Wo das Leben auf Lautlos gestellt ist

Wo das Leben auf Lautlos gestellt ist
Ein KURIER-Redakteur zog sich ein Wochenende lang in das Stift Admont zurück – und lebte dort in einer intensiven Station der Gefühle.
Von Uwe Mauch
Wo das Leben auf Lautlos gestellt ist

Kein Auto heult hier auf. Kein Kind fordert sein Recht. Auch keine Frau weit und breit. Keine Facebook-Freunde. Keine Mail. Kein ZIB-Flash, kein Teletext, vor allem aber kein Handy, das einen malträtiert. Das Leben wirkt hier hinter den dicken Mauern so, als wäre es auf Lautlos gestellt. Es vibriert nicht einmal.

Grüß Gott im Kloster der Benediktiner in Stift Admont! Gastpater Ulrich hat dem Gast aus der fernen Hauptstadt eines von zwanzig Gästezimmern im ersten Stock zugewiesen. Der Mönch erledigt brav seine Aufgabe, wirklich gesprächig ist er nicht. Das Kloster, in dem er sein Zuhause und auch seine Familie gefunden hat, wirkt wie eine von der Außenwelt abgeschottete Festung, bewacht von den spitzen Zinnen der Ennstaler Alpen.

Das Zimmer Nr. 4 im Gästetrakt (sein Namenspatron ist übrigens der Heilige Joseph) ist geräumig, sauber sowieso, und zudem spartanisch eingerichtet. Es erinnert an die 1950er-Jahre. Auf dem Nachtkastl liegt die Bibel, daneben auch ein Büchlein über die Regeln und das Leben des Heiligen Benedikt.

Der Überlieferung nach wurde der gute Benedikt von seinen wohlhabenden Eltern zum Studium der Rechtswissenschaften nach Rom geschickt. Fiat, Ferrari, Vespa waren im 6. Jahrhundert nach Christus noch nicht erfunden. Fußball und die Mafia bekanntlich auch noch nicht.

Dennoch erschien die Stadt am Tiber dem jungen Mann zu schnell, zu schrill und angeblich auch zu unsicher. Er flüchtete in die Berge und zog sich bei Subiaco in eine Höhle zurück. Das Zimmer Nr. 4 ist keine Höhle. Gut, es gibt hier keinen Fernseher und auch kein WLAN, dafür ist die Dusche ganz okay. Und die Berge sind vom Fenster aus in angemessener Entfernung zu bewundern.
„Benedikt“, erklärt der Benediktinermönch Jeremias, „wollte in der Einsiedelei in Subiaco wieder zu sich kommen“. Darin sieht der Spiritual des Geistlichen Zentrums von Admont, der sich auch um die Seelsorge der Gäste kümmert, eine Parallele zur Gegenwart: „Zu sich kommen die Leute heute nur noch, wenn sie in der Intensivstation aus dem Koma erwachen.“

Admont sei auch eine Intensivstation, eine intensive Station der Gefühle. Sagt der ausgebildete Gestalt-Therapeut. Er hat Erfahrung mit Menschen, die unter – wie er es nennt – „komatöser Schnell-Lebigkeit“ leiden, die sich eine Auszeit gönnen möchten, um wieder zu sich zu kommen. Dabei hat auch er viele, sehr viele Termine. Intensive Station? Intensiv ist abends die Stille im Zimmer des Heiligen Joseph. Und da kommen sie auch schon hereinmarschiert: die eigenen Gedanken. Und die Fragen, auf die es keine schnellen Antworten gibt. Und gleich dahinter die Ängste, die sich nicht so leicht aus dem Zimmer verjagen lassen. Die, wie Pater Jeremias am nächsten Morgen Gott sei Dank sagen wird, auch andere hier heimsuchen.

Gedanken im Nebel

Tagwache ist am nächsten Morgen übrigens schon um 5.30 Uhr. Zumindest für jene Gäste im Kloster, die darum bitten, am Chorgebet der Mönche in der Früh teilnehmen zu dürfen. Für Kloster auf Zeit muss man sich Urlaub nehmen. Doch Vorsicht, die Suche nach Gott ist kein flotter All-inklusive-Urlaub. Sie ist am Ende des Tages auch eine Suche nach sich selbst.
 Leicht macht es einem Admont dabei nicht. Bis Mittag drückt hier – in einem Tal der Enns, am Eingang zum Gesäuse – der Nebel aufs Gemüt. Für Menschen, die zu Herbst-Winter-Depressionen neigen, ist das hier vielleicht nicht die allererste Adresse.
Drei dicke Nuss-Palatschinken mit Zwetschkenröster bringen den Wochenend-Mönch nach dem Mittagsgebet schnell auf andere Gedanken. Uah! Und zwingen ihn nach dem Essen zunächst in die Knie bzw. zu einem feinen Nachmittagsschlaf.

„Erwarte das Unerwartete“, heißt ein Leitmotiv in Stift Admont, das inmitten der steirischen Alpen steht und einen Widerspruch in sich birgt: Draußen die gewaltige Bergkulisse, und hier herinnen diese fantastische spätbarocke Bibliothek mit 70.000 historischen Büchern und einem richtig abgefahrenen Museum für moderne Kunst daneben. Das Unerwartete muss jeder für sich selbst finden. An Ablenkung mangelt es jedenfalls nicht. Museum und Bibliothek stehen allen offen.

Und dann ist es auch schon wieder Sonntag, der Tag, an dem die meisten Mönche in ihren Gemeinden draußen sind und ihre Predigten halten. Ein letztes Mal lässt sich der Nebel draußen nur ganz schwer von der Sonne besiegen. Dafür sieht man manches klarer. Der Sonntag bedeutet Abschied von Admont, bedeutet Entlassung aus der Intensivstation. Alle Körperfunktionen arbeiten normal, auch die Gedanken schlagen nicht mehr so wild nach oben und nach unten aus. Draußen in der Welt wartet schon die Eisenbahn, die einen zurück in die Großstadt bringt.

„Integrieren Sie in Ihren Alltag, was Ihnen guttut“, rät Pater Jeremias zum Abschied. Ein guter Plan. In der Theorie. Ganz ehrlich, ich schwöre, gebe es zu: Mit zunehmender Distanz zum Kloster wächst auch der Zweifel, wie gut der Ordensmann unseren Alltag hier draußen überhaupt nachvollziehen kann.

Urlaub im Kloster auf einen Blick

Urlaub im Kloster und auch Klosterleben auf Zeit liegt seit Jahren auch in Österreich im Trend Klösterreich Der Verein „Klösterreich“ fördert die touristischen Aktivitäten der Klöster, Orden und Stifte. Derzeit sind 17 Stifte und Klöster Mitglieder des Vereins, darunter auch zwei aus Ungarn und jeweils eines aus Polen und der Tschechischen Republik.

Breites Spektrum Das Angebot der Klösterreich-Klöster reicht von Aufenthalten, die einfach nur dem Körper und der Seele gut tun sollen, bis hin zum Kreativurlaub.

www.kloesterreich.at 

Spirodom Wer bei der Suche nach Gott weniger spartanisch logieren möchte, dem kommt vielleicht das erst vor wenigen Tagen eröffnete Spirodom in unmittelbarer Nachbarschaft von Stift Admont entgegen. Das moderne Vier-Sterne-Hotel auf Stiftsgrund erinnert an Gott in Frankreich. Es verfügt über insgesamt 67 modern ausgestattete Doppelzimmer, ein Restaurant mit Panoramablick sowie einen großen Wellnessbereich.

www.spirodom.at

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