Frauenfußball: Zwischen Hype und Ernüchterung

Frauenfußball: Zwischen Hype und Ernüchterung
Das Nationalteam ist top, die Bundesliga kommt ins Fernsehen, aber kleine Klubs sperren zu.

Goberling ist eine Gemeinde im Südburgenland mit etwas mehr oder weniger als 400 Einwohnern. An dieser Stelle soll Goberling jedoch als Symbol für den österreichischen Frauenfußball stehen. Der Verein hat in dieser Winterpause den Spielbetrieb eingestellt. Dass ein Frauenfußballverein den Spielbetrieb einstellt, war bis dato höchstens eine Randnotiz in lokalen Medien. Aber seit dem Sommer hat der Frauenfußball sein Schattendasein verlassen. Die Österreicherinnen wurden bei der EM in den Niederlanden Dritte, entfachten auf dem Weg ins Semifinale nach Breda einen regelrechten Hype.

Goberling oder Breda? Wo befindet sich der österrei chische Frauenfußball?

Isabel Hochstöger ist Teammanagerin des Nationalteams und Leiterin des Mädchen- und Frauenfußballs im ÖFB. Die 36-jährige Linzerin wurde drei Mal Meister und fünf Mal Cupsieger mit Kleinmünchen und Landhaus, spielte 19 Mal im Team. „Früher gab es nur Idealismus. Den gibt es jetzt auch noch, aber es ist viel Professionalität dazu gekommen. Nach der EM hat eine komplett neue Zeitrechnung im Frauenfußball begonnen“, sagt sie. „Noch im Oktober 2016 sind wir mit 18 Spielerinnen im Bus zum Länderspiel nach Deutschland gefahren.“ 2017 und 2018 durfte Teamchef Dominik Thalhammer mit 23 Spielerinnen zum Zypern-Cup fliegen. Der Betreuerstab ist zwar noch immer kleiner als beim Männer-Team, Videoanalyst und Medienbetreuer aber gehören auch beim Frauenteam zum Standard.

Frauenfußball im TV

Auch bei den Mitarbeiterinn en im ÖFB wurde aufgestockt. Schon vor der EM hatte man einen Sponsor für das Nationalteam gefunden. Und der ORF, der im Sommer die Männer-Rechte für Champions League und Bundesliga verliert, bleibt weiter bei seinem Bekenntnis zum Frauenfußball. Die vier Spiele beim Zypern-Cup wurden schon einmal live übertragen. Ab Sommer will man die Bundesliga übertragen.

Der sportliche Werdegang des Spitzen-Frauenfußballs ist beeindruckend. 2011 wurde das Nationale Zentrum für Frauenfußball eröffnet, danach erreichte die U-17-Auswahl die EM, es folgte die U 19 und schließlich das A-Team. „Diese letzte Qualifikation steht also nicht im luftleeren Raum“, sagt Hochstöger. Das U-17-Team spielt seit Montag mit Bosnien, Polen und der Türkei um die EM-Teil nahme. Ebenso die U 19 ab 2. April in Irland gegen Irland, Spanien und die Türkei.

Hochstöger sieht wie viele andere den Teamchef als Schlüssel zum Erfolg. „Ich finde es gut, dass Dominik Thalhammer weiter für den Frauenfußball verpflichtet wurde. Und bin mir sicher, dass er als Visionär, der er ist, bei den verschiedenen Projekten vorangehen wird.“

Mittlerweile kümmert man sich im ÖFB auch um die Vermarktung der Frauen. Wurde vor der EM noch in Leibchen ohne Namen gespielt, gibt es mittlerweile einen Durchbruch im Merchandising. „Aktuelle Dressen sind mit Nummer und Namen im Onlineshop zu bestellen“, sagt Hochstöger und holt das Bild der Tochter einer Freundin aufs Handy – im Zinsberger-Trikot. „Sie will es kaum ausziehen.“

Weniger Kickerinnen

Aber wie bringt man solche Mädchen zum Vereinsfußball? Die Zahlen waren vor der EM sogar einen Hauch rückläufig. Nicht ganz 8000 Frauen und 13.000 Mädchen sind gemeldet, wie viele davon ernsthaft im Meisterschaftsbetrieb spielen, ist da raus nicht erkennbar.

