannes. Dieser ermöglicht es ihm, elf Mal pro Woche zu trainieren, teilweise auch während der Arbeitszeit.

Sogar Guelminos Mutter ist stolz auf ihren Sohn. "Aber sie macht sich Sorgen", sagt er. "Und was ich tue, gefällt ihr nicht."

Mixed Martial Arts: Wilde Kombination

Free Fight MMA ("Gemischte Kampfkünste") ist ein Vollkontaktsport. Die Kämpfer verwenden Techniken aus Boxen, Kickboxen, Jiu-Jitsu, Judo, Thaiboxen, Karate, Ringen, und weiteren Kampfsportarten. Kritisiert wird MMA in erster Linie dafür, dass auch im Bodenkampf geschlagen wird.

Regeln
Ein Kampf dauert drei Runden à fünf Minuten. Das Oktagon ist mit einem Zaun begrenzt, damit die Kämpfer nicht herausstürzen können. Verboten sind u. a. Schläge mit dem Ellenbogen in den Rücken, das Verdrehen des Halses und Angriffe gegen Augen, Kehlkopf oder Genitalien.

 

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