Ansichten eines Schauspielweisen

Berlin, 01.04.2013 Armin Mueller-Stahl, Actor. Im Regent Hotel Dieser Termin wurde pauschal abgegolten, die Bilder sind daher bei einer späteren Verwendung HONORARFREI !!!!
Die Platin-ROMY fürs Lebenswerk geht an den großen Schauspieler, Maler, Musikanten Armin Mueller-Stahl.

Berlin Mitte, Hotel "The Regent", fünf Sterne, eine intime Lounge. Man wertschätzt Armin Mueller-Stahl hier als Stammgast, sein Berliner Domizil ist ganz in der Nähe. Er erscheint in bequemem Freizeit-Outfit, verspricht aber lachend, sich bei der ROMY-Gala am 20. April (live auf ORF 2 ab 21.10 Uhr) entsprechend festlich einzukleiden. Im Gespräch wirkt er immer souverän, ja abgeklärt: ein wirklicher Schauspielweiser.

KURIER: Die ROMY ist ein österreichischer Preis. Haben Sie zu unserem Land eine spezielle Beziehung?

Ansichten eines Schauspielweisen
Berlin, 01.04.2013 Rudolf John, Armin Mueller-Stahl, Actor. Im Regent Hotel Dieser Termin wurde pauschal abgegolten, die Bilder sind daher bei einer späteren Verwendung HONORARFREI !!!!
Armin Müller-Stahl:Eine spezielle vielleicht nicht. Aber ich bin mit den Wiener Kollegen großgeworden am Theater, die sind damals von der Skala noch in die DDR gekommen, zum Beispiel Karl Paryla. Und ich erinnere mich an viele Wiener Begegnungen, mit Otto Tausig oder Fritz Muliar, der hat stets viele Witze erzählt.

Haben Sie mit Wienern nicht auch Filme gedreht?
Ich habe ganz früh mit Axel Corti „An uns glaubt Gott nicht mehr“ gemacht, den ich heute noch zu jenen Filmen rechne, die mir besonders am Herzen liegen.

Ansichten eines Schauspielweisen
"Oberst Redl", Alfred Redl, der aus einfachen Verhältnissen stammt, macht in der Donaumonarchie beim Militär Karriere. Schließlich ist er in Wien mächtiger Chef des Geheimdienstes. Das Kaiserreich zerfällt, doch Redl, der das nicht wahrhaben will, kämpft umso verbitterter gegen alle antimonarchistischen Gruppierungen. Doch dann wird er Opfer einer machtpolitischen Intrige des Thronfolgers, seine latente Homosexualität bringt Redl endgültig zu Fall. Regie: Istvan Szabo. DarstellerInnen: Klaus Maria Brandauer (Oberst Redl), Gudrun Landgrebe (Katalin de Kubinyi), Hans-Christian Blech (von Roden), Armin Mueller-Stahl (Thronfolger Franz Ferdinand), Jan Niklas (Christoph de Kubinyi), Karoly Eperjes (Leutnant Schorm) , Laszlo Mensaros (Oberst Ruzitska), Dorottya Udvaros (Clarisse), Andreas Balint (Dr.Sonnenschein), Laszlo Galffy (Velocchio).Im Bild: Armin Mueller-Stahl (Franz Ferdinand). SENDUNG: ORF3 - FR - 01.02.2013 - 20:15 UHR. - Veroeffentlichung fuer Pressezwecke honorarfrei ausschliesslich im Zusammenhang mit oben genannter Sendung oder Veranstaltung des ORF bei Urhebernennung. Foto: ORF/Durnjok Film. Anderweitige Verwendung honorarpflichtig und nur nach schriftlicher Genehmigung der ORF-Fotoredaktion. Copyright: ORF, Wuerzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-13606
Einer ihrer damaligen Filme war „Oberst Redl“...
Ja! Klaus Maria Brandauer wollte damals unbedingt, dass ich mit ihm in seinem tollen, neuen Mercedes nach Wien fahre. Und dann hat er mir Wien bei Nacht gezeigt. Wir waren mit Oskar Werner in der Kneipe, beim Alfred Hrdlicka im Atelier. Wir hatten eine wahnsinnig lustige Zeit.
Als wir um 2 Uhr nachts nach Hause kamen in seine Wohnung… ich war gerade am Einschlafen..., da auf einmal ein Erdbeben unter mir, das Bett bewegte sich! Ich denke, ist das hier alles irre in Wien, wir waren beim verrückten Hrdlicka und dann beim besoffenen Oskar Werner, und jetzt bewegt sich das Bett! Es kam ein riesiger Hund hervor, der guckte mich feindselig an. Ich guckte ihn freundlich an, so gut ich konnte, um ein gutes Verhältnis zu kriegen, aber da war mit der Nacht nicht mehr viel.