Sogar in der Bundesliga, die unter Leitung des ÖFB gespielt wird, geht die Schere weit auseinander. Es gibt für die aktuelle Zehnerliga zu wenige Spielerinnen mit ähn lich hohem sportlichen Niveau. Die vier großen Klubs wollten eine Sechserliga, was aber bei weitem keine Mehrheit fand. Nicht einmal eine Achterliga ist durchzusetzen. So klingt es als frommer Wunsch, wenn Hochstöger sagt: „Für die nächsten Schritte brauchen wir aber auch den Mut und die Bereitschaft der Vereine.“

Die ist punkto Verkleinerung aber nicht vorhanden. Noch dazu, weil der ÖFB in intensiven Verhandlungen mit TV-Partner und Ligasponsor steht. Es will keiner aus der Bundesliga ausscheiden, wenn endlich etwas Geld da ist. Die Funktionärs-Idealisten des Frauenfußballs staunen darüber, was der ÖFB über den Sponsor verteilen will – und zwar leistungsbezogen nach der Endtabelle. Sogar der Letzte könnte noch eine fünfstellige Summe bekommen. Der Meister entsprechend mehr.

Mädchen für die Klubs

Frauenfußball: Zwischen Hype und Ernüchterung

Besuch des Bundesligaspiels im Frauenfussball, Union SC Landhaus gegen LUV Graz, auf der Sportanlage des Union Landhaus in Wien Floridsdorf. Wien 19.08.2017

Die größte Herausforderung des österreichischen Frauenfußballs liegt aber bei den Kleinsten. Es gibt verschiedene Projekte. Vor allem die UNIQA-Mädchenfußballliga, die erstmals 2008/2009 ausgetragen wurde, war ein großer Schritt vorwärts. Hochstöger: „Allerdings ist es Thema in den Expertengremien, wie man die Mädchen vom Schulfußball dann zu den Vereinen bekommt. Ideen sind da. Die werden in einem Programm niedergeschrieben. Ausschlaggebend ist die Umsetzung. Man muss sich präzise ansehen, was man über welchen Weg machen kann.“

Sogar im Ballungsraum Wien ist nicht alles eitel Wonne. Auch KSC/FCB Donaustadt hat im Winter den Spielbetrieb eingestellt – in der Wiener Liga, immerhin die dritthöchste Spielklasse in Österreich. Elf Jahre gab es im Norden Wiens, am Bruno-Pezzey-Weg, Frauenfußball, in den besten Zeiten mit A-, B- und drei Nachwuchsteams.

„Ich habe 15 Spielerinnen verloren“, erklärt Sektionsleiter Dieter Lhotka. Aber nicht nur aus privaten Gründen oder wegen Verletzungen. „Gewisse große Vereine in Wien werben aggressiv ab“, klagt Lhotka. Auch im Nachwuchsbereich. „Ein Talent von uns hat sich im Ballsportgymnasium beworben, ihr wurde aber nahegelegt, dass sie dafür zu einem anderen Klub wechseln soll.“

In Teilen Österreichs gibt es aber gar nicht so viele Fußballerinnen, dass man sie abwerben könnte. Und hier kommt wieder Goberling ins Spiel. Im Burgenland gibt es nur noch sechs Vereine und keine Landesliga. Bis letzten Sommer war das kein großes Problem, jetzt will man nicht mehr der einzige Landesverband ohne Landesliga sein. Südburgenland 1 und 1b spielen in der Bundesliga, die restlichen vier im Wiener (Neusiedl, Mönchhof) und im niederösterreichischen (Bad Sauerbrunn, St. Margarethen) Verband. Dennoch ist BFV-Sportkoordinator Johann Füzi guter Dinge, dass es schon ab diesem Sommer eine Landesliga mit sechs Klubs geben wird.

So mancher Verein aber ist skeptisch, zu groß wäre das Leistungsgefälle. Und Zwang von Seiten des Verbands sei nicht hilfreich. Neusiedls Frauen-Chef Michael Feucht: „Wir könnten uns vorstellen, mit einer B-Mannschaft zu helfen, um Klubs in einer Hobbyliga für die Landesliga aufzubauen. Wir wollen eine Landesliga, aber der Sommer ist noch zu früh.“ Das sieht Füzi nicht so: „Wir wollen Mädchen-Stützpunkte einrichten. Und für die brauchen wir eine burgenländische Liga als Anreiz.“ Entschieden wird im April.

Finalspiel in Wien

Eine letzte gute Meldung kommt von ÖFB-Generalse kretär Thomas Hollerer: „Wir haben uns für die Austragung des Endspiels der Champions League im Jahr 2020 beworben, mit dem Austria-Stadion als Spielort und als Zeichen, dass wir den Frauenfußball ernst nehmen.“ Die Entscheidung der UEFA fällt Ende Mai.

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