1000 Seiten, 26 Zeugen gegen Armstrong

1000 Seiten, 26 Zeugen gegen Armstrong
Die USADA spricht vom "professionellsten und erfolgreichsten Dopingprogramm, das der Sport je gesehen hat."

Was mache ich heute Abend? Ich verbringe Zeit mit meiner Familie, ungerührt", zumindest via Twitter (@lancearmstrong) zeigt sich Lance Armstrong sich Lance Armstrong vom 1.000 Seiten starken Bericht der US-Antidoping-Agentur USADA unberührt.

Dabei scheint die Beweislast gegen Armstrong erdrückend, der Verlust seiner sieben Tour-de-France-Titel rückt näher. Garniert mit elf Zeugenaussagen von Ex-Teamkollegen hat die USADA am Mittwoch ihre Urteilsbegründung im Dopingfall des Texaners an den Radsport-Weltverband (UCI) geschickt.

Nach Erhalt des mehr als 1.000-seitigen Berichtes mit deutlichen Anschuldigungen hat der Verband 21 Tage Zeit, sein Urteil über den gefallenen Weltstar zu sprechen. "Die UCI wird sich um eine zeitnahe Antwort bemühen, um die Angelegenheit nicht länger als nötig hinauszuzögern", teilte der Weltverband in einer Aussendung mit. Man werde alle Informationen prüfen, um über die Anerkennung, mögliche Einsprüche und Verjährungen entscheiden zu können.

"Ausgeklügelstes, professionellstes und erfolgreichstes Dopingprogramm"

US Postal, das langjährige Team Armstrongs, habe das "ausgeklügelste, professionellste und erfolgreichste Dopingprogramm betrieben, das der Sport jemals gesehen hat", schrieb die USADA in einer Mitteilung auf ihrer Internetseite. Kurz nach Bekanntwerden ihrer belastenden Aussagen legten Armstrongs ehemalige Mannschaftskollegen George Hincapie und Michael Barry Dopinggeständnisse ab.

Laut USADA enthält die Beweisführung gegen Armstrong beeidete Zeugenaussagen von 26 Personen, davon 15 Radprofis. Unter den elf ehemaligen Teamgefährten Armstrongs befinden sich laut USADA die zurückgetretenen Tyler Hamilton, George Hincapie oder Floyd Landis. Auch sechs noch aktive Fahrer, wie Levi Leipheimer, Christian Vande Velde und David Zabriskie, packten über das Dopingsystem aus, sie seien vorläufig suspendiert worden. Ihre Aussagen könnten ihnen bezüglich eigener Verfehlungen aber Strafmilderung bringen. "Es hat enormen Mut der Fahrer des (US Postal) Teams und anderer erfordert, hervorzutreten und die Wahrheit zu sagen", lobte USADA-Chef Travis Tygart.

"Dopingverschwörung"

Neben der Aussagen seien auch Dokumente als Beweismittel aufgeführt, darunter Aufzeichnungen von Zahlungen, E-Mails, wissenschaftliche Daten und Labortests. Diese sollen den "Gebrauch, Besitz und Verteilung von leistungssteigernden Mitteln durch Lance Armstrong beweisen", schrieb die USADA. "Die Dopingverschwörung war professionell entworfen, um die Athleten unter Druck zu setzen, gefährliche Dopingmittel zu nutzen, (...) und einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu gewinnen."

Der Bericht ging auch an die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und den Triathlon-Dachverband (WTC).  Die USADA stellte mittlerweile wie angekündigt die 200-seitige Urteilsbegründung samt mehrerer hundert Seiten Anhang mit allen Zeugenaussagen, Bankauszügen, Dopingprotokollen und Schriftverkehr online. Armstrongs Anwalt Tim Herman bezeichnete den Bericht indes als "einseitig" und "unbestätigt".

Der UCI-Verbandsvorsitzende Pat McQuaid hatte mehrmals angedeutet, die von der USADA ausgesprochenen Strafen zu akzeptieren. Die Anti-Doping-Agentur hatte Armstrong Ende August lebenslang gesperrt und seine Ergebnisse seit dem 1. August 1998 gestrichen. Sollte die UCI dem zustimmen, würde Armstrong seine Toursiege von 1999 bis 2005 verlieren. Die Rückgabe sämtlicher Gelben Trikots hatte auch die französische Sportministerin Valerie Fourneyron gefordert. Der 41-jährige Armstrong hatte darauf verzichtet, der USADA-Verurteilung zu widersprechen.

Geständnis

1000 Seiten, 26 Zeugen gegen Armstrong

Unterdessen gab Hincapie, Weggefährte Armstrongs bei allen sieben Toursiegen, den Gebrauch von Dopingmitteln während seiner aktiven Zeit zu. "Wegen der Liebe zu meinem Sport, den Beiträgen, die ich geleistet habe und dem was der Sport mir über die Jahre gegeben hat, ist es für mich sehr schwer, heute einzugestehen, dass ich während eines Teils meiner Karriere verbotene Substanzen genommen habe", schrieb er in einer Mitteilung auf seiner Internetseite für die Zeit bis 2006.

Ihm sei schon früh klar geworden, dass man wegen der weitverbreiten Anwendung leistungssteigernder Mittel, nicht ohne diese in der Spitze mithalten könne, beschrieb Hincapie sein Dilemma. Er hatte unter anderem 2005 eine Einzeletappe bei der Frankreich-Rundfahrt gewonnen und seine Laufbahn diesen August beendet. Mit dem Kanadier Michael Barry gestand kurz nach der Bekanntgabe der USADA ein weiterer Belastungszeuge und Teamgefährte Armstrongs Doping.

Auch Christian Vande Velde gab öffentlich Dopingvergehen zu. "Meine Fehler in der Vergangenheit tun mir sehr leid und ich weiß, dass es viel verlangt ist, um Vergebung zu bitten", schrieb der 36-jährige Amerikaner auf seiner Internetseite. "Ich habe nachgegeben und eine Grenze überschritten, eine Entscheidung, die ich tief bereue." Er fahre schon seit lange vor seinem Wechsel zu Slipstream im Jahr 2008 wieder sauber Radrennen, betonte der Profi von Garmin-Sharp.

Sperren

Von den elf ehemaligen Teamgefährten Armstrongs wurden die noch aktiven Levi Leipheimer, Christian Vande Velde, Tom Danielson und David Zabriskie gesperrt. Die genaue Dauer der Sperren für das Quartett blieb zunächst unklar. Sollte allerdings wie in ähnlichen Fällen die Kronzeugenregel greifen, wären die Fahrer nach einem halben Jahr im kommenden Frühling wieder startberechtigt.

Frankie Andreu, Jonathan Vaughters sowie das bereits früher als Doping-Sünder entlarvte Duo Tyler Hamilton und Floyd Landis hatten bereits vor längerem ihre Karriere beendet. Vaughters ist Garmin-Teamchef und in dieser Funktion seit Jahren lautstarker Fürsprecher im Anti-Doping-Kampf.

Wie George Hincapie bedauert auch Michael Barry seinen Fehltritt und beteuerte, seit 2006 sauber gewesen zu sein. "Ich habe gedopt. Es war eine Entscheidung, die ich tief bereue", schrieb der Kanadier, der bis zuletzt für das Team Sky fuhr und ebenfalls heuer zurückgetreten war.

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