Boxer Geier: Alles für die Fisch'
Auf dem Gebäude im Wiener Neustädter Bahnhofsviertel, in dem sich "Harry's Angelsport-Zentrale" versteckt, steht in großen Buchstaben "Tischlerei". Eine Leiter, Farbe und einen Pinsel zu holen und das T durch ein F zu ersetzen, findet Harry Geier nicht passend. "Was soll eine Fischlerei sein?", fragt der ehemalige Profi-Boxer, der in der ausrangierten Tischlerei auf 250 Quadratmetern all das anbietet, was das Süßwasser-Fischer-Herz begehrt. Von Ruten über Rollen, von Gummifischen über Zanderlockstoff, bis zu Maden über Würmern.
"Fischen ist mein Leben", sagt der 39-jährige Harry Geier. "Genauso, wie Boxen mein Leben war. Aber die Zeiten ändern sich." Mehr als 13 Jahre sind vergangen, seit Geier als regierender Weltmeister nach UBF-Version abgetreten ist. Dieser Verband war eigens für ihn gegründet worden, er hatte im Wr. Neustädter HTL-Turnsaal einen Mexikaner hergebirnt. Einen jener gedungenen Typen, die in Wild-West-Filmen in den ersten Sekunden sterben. Egal, Champ ist Champ. Ob er die verdienten Millionen verprasst hat? "Aber geh, ich hab' mir nix erspart, nicht einmal ein paar Watsch'n."
Weiche Birn'
Die ärgsten Watsch'n in 37 Kämpfen (33 Siege, 1 Remis) habe ihm Johnny Bredahl zugefügt. Im EM-Kampf in der Arena Nova, vor genau 15 Jahren. "Ich habe trainiert wie ein Depperter, ein Jahr lang. Bredahl, dieses G'frastsackl, hat sich nur sechs Wochen vorbereitet und gesagt: Na, hoffentlich ist der nicht müde!"
An den Fight selbst erinnert sich Geier nur vage. "Ich habe nicht gewusst, wo die Watschen herkommen, so schnell war der. In der fünften Runde hat er mich schön abgeschossen. So, wie es die Leute sehen wollen - Niederschlag, aufstehen und dann endgültig verräumen. Ich hatte sicher eine Gehirnerschütterung, aus dem Spital hätten sie mich in dieser Nacht nicht hinausgelassen."
Geier glaubt nicht, "dass Boxer durch Schläge deppert werden, sondern durch das Abnehmen". In seiner besten Zeit wog der Profi 66 Kilo, also genauso viel wie heute. Um das Bantam-Idealgewicht von 53,525 Kilo zu erreichen, musste er vor jedem Kampf stets 13 Kilo loswerden.
Das entspricht grob einem Fünftel des Körpergewichts. "Ich hab das immer in drei Wochen geschafft", sagt Geier, "aber da wirst du ein bissl weich in der Birn'."
Kleiner Thai-Boxer
"Harry's Angelsport-Zentrale" ist Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr geöffnet, Samstags bis 13 Uhr. Ein bissl übertrieben im November, wenn kaum Kunden kommen, oder? Bzw.: Warum sperrt er im Winter nicht nur halbtags auf? "Weil sich die Kunden an die Öffnungszeiten gewöhnt haben. Außerdem: Was soll ich denn sonst tun den ganzen Tag? Trainieren auf ein Comeback vielleicht?"
Nun, Geier könnte daheim zum Beispiel mit seinem fast zweijährigen Sohn Nino spielen, den ihm seine Ehefrau geschenkt hat. Wie sie heißt? Geier nimmt Kuli und Block und schreibt: Supatcha Geier. "Eine Thailänderin, kennengelernt im Urlaub in der Prärie. Es ist nicht so leicht mit dem Visum in der heutigen Zeit." Derzeit macht Supatcha Geier einen Deutschkurs, und dann, wenn der Bub im Kindergarten ist, wird sie ihren Ehemann in der Anglersport-Zentrale unterstützen.
Netter Aufputz
Derzeit tut dies Vater Ernst, der Harrys Geschicke schon managte, als dieser Boxer war. Ernst Geier stellte auch den WM-Kampf 1994 in Wr. Neustadt auf die Beine, die Harry nur 19 Sekunden lang trugen. Und den EM-Kampf gegen Bredahl am 30. 11. 1996. "Eine tolle Veranstaltung", sagt Ernst Geier beiläufig, "die Klitschkos waren auch da im Rahmenprogramm."
Der nette, schwergewichtige Aufputz aus der Ukraine hat's, ähnlich Harry Geier, in weiterer Folge auch zum WM-Titel gebracht. Witali ist WBC-Weltmeister, Wladimir ist Weltmeister nach Version der IBF, WBO, WBA und IBO.
Wenn die Klitschkos gescheit sind, treten auch sie als regierende Champions ab. Weil, wie Harry Geier sagt: "Meinen Titel kann mir kein Mensch nehmen. Nie."
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