Wie steht es mit Wien heute?
Vor Kurzem habe ich einen Auftritt gemacht für den Intendanten Föttinger von der Josefstadt, ein ganz reizender Mann. Ich habe da einen Abend mit meinen Liedern gegeben, die ich vor 50 Jahren schrieb. Und das werde ich wieder tun, allerdings im Herbst und nicht in Wien, sondern in Linz.

"Ich bin kein Ossi, ich bin ein Wossi"

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Berlin, 01.04.2013 Armin Mueller-Stahl, Actor. Im Regent Hotel Dieser Termin wurde pauschal abgegolten, die Bilder sind daher bei einer späteren Verwendung HONORARFREI !!!!
Ihre Karriere hat sie an viele Orte geführt...
Zur Klarheit meiner Biografie: ich bin kein Ossi, ich bin ein Wossi. Ich habe im Westen Musik studiert, bin damals nach Ost-Berlin gegangen, um Theater zu spielen, weil das Theater war besser! Beeinflusst durch Bertolt Brecht. Ich war am Schiffbauerdamm, dann aber ging unser Theater rüber zur Volksbühne und da habe ich 25 Jahre Theater gespielt.

Da waren ebenfalls österreichische Kollegen?
Ja, das war, nebenbei gesagt, immer wichtig, dass die preußischen Schauspieler nach Wien gingen, da wurden sie beweglicher. Und die Wiener Schauspieler, die nach Berlin gingen, die wurden da etwas statuarischer – hier hat man weniger übrig für ...(er fuchtelt mit den Armen, Anm.).
Ja, die Berliner fingen an, sich auch zu bewegen… das ist eine gute Mischung gewesen. Und ich muss ja sagen, das ist wahrscheinlich wegen der Mischung von all den Habsburger Ländern: die Österreicher sind ja die Begabteren.

Sie sind einer der wenigen deutschsprachigen Schauspieler, die in Hollywood reüssiert haben...
Weil ich war nicht verspinnert, verstehen Sie? Ich kam dort nicht als ein Ego-Paket, ich kam auch mit einer gehörigen Portion Respekt in das Land. Man musste ja bescheuert sein, mit 60 Jahren, ohne Englisch, dort Karriere machen zu wollen! Aber ich hatte zwei Oscar-nominierte Filme dort. Dann bekam ich meine erste Rolle. Langsam, step by step, lernte ich Englisch.

Ansichten eines Schauspielweisen
Dann hatte ich auch meinen großen Spaß daran, dass die Leute mich als Profi anerkannten und mir einen gewissen Respekt zollten. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich dort irgendwo ein Ausländer bin, der nur geduldet wird, sondern ich war ein Profi. Nicht eingemeindet, wie die englischsprachigen Schauspieler. Da machen sie schon einen Unterschied. Ich mit meinem big Akzent. Aber schließlich war es sogar so weit, dass die einen Star aus mir machen wollten.

Das wollten aber Sie nicht?
Es waren also einige Türen offen für mich in Amerika, ich habe mich aber entschlossen, mich nicht in irgendwelche Zwangsjacken zu zwängen, also irgendeinem Phantom hinterherzulaufen. Nur, um zu sehen, ob ein kommerzieller Weg mit mir möglich sei oder nicht. Weil da befinden Sie sich im Gefängnis, weil dann müssen Sie darüber nachdenken, was gefällt den Leuten.

Halten Sie sich jetzt nicht doch die meiste Zeit in Deutschland auf, spielen Geige, malen ihre Bilder?
Nun ja, ich habe das Glück, dass der liebe Gott mir offensichtlich ein Talent geschenkt hat, von dem ich nicht wusste, und dem ich irgendwo am Ende meines Lebens nachgehen kann.

Und die Schauspielerei ist Ihnen nicht mehr wichtig?
Dieser Beruf war nie meine Berufung. Den habe ich ausgeübt, weil mein Vater das gerne getan hätte, aber es nicht konnte, weil er draufgegangen ist im Krieg. Auch weil ich damit am schnellsten die Brötchen auf den Tisch bekommen habe. Das ging mit der Malerei nicht, mit der Musik hätte es auch einen langen Weg gebraucht.

Eigentlich wären Sie lieber Musiker geworden?
Die Geige ist sozusagen mein mich nie verlassen habender Freund durch das ganze Leben, bloß ich habe fast 50 Jahre lang nicht mehr richtig geübt. Ich habe für mich gespielt, habe manchmal komponiert darauf. Ich nenne das so: gelegentlich spiele ich mir die Knoten aus der Seele.

