Wie Liebe funktioniert: "So tief gehen, bis es wehtut"
Sie sind ein Paar - und sie sind Paartherapeuten in Wien. Jetzt haben Stefanie Körber und Stefan Pott ein Buch über Ihre Arbeit geschrieben. "Je mehr wir wissen, wie die Liebe funktioniert und vor allem, wie sie ganz sicher nicht funktioniert, umso mehr Liebe wird es in unserem Leben geben", lautet ihr Ansatz.
KURIER: Wie lässt sich Liebe lernen?
Stefanie Körber: Ich denke, dass wir wissen müssen, dass es keine gottgegebene Sache ist; wir müssen wissen, wer wir selbst sind, und das erlebe ich nirgendwo so intensiv wie in einer zwischenmenschlichen Beziehung. Was das eigene Kennenlernen schwierig macht, ist, dass wir uns verlieben und alles so einfach ist, weil wir dann ganz offen sind und sagen wer wir sind und wo wir hin wollen, an der Seite dieses Mannes/dieser Frau. Auf dem Weg gibt es jedoch Hindernisse. Denn man hat uns beigebracht, wie man Schmerzen und Schulden vermeidet, aber was in Herzensangelegenheiten zu tun ist, hat uns keiner beigebracht. Es gibt einfach keine Schule für Gefühle. Liebe ist eine gefühlte Sache, mit dem Verstand kommt man nicht weit und das Wissen sollte sich verbreiten. Es gibt von klein auf etwas zu lernen und zwar, dass man versteht, dass es ein Leben auf der Herzebene gibt, wo die Liebe, der Ärger, die Wut etc. sitzt und im Kopf muss ich das managen.
Stefan Pott: Als Erstes braucht man einmal eine Beziehung. Das Zweite ist, so tief zu gehen, bis es wehtut. Gerade am Anfang musst du scheitern, musst du Glück haben und wieder Pech - und dich tief damit auseinandersetzen. Das Dritte ist, du musst über diesen Schmerzpunkt hinausreden. Du musst kämpfen, tun und machen und dann kommt das Wissen und die Ansicht peu à peu, Jahr für Jahr, Beziehung für Beziehung.
Sie betonen immer wieder die Wichtigkeit des "Herzens". Was möchten Sie damit ausdrücken?
Körber: Dass es einen wertvollen Umgang miteinander gibt und einen liebevollen. Ich beachte jemanden wertvoll und behandel ihn auch so, aber das heißt noch nicht, dass ich liebevoll bin. Das heißt, wir funktionieren gut miteinander. Ich mach dem anderen keine Freude, aber ich komm pünktlich nach Hause, ich bezahle, ich mache Urlaub. Ich deale mit meinem Partner gut, das bedeutet noch nicht, dass Herzqualität hineinspielt. Ohne das geht aber die Liebe nicht. Viele Paare trennen sich, weil ihnen Funktionieren nicht mehr genügt. Jetzt haben wir zwei Kinder und das alles, aber lachen tu' ich nur mit meinen besten Freunden, komm ich nach Hause, fällt in mir alles zusammen.
Pott: Das Herz ist quasi der echte Teil von Ihnen. Alles was Sie sind, minus Illusionen, Show, Angeberei, Angst, Selbstdarstellung etc., dann bleibt ein inneres Wesen übrig, das immer liebevoll behandelt werden will. Das ist so die Hauptarbeit, um die es geht, dass man sich selbst und all die Schutzmechanismen, die man vorher aufgebaut hat, reduzieren muss. Das sind gute Paare eigentlich immer: flexibel, echt, reduziert.
Was verstehen Sie unter "Sex mit Herz"?
Pott: Sex, der diesen Namen verdient, ist sicher herzlicher und emotionaler Sex, und da geht es auch immer um das Weglassen der Schutzschichten.
Körber: Wir sind davon überzeugt, dass Sex mit den Jahren besser wird und nicht was immer gedacht wird, mit den Jahren die Lust oder die Freude aneinander vergeht. Wir glauben, je mehr Herz in die Beziehung kommt, umso liebevoller der Sex, aber auch spannender und näher.
Dürfen Paare Geheimnisse voreinander haben?
Pott: Also wenn ein Geheimnis der Beziehung schadet, dann nehmen Sie dem anderen das weg. Wenn Sie davon träumen, einen Flirt zu haben, dann geht es den Partner etwas an. Alles, was Sie substanziell beschreiben würde, muss er wissen. Geheimnisse haben die Funktion, keine Nähe zuzulassen und wenn ich keine Nähe will, dann will ich auch keine Nähe zu mir selbst. Ich bin mir nicht sicher, ob sie die richtige Frau für mich ist, manchmal geh ich mit der Kollegin flirtend essen, weil in meinem Hinterzimmer kenne ich mich nicht aus. Wenn man das nicht mit der Freundin/Frau bespricht ist es beziehungsschädigend. Dann muss ich wissen, ich bin nicht in einer optimalen Beziehung. Man kann nicht auf der anderen Seite über Hausbauen sprechen und so tun, als wär' alles wunderbar.
Welche Funktion hat das Streiten in einer Beziehung?
Körber: Streiten ist schon wichtig, man muss nur wissen, wie es geht und worum es geht, also wie man es ins Konstruktive bringt.
Wie geht es nicht?
