"Das hässliche Entlein": Portugals EM-Held gastiert in Salzburg
Lok-Moskau-Stürmer Éder schoss 2016 das entscheidende Tor im EURO-Finale. Der 32-Jährige schaut auf ein bewegtes Leben zurück.
20.10.20, 05:00
Es waren TV-Bilder, die um die Welt gingen: Portugals Superstar Cristiano Ronaldo stand beim EM-Finale 2016, in dem er wegen einer Verletzung schon nach ein paar Minuten ausgewechselt hatte werden müssen, wild gestikulierend in der Coaching Zone als wäre er Teamchef.
Ob Ronaldo oder doch Portugals eigentlicher Trainer Fernando Santos jene letztlich entscheidende Idee hatte, kurz vor Schluss Stürmer Éder für Mittelfeldspieler Renato Sanches einzuwechseln, ist nicht überliefert. „Nicht der schöne Schwan hat getroffen, sondern das hässliche Entlein“, sagte der knorrige Teamchef nach dem ersten großen Fußball-Titel für das kleine Land im äußersten Westen Europas.
Denn Schattenmann Éder, der immer in der zweiten oder oft sogar dritten Reihe hinter Strahlemann Ronaldo gestanden war, hatte für jenes entscheidende Tor gesorgt, dass EM-Gastgeber Frankreich im Stadion Saint-Denis ins Tal der Tränen stürzte.
In der 19. Minute der Verlängerung hatte sich Éder, der damals dazu noch in der französischen Liga bei Lille sein Geld verdiente, sein Herz in sein rechtes Bein genommen. Mit einem satten Schuss aus 24 Metern ließ er Frankreichs Teamkeeper Hugo Lloris keine Chance. „Ronaldo hat zu mir gesagt: Du wirst das Siegtor schießen“, erzählte der EM-Held nach dem wichtigsten Tor seines Lebens.
Mittlerweile ist der Mittelstürmer 32 Jahre alt, seine lange Karriere neigt sich also dem Ende entgegen. Am Mittwoch gastiert er erstmals in Österreich – mit Lok Moskau im ersten Champions-League-Gruppenspiel bei Red Bull Salzburg (18.55 Uhr).
Éder hat in seinem Leben schon viel erlebt. Als Zweijähriger verließ er sein Heimatland, den westafrikanischen Kleinstaat Guinea-Bissau, und folgte mit der Mutter seinem Vater nach Portugal. Doch die Beziehung der Eltern zerbrach, er selbst wurde schon mit acht Jahren in ein Heim abgeschoben. „Ich war traurig und verlassen“, sagt er über seine einsame Kindheit.
Sein Vater war nach England weitergezogen. 2002 wurde dieser verhaftet. Es soll seine zweite Frau erwürgt haben. Éders Vater bestritt die Tat, wurde aber trotzdem zu einer zumindest 16-jährigen Haftstrafe verurteilt. Sein Sohn hielt trotzdem den Kontakt. Besuchen konnte Éder ihn im Gefängnis aber erst, als er als Fußballer Geld verdiente. „Immer wenn ich frei hatte, bin ich nach England gefahren.“
Als Profi hat Éder Europa durchquert. Es bezeichnet sich gerne als „Mister International“, auch weil „meine Familie über die ganze Welt verteilt ist“. Er selbst jagte dem Fußball in Portugal, Großbritannien, Frankreich und nun eben in Russland nach.
Trotz seiner beachtlichen Größe von 1,90 Meter war der Mittelstürmer nie der klassische Torjäger, der am Fließband trifft.Aber Éder ist einer für entscheidende Tore. Das bewies er nicht nur bei der EM 2016, sondern auch zwei Jahre später. Da schoss er Lok Moskau – übrigens wieder als eingewechselter Spieler – mit dem 1:0 gegen Zenit St. Petersburg zum ersten Meistertitel nach 14 Jahren Pause.
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