"Mit 82 teilen Sie Ihr Leben etwas anders ein"

Ansichten eines Schauspielweisen
Berlin, 01.04.2013 Armin Mueller-Stahl, Actor. Im Regent Hotel Dieser Termin wurde pauschal abgegolten, die Bilder sind daher bei einer späteren Verwendung HONORARFREI !!!!
Gibt es denn überhaupt noch Rollen, die Sie gerne spielen wollten?
Ich würde gerne nach einem Drehbuch spielen, das ich selbst geschrieben habe. Auch unser Sohn, der eigentlich Radiologe ist, aber in den USA Regie und Drehbuch studierte, hat ein schönes Drehbuch geschrieben. Nur die Leute vom Fernsehen meckerten herum. Sie wollen gerne, dass ich die Rolle spiele, aber nicht, dass ich Regie führe. Lauter Hindernisse. Und dann sagte ich, geben Sie mir doch das Buch zurück. Ich male dafür lieber 120 Bilder, da reden mir keine Redakteure dauernd ins Gewissen. Die Dummheit der Redakteure ist gewaltig: gepaart Dummheit mit Macht.

Mit der Schauspielerei ist es also endgültig vorbei?
Ja, wissen Sie, ich habe so viel Theater gespielt, jetzt habe ich noch immer drei Drehbücher auf dem Tisch mit Anfragen, und ich bin nicht mehr… aber ich bin doch 82 Jahre, und da teilen Sie Ihr Leben etwas anders ein. Ich kann heute nicht mehr, wenn ein junger Regisseur kommt und sagt, ich habe ein tolles Drehbuch, würden Sie gerne für einen Appel und ein Ei spielen. Ja, das sind immer dann die Wünsche. Aber das habe ich mit 20 gemacht, das macht man nicht mehr mit 82. Da teile ich meine Zeit besser ein. Ich sage stattdessen, ich weiß, ich habe da eine Ausstellung, dort ’ne Ausstellung. Ich hatte auch schon in Amerika in Palm Springs und Los Angeles große Ausstellungen. Und wenn ich nun auch sogar Geld damit verdiene, ist das ja nicht schlecht.

Was ist für Sie der Unterschied zwischen Malen und Schauspiel?
In der Malerei fliege ich, die Abhängigkeiten sind Null. Wenn einem was nicht gefällt, kann man es immer noch übermalen. In der Schauspielerei können Sie nichts Übermalen. Sie sind abhängig vom Drehbuch, vom Regisseur, vom Kameramann, weiß der Teufel, vom Designer, von der Stimmung am Tage!
Wobei ich allerdings gelernt habe, mit Schauspielern gut umzugehen. Ich merke: Wenn einer langsam redet, muss ich schneller reden. Redet er schnell, kann ich mir Pausen gönnen.
Ich habe gelernt: Wenn einer Cello spielt, muss der andere Geige spielen. Nicht, dass beide das gleiche Instrument benutzen, wie das bei den meisten Schauspielern leider so ist. Wenn der eine witzig ist, will es der andere auch sein. Fehler!

Wer je in diese blauen Augen geblickt hat, vergisst sie nie. Sie sind Armin-Mueller-Stahl-Blau. Umwerfend. Armin Mueller-Stahl gehört zu den erfolgreichsten Filmexporten Deutschlands.

Ansichten eines Schauspielweisen
Mueller-Stahl arbeitete mit Andrzej Wajda, Costa Gavras, Patrice Chéreau, David Cronenberg, Jim Jarmusch. Unvergesslich ist seine Rolle als Thomas Mann in Heinrich Breloers Doku-Drama „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“: Man hatte schon ganz vergessen, wie Thomas Mann tatsächlich aussah, so eindrucksvoll verkörperte ihn Mueller-Stahl.

82 wurde Armin Mueller-Stahl im Dezember, und er blickt auf eine Weltkarriere zurück. Die Karriere war ihm gewisserweise in die Wiege gelegt: Mueller-Stahl wurde als drittes von fünf Kindern eines kunstsinnigen Bankbeamten in Tilsit, Ostpreußen, geboren. Man malte, zeichnete und musizierte gemeinsam. Ursprünglich wollte Mueller-Stahl Geiger werden, studierte am Städtischen Konservatorium in Berlin, wurde 1949 staatlich geprüfter Musiklehrer.

Ansichten eines Schauspielweisen
Als Schauspieler arbeitete er mit Rainer-Werner Fassbinder, Herbert Achternbusch oder Alexander Kluge. Ende der 80er wagte er einen Neubeginn in den USA, wo er rasch Anerkennung fand. Für die Rolle des fordernd-überforderten Vaters des Pianisten David Helfgott in „Shine“ wurde er 1997 für den Oscar nominiert. 2006 kündigte Mueller-Stahl seinen Abschied aus dem Filmgeschäft an. Um doch weiterzudrehen: die Buddenbrooks-Verfilmung und den Cronenberg-Thriller „Tödliche Versprechen“.
(B.M.)

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