Körber: Wenn es immer wieder am selben Punkt aufhört, ohne dass man bis dorthin durchdringt, was eigentlich hinter dem Streit steckt. Man streitet über Kleinigkeiten und geht nie dorthin, was wirklich gesagt gehört. Nämlich: "Ich hab das Gefühl, du magst mich gar nicht mehr" oder "Ich fühl' mich nicht geliebt". Statt in die notwendige Tiefe zu gehen, hängt man sich an irgendwelchen banalen Inhalten auf. Sie ist es aber, was wir von dem Partner wollen. Wichtig ist, dass man sich sagt: "Wir werden jetzt zwar furchtbar streiten, weil es regt mich so auf, was du da machst oder denkst oder tust, aber wir waren vorher ein Paar und wir werden auch nachher ein Paar sein, kleben wir uns das irgendwo hin".
Welche Herausforderungen hat ein modernes Paar?
Pott: Organisation ist ein großes Thema, weil da heutzutage wirklich viel verlangt wird. Sagen wir, Sie stehen im Beruf, es gibt schon ein Kind oder zwei, dann sind Sie schon einmal finanziell angestrengt und logistisch auch. Was wir oft haben, ist, dass die Männer nach wie vor über die Maßen arbeiten, aber von den Frauen auch wenig mithilfe bei den Finanzen erwarten. Es gibt also eine Opferhaltung, die sagt: "Ich mach die Karriere". Worauf die Frau sich aber nicht beklagen kann, dass er nicht genug für den Haushalt macht. Es muss ein Gleichgewicht der Ungleichgewichte hergestellt werden. Die Illusion, dass das immer 50/50 geteilt werden müsste, funktioniert fast nie, da bleiben die zwei gestresst übrig.
Körber: Ich würde jungen Paaren davon abraten, früh eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen. Solche Fesseln nehmen der Liebe enorm viel Spielraum. Was spricht dagegen, zu sagen: „Du, bis wir 40 sind, verschulden wir uns nicht. Wir nehmen uns Zeit für uns, wir reisen, wir wohnen zwar in einer schönen Wohnung, aber wir werden uns nicht anketten."
Pott: Zentrales Thema ist auch die Überbetonung der Kinder und Unterordnung des Paarlebens. Kinder wollen glückliche Eltern - wenn das Paar funktioniert ist es das Beste, was man für das Kind tun kann. Es ist schlecht, wenn sich ein Paar nur um das Kinderthema dreht. Das Kind darf in keiner Beziehung im Mittelpunkt stehen. Es gehört an das Leben angebunden, was die beiden selber haben und das beginnt mit Dingen wie Zeit für sich alleine, Bücher lesen - und immer das Paar hochhalten und pflegen.
Wie gehe ich in der heutigen Zeit damit um, wenn der Partner ein Jobangebot in Singapur bekommt?
Körber: Es ist wichtig die eigenen Herzenswünsche zu kennen. Zu mir gehört, dass ich Psychologin bin und da kommt in der Beziehung etwas, dass das verhindern würde, dann muss lange darüber gesprochen werden. Ein gutes Paar berücksichtigt die Herzenswünsche eines einzelnen, aber das Gemeinsame hat Priorität. Wenn jemand nach Singapur gehen muss, weil er ein toller Koch sein möchte und nur dort dieses Wahnsinnsangebot hat, dann kann es Kompromisse geben wie dass die Frau drei Jahre mitgeht. Aber sie darf nicht ihre eigenen Ziele aus den Augen verlieren. Nur wenn mein Mann der Unglücklichste ist, wenn er das nicht macht, dann kann ich das nicht wollen. Wir sprechen nicht von ausprobieren, sondern über eine notwendige Entwicklung für die Person. Das sind zwar unter Umständen komplizierte Wege, aber die lohnen sich am Ende alle.
Pott: Wir sind für eine Augenhöhe von Beruf- und Privatleben. Wenn sich Männer zwischen Beziehung und Beruf entscheiden müssen, stellt sich fast immer heraus, das ist überhaupt nicht die Entscheidung. 9,5/10 Männern fragen sich gleich, ob die Partnerin mitkommt und ob ihm das wirklich so wichtig ist. Wenn sie Obama heiraten, dann wissen Sie, der ist Politiker und niemand darf ihm das wegnehmen und wenn sie einen Musiker haben, dann reist der.
Körber: Oder wenn Sie eine Frau sind, und Sie wissen einfach, Sie möchten drei Kinder, dann werden sie sich verdammt schwertun mit einem Mann, der sagt, er will keine Kinder. Da kann ein Mann sich drauf einstellen, da weiß er genau, wenn ich mit dieser Frau leben will, dann leb' ich auch mit Kindern.
Pott: Gerade bei Männern gibt es oft Fata Morganen: Da ist dieser Job in Singapur und den muss ich annehmen, weil das so toll ist, und so viel Geld, und ich seh' mich schon beim Klassentreffen; soweit hat's keiner gebracht. Die Frau merkt, er ist nicht bei sich und statt um den Job geht es ihm um den Status. Im persönlichen Prozess kommt er darauf, das ist alles zu groß für ihn, das will er eigentlich auch gar nicht und sagt: "Danke, dass du mich davon abgehalten hast. Ich war ja so eitel, so verlockt und du hast den richtigen Riecher gehabt. Danke". Dafür kann man sich auch lieben.
Die Definition von Liebe, gibt es die oder haben Sie die für sich gefunden?
Pott: Die Liebe wird nie in den Tiefen entschieden, sondern immer in den Höhen: Dort, wo Sie Ihre glücklichsten Momente haben, da ist die Liebe.
Körber: Sie ist sehr still und hat etwas von großem Verstehen des anderen.
Pott: Die zwei, die sie haben, die wissen's.
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