Acht Monate Einsamkeit: Ein Niederösterreicher umsegelt die Welt
Irgendwo im Indischen Ozean, in der Einsamkeit zwischen Australien und der Antarktis, wird ihr Sohn Weihnachten verbringen. Franz (76) und Ilse Guggenberger (72) sind im Gespräch mit dem KURIER stolz auf Michael (44), gleichzeitig können sie die Sorgen nicht verbergen. „Es kann jederzeit etwas passieren“, sagt Ilse. „Am gefährlichsten ist schwerer Sturm mit hohem Seegang.“
Michael Guggenberger ist einer von 16 Startern (15 Männer und eine Frau), die am 4. September im französischen Les Sables-d'Olonne in das Golden Globe Race gestartet sind, eine Retro-Regatta, Solo-Nonstop um die Welt. Sieben Skipper sind noch im Rennen, die anderen mussten aufgeben, ein Boot ist vor Kapstadt gesunken, der Finne Tapio Lehtinen konnte von seiner Rettungsinsel geborgen werden. Guggenberger liegt derzeit auf Rang vier.
Alte Technik
Beim Golden Globe Race wird bewusst auf moderne Technik verzichtet. Gefahren wird mit einem Equipment, das den Fahrern schon beim ersten Golden Globe Race 1968 zur Verfügung stand. Michael Guggenberger hält über eine Kurzwellen-Funkanlage Kontakt zur Rennleitung; statt per GPS navigiert er mit Sextant und Karte, Bleistift und Lineal. Wenn der Himmel längere Zeit bedeckt ist, wird die Navigation nach und nach ungenauer.
Die Teilnehmer sind mehr Abenteurer als Regattasegler, dennoch geht es um den Sieg. „Unsere Schiffe haben ein altes Design, alles ist ein bisschen schwerer und komplizierter, aber es funktioniert ganz gut“, sagte der 44-Jährige vor seinem Start. Modern ist nur die Sicherheitstechnik. „Um ein Segelboot zu fahren braucht es ein bisschen Wissen und viel Gefühl.“
Bereits am Tag des Starts verliert man die Konkurrenten aus den Augen. Kontakt zu anderen Menschen haben die Segler nur vor Lanzarote, Kapstadt, Hobart und Punta del Este (Uruguay). Dort fahren sie für Filmaufnahmen und Interviews langsamer vorbei, und sie können Speicherkarten und Briefe übergeben.
Anlegen dürfen sie nicht.
Guggenberger hat Verpflegung für 310 Tage an Bord, vor allem Salat und Gemüse in Dosen und gefriergetrocknetes Essen, wie es für die Raumfahrt entwickelt wurde. Er sammelt das Wasser, das sich jeden Morgen auf dem Vorsegel sammelt und natürlich das Regenwasser. Dieses schmeckt angeblich besser als das abgestandene Wasser aus den Kanistern. Zwischen Mitte April und Mitte Mai wird er wieder in Les Sables-d’Olonne an der französischen Atlantikküste eintreffen, sofern er es tatsächlich um die Welt schafft.
„Das ist schon eine starke Geschichte, so mutterseelenallein ein paar Tausend Kilometer im Nichts“, sagt Vater Franz. „Wir sind alle reiselustig. Aber Michael, das jüngste unserer vier Kinder, ist ein echter Abenteurer.“ Wo sich der Sohn exakt befindet, verfolgen die Eltern über den Live-Tracker auf goldengloberace.com. „Rund um Silvester soll er vor Hobart sein.“
Michael Guggenberger arbeitete als Masseur, als DJ und in der Gastronomie. Danach baute er Kulissen und Requisiten für den Film. Da zwischen den Projekten immer einige Wochen Zeit waren, begann er vor zwölf Jahren mit dem Segeln. „Da habe ich bald eine Leidenschaft entwickelt“, sagte er. „Wenn man Segeln als Handwerk sehen will, ist dieses Rennen die Meisterarbeit.“ Den Wert eines Einfamilienhauses habe er in sein Projekt gesteckt, das Boot, die Renovierung, den Umbau. Trotz der Unterstützung einiger Sponsoren.
Während des Rennens bekommt er pro Tag zwischen einer und acht Stunden Schlaf. „Bei Schwerwetterphasen hat man natürlich viel Arbeit und die Belastung ist groß“, sagte er. Fad wird es aber auch bei ruhiger See nicht. Da muss der gelernte Zimmerer vor allem die Schäden am Boot reparieren. „Und die Navigation beansprucht täglich eineinhalb Stunden.“
Neuer Gesprächspartner
Sollte wirklich einmal Flaute herrschen und nichts zu tun sein, liest er ein Buch. Mit der Einsamkeit kann er umgehen. „Wild wird es, wenn man beginnt, sich mit der eigenen Halluzination zu unterhalten.“ Deshalb müssen die Skipper einmal pro Woche mit der Rennleitung telefonieren, um zu bestätigen, dass sie auch psychisch noch auf der Höhe sind.
Was ihm in seinen acht Monaten auf hoher See am meisten abgehen würde, wusste er schon vor der Abreise: „Menschliche Nähe und ein frischer Salat.“
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