Traustason: "Dieses Tor hat das Leben verändert"

Am 22. Juni traf Arnor Traustason gegen Robert Almer. Heute wartet beim Derby das zweite Duell. Der Rapid-Neuzugang und der Austria-Kapitän erzählen, was in der Zwischenzeit passiert ist.

7. August 2016, Wien. Das Wiedersehen von Robert Almer und Arnor Ingvi Traustason beginnt. Entweder gleich um 16.30 Uhr, beim Shakehands vor dem Anpfiff des 318. Wiener Derbys. Wenn der Austria-Kapitän den Rapid-Neuzugang im Happel-Stadion begrüßt. Oder vielleicht später, falls der Isländer als Joker auf den Goalie zukommt. So wie beim ungewöhnlichen Kennenlernen.

Ein Blick zurück:

22. Juni 2016, Paris. Um exakt 19.54 Uhr kommen sich die beiden so richtig nahe. Bis auf vier Meter. Der eine wirft sich, der andere lässt sich davon nicht beeindrucken und drückt den Ball in der Nachspielzeit über die Linie. Der Schlussakt im letzten Gruppenspiel der EURO in Frankreich. 2:1 für Island, Österreich fliegt nach der Vorrunde heim, das isländische Abenteuer geht nicht nur weiter, sondern erreicht eine neue Dimension.

"Ich habe beim Verlassen des Stadions realisiert, wer Robert ist", erzählt Traustason. "Nach dem Spiel haben Österreich-Fans auf mich gewartet. Ich habe mich gewundert, bis sie mir erklärten, dass sie eigentlich Rapidler seien und zu mir sagten: ,Wenn schon ein Spieler Österreich nach Hause schießt, dann am besten ein Rapidler gegen den Austria-Tormann.‘"

Der violette Teamtormann Almer hat natürlich keine guten Erinnerungen an diesen Tag: "Wir hatten viele Chancen auf die Führung, dann wäre vieles anders gelaufen." Wenn und Aber. "So war bei uns die Enttäuschung natürlich groß." Dass er in letzter Minute vom neuen Rapid-Rekordeinkauf bezwungen wurde, bekam der Austria-Tormann im ersten Moment ebenfalls nicht mit. "In der Situation achtet man nicht darauf."

27. Juni 2016, Nizza. Während Almer bereits im Urlaub ist und versucht, die Enttäuschung zu verarbeiten, wartet auf Traustason das nächste Karriere-Highlight – EM-Achtelfinale gegen England.

"Noch größer als das 2:1 gegen Österreich war für uns der Sieg gegen die Engländer, weil das die Insel unserer Träume ist. Fast alle Teamspieler wollen in England spielen", erklärt der 23-Jährige zum 2:1-Triumph gegen das Mutterland des Fußballs.

Traustason hätte durchaus nach England wechseln können. "Es gab Interesse, aber es war nicht so ernst wie es Rapid gemeint hat." Der Flügelstürmer legte sich noch vor der EURO auf Rapid fest: "Bei den Verhandlungen im Jänner hat das Timing wegen der EURO noch nicht gepasst. Aber dann habe ich auf mein Herz gehört, und es war Zeit, dass Norrköping auch an mich denkt. Sie haben den nötigen Respekt gezeigt und dem Wechsel zugestimmt."

Einem noch besseren Vertrag mit EURO-Bonus trauert er nicht nach: "Ich habe ja noch viel zu lernen. Dieser Klub lechzt nach Titeln, ich will mithelfen, auch welche zu gewinnen. Es war die richtige Entscheidung."

6. Juli, Island. Traustason bricht nach dem Ende des Fußball-Märchens mit einem 2:5 im EM-Viertelfinale gegen Frankreich zuhause in Island zur Erholung ins Sommerhaus der Eltern auf.

Während Almer wieder ins Training eingestiegen ist und schon bald wieder als Nummer eins der Veilchen überzeugen wird, geht es in Traustasons Kopf rund. "Ich hatte einen großen Moment in meinem Leben zu verarbeiten. Im Sommerhaus stand eine Woche lang nur Relaxen im Jacuzzi und am Abend Grillen auf dem Programm. Für den Strand in Miami wäre nicht genug Zeit gewesen."

Der neue Volksheld erkennt, dass sein Tor gegen Almer um die Welt gegangen ist: "Das lag natürlich auch am emotionalen Kommentar des TV-Experten aus Island."

Das Tor sieht sich Traustason daheim "schon ein paar Mal an, das gebe ich zu". Und er erkennt, was Almer gleich wusste: "Ich hätte den Ball eigentlich halten können. Aber das Tor in der Nachspielzeit war in Wahrheit schon egal."

Nicht für Traustason: "Es war eine perfekte Vorarbeit von Elmar Bjarnason, nur Alaba hatte uns verfolgt. Mein Schuss war nicht perfekt. Robert ging zu schnell zu Boden – 2:1! Dieses Tor hat das Leben verändert."

Abheben war dennoch keine Option: "Ich habe mir öfter gesagt: ,Bleib’ ruhig und immer am Boden.‘ Ich habe jetzt zwar mehr Selbstvertrauen, aber ich bin nicht größer als irgendein anderer, weil ich in Frankreich war. Ich starte bei Rapid bei Null."

18. Juli, Wien. Der Mann mit der Nummer 23 legt im Rapid-Training los. Erklärt, dass sein Name bedeutet, der Sohn von Trausti zu sein. Und, dass er eigentlich "Tröstason" ausgesprochen wird. Die Mutter und zwei Geschwister sind da, um beim Einrichten der Wohnung im "Campus" neben dem Happel-Stadion zu helfen. Der Neue ist – wie Almer – ein Familienmensch, das zeigen ein Tattoo von einem Familienfoto und ein zweites mit den Großeltern als Löwen ("Weil sie zusammen so stark sind"). Deutsch will er nach Isländisch, Englisch und Schwedisch ganz schnell lernen.

11. August 2016, Trnava. Almer hievt die Austria mit dem gehaltenen Elfmeter in der Slowakei doch noch ins Play-off der Europa League. Sechs der ersten sieben Pflichtspiele sind gewonnen. Und die einzige Niederlage konnte in Trnava ausgemerzt werden.

Nach einem kurzen Jubel rückt schon das Derby gegen den Erzrivalen in den Fokus. Das Wiedersehen mit dem Isländer im Prater lässt Almer dennoch kalt. "Weil mir gleich ist, wer bei Rapid im Sturm spielt. Ich will gegen sie so und so gewinnen."

Traustason erwidert nach dem 3:0 gegen Schodsina: "Ich habe oft gegen Lokalrivalen gespielt. Aber da war kein so wichtiges Spiel wie das Wiener Derby dabei. Ich habe ja wirklich nichts gegen Robert. Aber wenn ich die Chance dazu bekomme, mache ich wieder ein Tor gegen ihn – das hätte schon was."

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