Wie eine Schwimm-Staatsmeisterin in einem Gewächshaus trainiert
163 Kilometer liegen zwischen Sarajevo und Doboj Jug. 163 Kilometer, die Iman Avdić mit ihrem Vater Evelin in Kauf nahm, um den Traum vom Schwimmen zu verwirklichen.
"163 Kilometer, was ist das schon?", werden sich einige an dieser Stelle fragen. Eine Menge, wenn man in diesen Corona-Zeiten in Bosnien-Herzegowina lebt und unter 18 bzw. über 65 Jahre alt ist. Gegen diese zwei Altersgruppen verhängte der Krisenstab Mitte März strikte Ausgangsbeschränkungen, Kinder bzw. Pensionisten durften bis vergangenen Freitag ihr Haus überhaupt nicht verlassen - nicht mal, um einkaufen oder spazieren zu gehen bzw. die Apotheke aufzusuchen.
Iman Avdić und ihr Vater atmeten auf, als die Maßnahmen gelockert und Kindern ermöglicht wurde, dass sie von ihren Eltern von Punkt A bis Punkt B mit dem Auto kutschiert werden dürfen. Prompt machten sich die beiden auf die Suche nach Trainingsmöglichkeiten.
Im Touch mit dem Wasser bleiben
Iman ist 13 Jahre alt und Junioren-Staatsmeisterin. Und äußerst ehrgeizig. "Zuerst begannen wir mit täglichen Trainings auf dem Trockenen. Nachdem wir in Sarajevo wohnhaft sind, bestiegen wir Bjelašnica (Anm.: Olympia-Berg am Rande Sarajevos). Danach kamen wir auf die Idee, dass wir es eventuell versuchen könnten, auf der Stelle zu schwimmen, einfach um das Gefühl für das Wasser zu wahren. Das schafften wir mit unserer kleinen Erfindung", erzählte Papa Avdić einer Reuters-Crew, die das sportliche Vater-Tochter-Duo besuchte.
In Sarajevo sind die Schwimmbäder derzeit selbstverständlich wie in großen Teilen der Welt geschlossen. Nach langem Überlegen kam man auf Großvaters Hof, der eben mehr als 160 km weit entfernt liegt, drauf. In diesem steht ein Gewächshaus, das plötzlich eine andere Verwendung fand.
In eben dieses Gewächshaus pflanzten die Avdićs einen Pool mit Dimension von 3 mal 2 Metern hin. In diesem trainiert Iman nun täglich. Der Papa ist stets dabei, denn einer muss das Aqua-Zugband ja halten. Das Band ermöglicht unbegrenztes Schwimmen selbst im kleinsten Pool und ist damit ideal für Iman.
"Es ist irgendwie ganz komisch für mich, aber ich kann mein Training wie gewohnt absolvieren - wenn auch auf eine ganz andere Art und Weise. Mein Vater und zugleich mein Trainer hält an seinem üblichen Trainingsprogramm, nur dass wir uns halt an Minuten und nicht mehr an Meter halten", schilderte das Mädchen seine Eindrücke. "Ich finde es sehr schön hier, ich bin glücklich, dass ich schwimmen darf. Ich kann mich an das hier gewöhnen", sagte die Halterin von acht Landesrekorden. Auf die Frage, wonach sie sich zurzeit sehnt, ließ Iman eine prompte Antwort folgen: "Nach meinem Trainingsbecken!"
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