Bauwut statt Lebenslust in Katar
Zeichne ein Bild von Katar, haben sie gesagt. Mit Worten. Von dem Land, das bereits die Schwimm-WM (nebensächlich) veranstaltet hat; von dem Land, das derzeit die Handball-WM (nebensächlich) ausrichtet; von dem Land, das bald die Turn-, Rad- und Leichtathletik-WM (alles eigentlich auch nebensächlich) organisieren wird; von dem Land, das 2022 die Fußball-WM (hauptsächlich) und irgendwann wohl auch Olympia (hoffentlich die mit den Sommersportarten) in Szene setzen wird.
Einen Versuch ist es wert. Zu viel Grausliches und Spektakuläres wurde berichtet über Katar – dieses unscheinbare Halbinselchen im Persischen Golf mit seiner funkelnden Hauptstadt Doha. Eine Woche Zeit. Wo soll man da bloß anfangen?
Die Fremdarbeiter
Die Abstufungen fehlen auch Winny, einem großen Mann aus Ghana. Seit zwei Jahren lebt er in Katar. "Ich lebe nicht hier", sagt er mit lauter Stimme und in nicht ganz so perfektem Englisch. "Ich arbeite hier. Arbeiten, schlafen, arbeiten, schlafen." Es fehle der Spaß, das Lebensgefühl. Im Sommer will er zurück in Ghana sein.
Der nächste katarische Widerspruch: Arbeiten wollen viele hier, leben offenbar keiner. Von sieben Bewohnern Katars sind sechs gereist. Eine gelungene Work-Life-Balance sieht anders aus.
Die Einheimischen
Wie hält man es in Katar bloß aus? Fünf Jahre, fünfzehn, gar ein Leben lang? Am ältesten Markt der Stadt, dem Souq Waqif, sitzt ein älterer Herr, der darüber erzählen kann. Er muss davor aber noch beten, zum zweiten Mal an diesem Tag. Er zieht die Schuhe aus, richtet seinen Oberkörper auf und schließt die Augen.
Nach fünf Minuten öffnet er sie wieder und beginnt zu sprechen. Sein Englisch ist schlecht, weil inexistent. Das ist nicht schlimm, er war noch nie in England, sondern 72 Jahre lang in Katar. "Das da drüben ist nichts für mich", sagt er, beziehungsweise ein Dolmetscher. Mit "da drüben" ist die Skyline von Doha gemeint, das Finanzviertel, die Hotelburgen, die Einkaufszentren.
Der Mann war mehr als 60 Jahre lang Fischer, wie auch schon sein Vater zuvor und wie einst die meisten Katari. Irgendwann war der Meeresgrund nicht mehr tief genug. Sie bohrten statt zu fischen, fette Beute gab es dennoch: zunächst Erdöl. Heute verfügt Katar über die weltweit größten Erdgasreserven. Der Staatsfonds der Herrscherfamilie ist mehr als 50 Milliarden Dollar schwer.
Davon hat auch der alte Mann am Markt etwas: ein bisschen Rente, wie er sagt, und "die beste medizinische Versorgung", die er sich je vorstellen konnte. Er hat noch einige Jahre vor sich – vermutlich. Sicher ist nur wo: in Doha.
Die Sportarenen
Dort entsteht bereits eines der klimatisierten Stadien für die Fußball-WM 2022. Insgesamt sind zwölf geplant, so schreibt es der Weltverband FIFA vor. Dazu noch 112 (!) Trainingsplätze für die 32 Teilnehmer.
Der Blick auf die erste Super-Arena bleibt einem verwehrt, als Sichtschutz wurde eine mehrere Meter hohe Betonwand aufgezogen – und unzählige Warnschilder: "Betreten verboten!"
Der KURIER hätte gerne mit jenen zwei Österreichern gesprochen, die in Doha im Auftrag der FIFA arbeiten. Doch ihnen ist jede Form eines Interviews untersagt – nicht von Katar, von der FIFA.
Auch das zeichnet ein Bild. Ohne jedes Wort.
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