Migrationshintergrund als Chance
Über Selbstbewusstsein, Rechtschreibfehler und Einfühlungsvermögen wurde beim "Karrieretalk", initiiert vom BFI und dem Verein Wirtschaft für Integration, geplaudert. Geladen waren die Vorstandsdirektorin der Österreichischen Lotterien Bettina Glatz-Kremsner und Frank Hensel, Vorstandsdirektor von REWE International. Rund 80 Jugendliche, die sich in überbetrieblichen Lehrausbildungen und Trainings befinden, hörten zu.
Was zwei Top-Manager mit 80 jungen Berufseinsteigern gemeinsam haben? Wie viele der 80 Jugendlichen sind wie Bettina Glatz-Kremsner und Frank Hensel Migranten. Sie hat ihre Jugend in Ungarn verbracht und ist erst als Studentin nach Wien gekommen; er ist Deutscher und gehört somit der größten Einwanderergruppe Österreichs an. Neben Tipps für Bewerbungsgespräche ging es bei dem Karrieretalk vor allem um eine Botschaft: "Betrachte deinen Migrationshintergrund als Chance, nicht als Last."
Kein Spaziergang
Es macht gewiss einen großen Unterschied, ob man – wie Hensel – als Deutschsprachiger nach Österreich kommt, oder bis zum 13. Lebensjahr kein Deutsch spricht und sich auf einmal in Österreich zurechtfinden soll. Aber auch Hensel hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Nachdem er in den Westen ausgewandert war, erlebte der in der DDR geborene gelernte Einzelhandelskaufmann eine völlig andere Welt. Auch Glatz-Kremsners erste Jahre in Österreich waren ihren eigenen Worten zufolge "kein Spaziergang". In Ungarn aufgewachsen, konnte sie zwar Deutsch sprechen, beherrschte aber die Schriftsprache nicht. Die ersten Prüfungen, die sie an der Wirtschaftsuniversität in Wien schrieb, strotzten vor Rechtschreibfehlern.
Möglichst selbstbewusst
Doch es hat auch seine Vorteile, Migrant zu sein. Dank ihrer Ungarisch-Kenntnisse wurde Glatz-Kremsner bald nach dem Studium zur Geschäftsführerin der ungarischen "Lotto Union". Auch Frank Hensel hat seine Herkunft im Job weitergebracht. "Als Einwanderer aus der DDR wusste ich, wie die Leute aus dem Osten funktionieren. Also zum Beispiel, was sie essen und trinken wollen." Dieses Einfühlungsvermögen wurde von seinen Arbeitgebern (Nestlé, Spar und REWE) geschätzt – das machte ihn zu einem wertvollen Mitarbeiter.
Natürlich müsse man sich vor einem Unternehmen – egal, ob Migrant oder nicht – immer entsprechend präsentieren. Bei den beiden Top-Managern ging es darum, die Herkunft als Vorteil für die Firma, nicht als Hindernis darzulegen. Wichtig sei es auch, selbstbewusst zu sein, auch zu wissen, was man nicht wolle und sich selbst treu zu bleiben. Vor allem Mädchen sollen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten haben und nicht den "Mann spielen müssen", so Glatz-Kremsner zu den jungen Frauen im Publikum.
Viele Jugendliche quälen sich außerdem mit der Frage, was sie einmal werden wollen (siehe Coverstory dieser Ausgabe). Hier raten Glatz-Kremsner und Hensel zu mehr Gelassenheit: "Am besten ist es ohnehin, nicht stur auf eine bestimmte Position hinzuarbeiten, sondern die Möglichkeiten, die links und rechts auf einen warten, zu erkennen und zu nützen".
"Aber welches Potenzial muss ein Lehrling haben, um aufzusteigen?", fragt ein junger Mann aus der ersten Reihe. "Er muss sich ständig weiterbilden und zeigen, dass er arbeits- und verantwortungsfreudig ist", sagen Glatz-Kremsner und Hensel unisono. Einig sind sich die beiden auch darüber, dass das Berufsleben internationaler als je zuvor ist – und dass ohne Migranten in Österreich nichts mehr laufen würde.
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