Basketball-Boss Martens: Über Pöltl, Wien und die Austria
Gerald Martens ist seit Ende März Präsident des österreichischen Basketballverbands. Zusammen mit seinem Bruder hat er einen Mischkonzern geschaffen, darunter auch die Lack-Firma Helios. Die sponserte die Basketball-Mannschaft im slowenischen Domzale mit einer Million Euro. Die wollte Martens streichen lassen, erst als man ihm erzählte, dass im Klub 700 Kinder trainieren, verlängerte er.
So kam der ehemalige Footballer aus Niederösterreich zum Basketball. Er machte aus Helios Domzale die Helios Suns und modernisierte den Klub von Grund auf. Das brachte ihm nicht nur Freunde. So wie auch hierzulande sein Reformeifer nicht begeistert aufgenommen wurde von Fürstenfeld und ein paar Schiedsrichtern.
KURIER: Welchen Stellenwert hat Basketball derzeit in Österreich?
Gerald Martens: Punkto Förderungen keinen guten. Wir bekommen 523.000 Euro Spitzensportförderung. Das ist ein Bruchteil von Handball oder Volleyball, obwohl wir in dieser Gruppe die beste Performance vorweisen können. Wir bekommen knapp mehr als Casting. Wissen Sie was Casting ist? Fliegenfischen.
Wie kann man Stellenwert und Förderungen heben?
Mit Erfolgen. Wir wollen mit dem Herren-Team unbedingt zur EM. Das erste Qualifikationsspiel ist am 20. Feber gegen die Ukraine, das werden wir in Graz spielen. Da wollen wir ein Riesenevent in einer vollen Halle haben. Und im November werden wir wohl in Salzburg spielen.
Mit Jakob Pöltl hat man einen NBA-Spieler als Star.
Es ist super, dass ein Österreicher in der NBA spielt. Für das Team hat er aber immer nur im Sommer Zeit, das ist das Problem daran.
Ist das Team dadurch schlechter?
Klar ist so ein Spieler ganz wichtig. Wir müssen damit leben, dass er nicht immer kann. Aber wir haben auch so ein geiles Team. Wir müssen schauen, dass die Chinesen Landesberg spielen lassen. Mahalbasic war letzte Saison in Deutschland der beste Center. Schreiner ist mit Bilbao in die erste spanische Liga aufgestiegen. Ogunsipe spielt in Hamburg sehr gut, Klepeisz in Braunschweig. Mit Vujosevic hat der beste Spieler der letzten Jahre in der heimischen Liga jetzt die Staatsbürgerschaft bekommen. Und, und, und. Ich habe das Präsidenten-Glück, dass das so eine tolle Truppe ist. Jetzt müssen wir schauen, dass die Hallen bei den Teamspielen voll sind.
Mit dem Nationalteam ist man aber nicht in Wien. Auch in der Liga spielt die Musik in der Provinz.
Die Hallen dort sind aber klein, dadurch ist Basketball limitiert. Und die Kommunen können keine größeren Hallen bauen. Also müssen wir schauen, dass wir in die größeren Städte kommen. Wir sind dabei, dass wir uns in Innsbruck, Salzburg und St. Pölten etablieren. Der urbane Charakter von Basketball muss sich auch bei uns reflektieren.
Gibt es noch zu viele Sprossenwände, dem Zeichen von Turnsaalsport?
Die werden, soweit vorhanden, bei uns ordentlich abgedeckt. Wir haben die Hallen einheitlich gebrandet. Der Verband hat Kamerasysteme und LED-Banden mitfinanziert.
Was ist in Wien hinderlich?
Es gibt kaum geeignete Hallen. Der Zweitligaklub Basket Flames muss in Traiskirchen spielen. Ein anderes Beispiel: Wir wollen unseren Events eine passende Bühne geben. Den All Star Day wollen wir wieder in der Stadthalle veranstalten. Wenn die Miete aber über 60.000 Euro beträgt, muss man sich fragen, wie das finanziert werden soll.
Was kann man in Wien tun?
Mir taugt das Projekt der Timberwolves mit Austria Wien. Unserem Sport wird helfen, wenn die Fußballklubs auch einen Basketballklub haben, wie man bei Bayern München oder Real Madrid sieht. Und mit 3x3-Basketball gehen wir in die Stadt. Diese Form des Basketball wird boomen, denn schon diesen Somer ist sie in Tokio im olympischen Programm.
Warum tun Sie sich den Job überhaupt an?
Basketball wird weltweit auf höchstem Niveau gespielt. Europäische Topteams haben 30 bis 40 Millionen Euro Budget. Und NBA-Teams kann man ab einer Milliarde aufwärts kaufen. Und Basketball ist cool. Das soll er auch in Österreich werden. Daher haben wir auch das Management verjüngt. Und wir haben Tomas Kanovsky geholt, der in der Vorzeigeliga in Deutschland gearbeitet hat. Dort hat sich der Sport in den letzten 15 Jahren enorm entwickelt. Am Anfang hat man analysiert, dann hat man angepackt. Das wollen wir jetzt bei uns auch tun.
