Suljovic: "In keinem Sport wird mehr trainiert"

„Gentle“: Der Sanfte ist der Kampfname des österreichischen Ober-Darters.
Die Nr. 8 der Welt spricht vor seinem WM-Auftakt über Darts in Österreich, Sponsoren und Idole.

Österreichs bester Dartsspieler spielt heute, Mittwoch, seine erste Partie bei der WM in London, Gegner ist der Niederländer Meulenkamp. Vor etwas mehr als einem Jahr, im Oktober 2015, lag er auf Rang 28 der Weltrangliste, zur WM 2016 reist er als Nr. 8 der Welt an.

KURIER: Gratulation zu diesem tollen Aufstieg in einer urbritischen Sportart.

Mensur Suljovic: Danke. Aber man darf nicht vergesssen, dass die Weltrangliste anhand der letzten zwei Jahre erstellt wird. Und da habe ich nichts zu verteidigen gehabt. Das nächste Jahr wird daher für mich viel schwieriger, da muss ich dann die Punkte verteidigen.

Die Punkte sind im Fall des Dartssport die Preisgelder der letzten zwei Jahre. Und da halten Sie bei 315,250 Pfund. Nicht schlecht.

Aufs Konto sind aber 20 Prozent weniger gekommen. Denn schon vor der Auszahlung werden im Veranstaltungsland die Steuern abgezogen.

Dennoch nicht übel.

Natürlich. Vor zwei Jahren wollte ich schon aufhören, jetzt kann ich mir die Reisen und die Hotels leisten.

Und sogar ein Management.

Ja. Das leiste ich mir. Es hat den Vorteil, dass du dich nicht mehr um alles kümmern musst, nicht mehr um Flüge und Quartier. Da kannst du dich mehr auf Darts konzentrieren.

Was hat sich noch geändert bei Mensur Suljovic?

Ich habe einen Mentaltrainer gehabt, aber wir sind an den Punkt gekommen, wo er mir nicht weiterhelfen konnte. Es ist vor allem die Konzentration auf Darts und das viele Training. Ich habe eine Doppelquote von 20 Prozent gehabt. Jetzt bin ich bei 40 bis 50 Prozent.

Das viele Training?

Ja. Die Jungen, die an die Spitze wollen, trainieren sicher sechs bis zehn Stunden jeden Tag. Ich kenne keinen anderen Sport, bei dem so viel trainiert wird.

Um so weit vorne zu sein, wie viel muss man investieren?

Du musst jedes Wochenende zu einem Turnier fliegen. Unter der Woche wird trainiert. Da kommt oft die Familie zu kurz. Ich habe daher die Arbeit reduziert und das Pub verkauft. Den Klub habe ich behalten, mit meinem Bruder habe ich noch das Lokal im 23. Bezirk. Aber da brauche ich nicht immer vor Ort sein.

Wie groß ist der Stress an einem Turnierwochenende?

Danach bist du absolut fertig. Rund um so ein Turnier dreht sich alles zum Darts. Zuletzt haben wir Spieler in Appartements gewohnt. Da wurde als erstes eine Scheibe aufgehängt und geworfen. Oder wir gehen in ein Pub, da wirst du schon nervös, ob eh eine Scheibe hängt. Und schon wird um einen Kaffee geworfen oder um ein Essen.

Ist da auch Michael van Gerwen dabei, der dieses Jahr absolut dominiert hat?

Gerade er. Er wirkt manchmal arrogant, ist aber oft wie ein kleines Kind. Er will immer spielen, um ein bisschen Geld, um ein Getränk, um ein Essen. Und er wirft sensationell. Michael ist im Training gleich wie im Spiel. Er hat zuletzt einmal einen Schnitt von 111 geworfen, hat 17 180er in einem Spiel geworfen. Wahnsinn.

Ihr Aufstieg zeigt sich auch darin, dass Sie ihn schon geschlagen haben. Und zuletzt sogar erstmals Phil Taylor, den Grand Signeur des Dartssports.

Ich habe jetzt schon alle Spieler geschlagen, die in der Weltrangliste vorne sind. Gegen Phil habe ich ein Riesenspiel gemacht. Und er ist ein Sir, er hat mir ganz ehrlich gratuliert. Du willst natürlich jeden schlagen. Aber gegen Taylor und van Barneveld zu gewinnen, macht mich melancholisch. Die beiden sind meine Idole.

Aber Taylor kann schon ungut werden, wenn er auf der Verliererstraße ist.

Manchmal ärgert er sich bei einer Niederlage. Aber wer macht das nicht. Dann brauchst du gar nicht spielen. Wenn ich verliere, wirke ich nach außen hin ruhig, aber innen kocht es. Das kommt erst hinter der Bühne heraus. Aber dann musst du dir sagen: Es ist ja nur ein Spiel.

Taylor ist schon 56 Jahre alt, aber noch immer die Nummer 4 der Welt.

Ohne Phil Taylor würden wir noch immer im Wirtshaus spielen und um ein paar hundert Pfund. Er hat aus dem Sport das gemacht, was er jetzt ist. Jeder muss danke zu ihm sagen.

Der bat Popstar Robbie Williams um einen neuen Auftrittssong und wirft mit ihm ein paar Pfeile, wenn der einmal in der gemeinsamen Vaterstadt Stoke-on-Trent ist. Das sagt viel über die Bedeutung des Darts in England.

