Seriosität als journalistisches Zukunftsmodell
Mit "Wie die Wirtschaft die Welt bewegt" hat ORF-Innenpolitik-Chef Hans Bürger einmal schon fürs Wissenschaftsbuch und den "Buchliebling" des Jahres gesorgt. Nun folgt vom "Sommergespräche"-Präsentator "Wir werden nie genug haben". Darin fragt der studierte Volkswirt nach den "Grenzen des Kapitalismus nicht nur in der Ökologie oder im sozialen Bereich, was viele tun, sondern auch nach jenen für die Menschen." Es geht u. a. um die Frage, wem Wachstum nützt, wenn die einen zu wenig Geld und die anderen keine Zeit haben, am Wohlstand teilzuhaben.
Doch wann findet er Zeit zum Buchschreiben? Bürger: "Ich kann mich unheimlich gut beim Schreiben entspannen so wie andere beim Laufen. Ich setze mich hin und es schreibt, die Gedanken laufen einfach ab."
Den beruflichen Alltag des für die ROMY Nominierten bestimmen heimische Innen- und EU-Politik, was im ORF eins ist. "Diese Mischung finde ich immer noch extrem spannend", sagt der Linzer, auch wenn er nach 31 Jahren Journalismus nicht mehr jede Aufgeregtheit verspürt. "Das ist nicht fehlender Enthusiasmus. Man sieht aber aufgrund der Erfahrung, die da eins der größten Assets ist, nicht mehr hinter jeder Ecke ein Neuwahl-Gespenst."
Phänomen
Unaufgeregte Interviews haben auch die "Sommergespräche" ausgezeichnet. "Ich habe getan, was ich immer tue: ein Gespräch führen. Ich frage in der Sache hart, aber der Ton bleibt verbindlich." Was den 53-Jährigen erstaunt: "In ,Zeit im Bild‘-Analysen kann man sehr direkt sein, ohne dass es viele Beschimpfungsmails gibt. Bei den ,Sommergesprächen‘ aber wird alles vom Publikum hinterfragt, und man wird angesprochen. Selbst andere Medien sind darauf fokussiert. Die ,Sommergespräche" sind ein Phänomen."
Gefahren
Wie passt das zur ausgerufenen Journalismus-Krise? "So wie es 8,5 Millionen Fußball-Teamchefs, gibt es auch 8,5 Millionen Journalisten, die, was sie glauben wollen, verteilen. Das kann man im Sinne der Meinungsfreiheit begrüßen, birgt aber enorme Gefahren." Bürgers Beispiel: Vor wenigen Monaten ging über soziale Medien die Meldung eines Atomunfalls in der Ukraine. Dann wurde verbreitet, die radioaktive Wolke müsse wegen des Ostwinds Richtung Österreich unterwegs sein. "Zu dem Zeitpunkt konnte das niemand seriös recherchiert haben: Wer, wie, wo, was – all das war offen." Am Ende war es ein mechanischer Fehler. Das zeige: "Man kann über soziale Medien – gewollt oder ungewollt – ohne jeden Grund große Panik erzeugen." Es brauche also Regeln, die das vermeiden.
Wie seriöser Journalismus künftig agieren könnte, zeigt für Bürger die BBC. "Dort wird überlegt, auf Schnelligkeit bei Meldungen zu verzichten, um deren Richtigkeit garantieren zu können."
Natürlich reize es Journalisten, Erster zu sein. Auf Twitter und Co gebe das mehr Follower und Likes. "Die Zukunft ist aber nicht der Schnelligkeitswettbewerb, es ist die Seriosität der Nachricht", meint Bürger.
"Wir werden nie genug haben" Die Buchpräsentation findet am 10. März bei Morawa, Wollzeile 11, 1010 Wien statt. (Eintritt frei, Beginn 19.30 Uhr).
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