Haben Sie keine Angst, dass es für einige zu schnell geht.
Wir sind eine junge, motiviert, ehrgeizige Truppe. Wir werden in den nächsten Jahren große 3x3-Veranstaltungen austragen: 2020 die U17-EM, 2021 und 2022 kämpfen wir um die ganz großen Events nach der Olympiapremiere. Das wird dem Sport einen riesigen Boost geben.
Das Topspiel der Liga ist live bei Sky zu sehen. Ist das keine gute Werbung?
Doch. Sky ist ein guter Partner, der tolle Produktionen macht. Aber wir erreichen dort nur das Klientel, das wir ohnehin schon haben. Ich sehe es als meinen ersten Job an, Kinder zum Sport zu bringen. Daher haben wir auch einen Weg ins Free-TV gefunden und haben dabei mit Sky auch einen verständnisvollen Partner. Jetzt haben wir auch den ORF dabei, der 15 Spiele live zeigt. Die Quoten der ORF-Übertragungen haben alle begeistert und machen Lust auf mehr. Die Spiele, die nicht live im TV zu sehen sind, werden kostenlos gestreamt.
Was liegt Ihnen noch am Herzen.
Wir werden ab Sommer wieder ein Damen-Nationalteam haben. Das ist einige Jahre nicht mehr angetreten, ein Drama. Und punkto Nachwuchs werden wir wieder ein U20-Team bei den Burschen haben. Wir haben zwölf Nachwuchs-Guides, die Basketball in die Volksschulen bringen sollen. Es gibt den School-Jam, eine Schülerliga von 11 bis 14 Jahren im 3x3-Basketball. Den wollen wir auch zum Schulsport machen, das kann auch eine tolle Plattform für Mädchen sein.
Sind Sie ein böser Präsident, der alles durchdrückt?
Es stellte sich mir die Frage, ob man so weitermachen will wie immer. Oder ob man etwas verbessern will, was Neues probieren will. Und das was gut ist, verbessern will. Es war ein Gefälle zwischen Leistung und Nicht-Leistung da. Der Profisport ist ein Leistungssystem. Die Spieler sind es gewohnt, Leistung zu bringen, die haben sich auch nicht aufgeregt. Punkto Leistung können wir bei den Funktionären keine Ausnahme machen.
Sie haben Liga und Verband zusammengeführt.
Meine Vorgänger im Verband haben den Vertrag mit der Liga aus welcher Motivation heraus auch immer gekündigt. Das haben wir sozusagen missbraucht und durchgezogen, dass die beiden Institutionen unter einem Dach sind. Eine Firma lebt davon, dass man sich gegenseitig befruchtet, sich auf die Finger schaut, voneinander lernt. Wir haben die kritische Masse nicht, um mehrere Organisationen parallel führen zu können.
Gibt es noch Reibungspunkte, wie von manchen voraus gesagt?
Alle haben gesagt, dass das mindestens zwei Jahre bracht. Ich war aber der Meinung, dass in der Privatwirtschaft sowas zwei Monate braucht. Und so haben wir es auch gemacht. In der Liga schauen wir auch, dass alle Vereine gleich behandelt werden. Einige haben sich untereinander nicht immer so gut verstanden. Wir haben aus ihnen eine Gruppe gemacht, in kurzer Zeit hat sich ein neuer Spirit entwickelt.
Die Schiedsrichter wollten mehr Geld, einige haben anfangs nicht gepfiffen. Einige tun es jetzt noch nicht.
Die Erhöhungen, die ein paar von ihnen wollten, waren 45 Prozent. Das ist zu viel auf einmal. Die Vereine, die die Tarife zahlen, wären noch mehr belastet worden. Unser Markt gibt derzeit halt nicht mehr her. Außerdem waren die Tarife unfair verteilt.
Was heißt das?
Im Playoff verdienten die Schiedsrichter ungleich viel mehr, das kam aber nur wenigen zugute. Wir haben die Tarife für alle angehoben, dafür in den Playoffs etwas weggenommen. Und wir haben bei einem Budget von 600.000 Euro 40.000 Euro für Ausbildung und Observing in die Hand genommen. Wir haben auch jungen Schiedsrichtern eine Chance gegeben.
Der Interessensverband der Schiedsrichter fürchtet um die Unabhängigkeit.
Das Schiedsrichterwesen muss beim Verband sein, kann nicht bei den Vereinen oder einem Interessensverein liegen. Wir als Verband sind neutral. Und wir haben die Verantwortung gegenüber allen Schiedsrichtern Österreichs. Das sind 200. Und wir haben die Pflicht, uns nicht am Interesse einer kleinen Gruppe aufzureiben.
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