Früher bin ich in England in ein Pub gegangen und habe geworfen. Das geht jetzt kaum mehr. Aber jetzt kennen sie mich überall, sogar auf dem Flughafen in London werde ich angesprochen. Vor allem rund um die WM ist das ein Wahnsinn. In England erkennt man mich öfter als hier.

Im August waren die Austrian Open nicht mehr im Kalender der European Tour. Jetzt wird doch von 23. bis 25. Juni 2017 im Multiversum gespielt. Ihr Verdienst?

Mag sein, aber ich weiß es nicht. Fakt ist, dass in Deutschland weit mehr Zuschauer dabei sind. Dort gibt es einen echten Hype.

In Österreich bleibt der Hype aber aus.

Darts in Österreich ist leider noch immer nix. Ich bin jetzt über 22 Jahre hier und spiele Darts. Und es hat sich nicht viel geändert. Die Liga ist in Ordnung, die jungen Spieler ebenfalls. Die Deutschen wären froh, wenn sie zwei Spieler so weit vorne hätten wie wir. Rowby-John ist 41., ich bin auf Platz acht. Max Hopp ist der beste Deutsche auf Platz 38. Der verdient viel Geld mit Sponsoren und Exhibitions. Aber hier in Österreich hast du bei Sponsoren so gut wie keine Chance.

Auch Mensur Suljovic hat keine Chancen?

Ich will nicht jammern, aber die Tür rennen sie mir nicht ein. Mit Beerlovers habe ich eine junge dynamische Firma. Dann kommt noch „Bull’s“, die Firma, mit deren Pfeilen ich werfe. Dann gibt es noch eine Firma für Darts-Automaten, die ich in Österreich vertreibe. Und „dartspoint.at“ gehört dem Verbandschef.

Wie geht es nach der WM weiter?

Fünf Tage nach nach der WM findet die Promi-WM im Düsseldorfer Maritim Hotel statt. Da spielen die Stars mit Prominenten. Da sind van Gerwen und Taylor dabei, auch Rowby, Max Hopp und ich. Promis sind unter anderen Calmund, Matthäus, Wiese, Henssler, Mälzer. Das wird lustig.

Und werden Sie nächstes Jahr unter den acht Spielern der Premier League sein?

Die erste vier der Weltrangliste spielen Premier League, die vier restlichen werden eingeladen. Passiert das, musst du aufgrund der Verträge spielen. Das sind 15 Donnerstag von Februar bis Mai. Ich würde nächstes Jahr lieber noch nicht spielen. Ich denke, dass ich noch nicht reif bin. Die Konstanz für die Premier League ist noch nicht da.

Privatmensch

Mensur Suljovic wurde am 5. März 1972 in Tutin geboren, eine Stadt mit bosnischer Mehrheit im heutigen Serbien. 1993 schickte ihn die Mutter nach Wien, wo schon der ältere Bruder war, weil sie nicht wollte, dass er im Krieg in die Armee eingezogen wird. Dem älteren Bruder hilft er ab und zu im Lokal im 23. Bezirk aus. Suljovic selbst hatte seit Feber 2013 ein Lokal im 20. Bezirk, das „Gentle“. Das hat er aus Zeitgründen mittlerweile an die Brüder Rodriguez verkauft. Er selbst führt nur noch den „PM Dartsklub“ ein paar Straßen vom „Gentle“ entfernt. Mensur Suljović und seine Frau Enisa haben einen gemeinsamen Sohn, Tarik (geboren 2007).

Dartsspieler

Suljovic kam über E-Darts zum Steel-Darts. 2008 nahm er erstmals an der WM teil, dieses Jahr ist seine neunte Teilnahme, nur 2013 konnte er sich nicht qualifizieren. 2011 machte er auf sich aufmerksam, weil er Michael van Gerwen in Runde 1, James Wade in Runde 2 schlug und als erster deutschsprachiger Dartsspieler ins WM-Achtelfinale einzog. Im September 2016 gewann er in Riesa sein erstes PDC-Turnier, eine Woche später wurde er Zweiter bei der EM.

Drei Österreicher sind bei der WM dabei: Der Steirer Zoran Lerchbacher hat seinen Platz über die osteuropäische Qualifikation erreicht und spielt am 21. Dezember um 20 Uhr in der Vorrunde gegen den Engländer Simon Stevenson.

Gleich nach ihm bestreitet Mensur Suljovic sein Erstrundenspiel gegen den Niederländer Ron Meulenkamp. Er ist über die Weltrangliste fix dabei, ebenso Rowby-John Rodriguez, der am 22. Dezember in der ersten Runde auf die Nr. 7 der Welt trifft, auf den Engländer Dave Chisnall.

Gewinnt Suljovic, spielt er am 27. Dezember in Runde zwei, Tags darauf stünde sein Achtelfinalspiel auf dem Programm. Viertelfinale wäre am 30. Dezember, dort würde wahrscheinlich Michael van Gerwen warten, die überlegenen Nr. 1 der Welt aus den Niederlanden. Das Antreten in der Vorrunde bringt Lerchbacher 4500 Pfund. Jeder Erstrundenverlierer bekommt 10.000 Pfund. Der Sieger bekommt 350.000 Pfund.

Kommentare