Zwischen Volkslied und "Super-Skunk-Rock-Reggae"
Volkslieder wie „Žena j´muža za bucu prodala“ (übersetzt: „Die Frau hat den Mann für einen Kürbis verkauft“) werden im Keller des Burgenländisch-Kroatischen Zentrums in Wien gesungen. Einmal wöchentlich trifft sich hier das Folkloreensemble „Kolo Slavuj“, um Lieder und Tänze aus den verschiedenen kroatischsprachigen Dörfern des Burgenlands zu proben. Die Frauen tanzen kleine, wippende Schritte, während die Männer die Füße in die Luft werfen. „Es sieht vielleicht ein bisschen wie Schuhplatteln aus, doch es ist eine ganz eigene, besondere Art zu tanzen“, sagt die 18-jährige Johanna. Johanna ist ein „Mischling": Ihre Mutter kommt aus dem Waldviertel, ihr Vater ist Burgenlandkroate. Im Burgenländisch–Kroatischen Zentrum erlebt sie eine Gemeinschaft, die sich darum bemüht, das kroatische Erbe - die Tänze, die Lieder, die Sprache - lebendig zu halten.
500 Jahre altes Erbe vom Aussterben bedroht
Johanna und die anderen Mitglieder Kolo Slavujs sind die Nachfahren kroatischer Siedler, die vor fast 500 Jahren im Grenzgebiet zwischen Österreich und Ungarn angesiedelt wurden. Im 16. Jahrhundert lagen aufgrund von Wirtschaftskrisen, Seuchen und den Türkenzügen weite Landstriche des heutigen Burgenlands verlassen dar. Die Bauernhöfe und Dörfer mussten „wiederbelebt“ werden und zu diesem Zweck holten ungarische Großgrundbesitzer kroatische Siedler ins Land. Aus ihnen entstand die Minderheit der Burgenlandkroaten. In den von städtischen Einflüssen abgeschirmten Dörfern entwickelte sich eine ganz eigene Kultur, die sich stark vom dem ihrer Deutsch oder Ungarisch sprechenden Nachbarn unterschied.
Auch zu ihrem kroatischen Muttervolk hatten die Burgenlandkroaten lange keine Bindung. Deshalb ist Kroatisch nicht gleich Kroatisch. „Es gibt viele Unterschiede zum Standard-Kroatischen. Eine andere Schriftsprache, eine andere Sprachmelodie. Denn nach der Umsiedelung ist es in Kroatien zu einer Lautverschiebung gekommen, von der die Burgenlandkroaten unberührt geblieben sind“, erzählt Johanna. Heute ist die burgenlandkroatische Sprache vom Aussterben bedroht. „Viele aus der Generation meiner Großeltern haben bis zu ihrem sechsten Lebensjahr nur Kroatisch gesprochen und erst in der Schule Deutsch gelernt. Jetzt ist es genau umgekehrt- die jungen Burgenlandkroaten sprechen viel besser Deutsch als Kroatisch.“
Obwohl viele Burgenlandkroaten die Sprache kaum oder gar nicht mehr sprechen, erinnern die Familiennamen noch an ihre Herkunft. Der Fußballspieler Andreas Ivanschitz, der Kabarettist Thomas Stipsits und der Politiker Norbert Darabos sind beispielweise burgenländisch-kroatischer Herkunft.
Kroatische Volkslieder, Haydns Sinfonien und „SuperSkunkRockReggae“
Kroatische Volkslieder überleben versteckt in anderen Musikstücken. Der Komponist Joseph Haydn arbeitete häufig burgenlandkroatische Melodien in seine Volkslieder ein. „Die Frau hat den Mann für einen Kürbis verkauft“ kommt etwa im Andante von Haydns Sinfonie Nr. 103 vor.
Die burgenländisch – kroatische Band „Coffeeshock Company“ verbindet ihren ungewöhnlichen Stil - „SuperSkunkRockReggae“ genannt - ebenfalls mit kroatischen Volksliedern. Coffeeshock Company sind mit ihren kroatisch-, deutsch- und italienischsprachigen Liedern schon am Sziget Festival in Budapest, am Flüchtlingsball in Wien und am Donauinselfest aufgetreten. Zu ihren bekanntesten Liedern gehören „Dicke Titten“, “House on Fire“ und eben „Gusla“- ein altes Volkslied der Burgenlandkroaten, in dem es um einen Sänger geht, der sich an nichts mehr erfreuen kann, weil seine Geige („Gusla“ bedeutet Geige) kaputt gegangen ist.
Hrvatski Bal
Eine gute Möglichkeit für Nicht-Kroaten, die Kultur der Burgenlandkroaten kennenzulernen, bietet sich jedes Jahr im Januar. Da findet nämlich der große Ball der Kroaten im Parkhotel Schönbrunn statt. Das Besondere an diesem fast 150 Jahre alten Ball ist die Musik. Letztes Jahr spielte etwa "KroaTarantata", eine junge Musikgruppe aus einem kroatischsprachigendorf in Süditalien- ähnliches findet man auf keinem anderen Ball in Wien.
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