Ihr Zuhause ist die Welt
Carina Herrmann arbeitet, ohne einen festen Arbeitsplatz zu haben. Sie sitzt mit ihrem Laptop in einem Café am Strand, in einem Gemeinschaftsbüro oder im Zimmer eines Miet-Appartements. Die 34-Jährige ist eine "Digitale Nomadin". Ihre Wohnung hat die gebürtige Wiesbadnerin vor zwei Jahren aufgegeben, um dort zu leben, wo es ihr gerade gefällt. Vergangenes Monat in Valencia, aktuell in Berlin. Alles, was sie besitzt, sind ein Laptop, ein Koffer und Rucksack. "Ich bin Dauerreisende mit einem Online-Business, das klingt einfacher, als es ist", sagt Herrmann. Ihr Geld verdiente sie anfangs als Freelancerin mit dem Schreiben von Artikeln für Unternehmensblogs oder indem sie andere Berichte auf ihrem Blog www.pinkcompass.de empfahl. Mittlerweile ist sie unabhängig und finanziert sich durch eBücher und als Mentorin. Sie coacht Frauen, die wie sie als Selbstständige ortsunabhängig arbeiten, oder motiviert andere, ihre Reisepläne zu verwirklichen. "Ich bekomme viele Mails von Frauen, die ihr Leben ändern wollen, etwa selbstbestimmter reisen, das zeichnet sich auch in der Arbeitswelt ab. Sie haben heute weniger Angst davor, etwas Neues zu wagen."
Carina Herrmann hat es 2011 getan. Die Kinderkrankenschwester wollte sich eine Auszeit nehmen und ist zum ersten Mal aufgebrochen, um alleine zu reisen – vierzehn Monate mit dem Rucksack durch Australien und Südostasien. Das Gefühl, alleine zu sein, war neu: "Die erste Woche war besonders schwierig. Aber die Momente, wo man sich ständig umdrehen will, um jemandem etwas zu zeigen, sind langsam abgeklungen. Ich gewöhnte mich daran, und war überrascht, dass ich die Einsamkeit sogar genießen konnte." Zurück in Deutschland, kehrte sie nicht mehr in ihren Pflegeberuf zurück, sondern arbeitete im Büro. Bald kamen Zweifel. "Es war nicht mehr das Richtige für mich. Das Fernweh war zum dauerhaften Begleiter geworden. Ich sehnte mich nach dem, was da draußen noch auf mich wartete."
Ballast loswerden
Sie kündigte ihren Job und versuchte Ballast loszuwerden, etwa, indem sie ihre Wohnung aufgab, Besitz und Kleidung auf Flohmärkten und im Internet verschenkte oder verkaufte. "Die größte Hemmschwelle war aber, die Entscheidung zu treffen, wirklich loszuziehen." Angst vor der Einsamkeit oder möglichen Gefahren sind weitere Argumente, die Carina Herrmann oft von Frauen hört. Allerdings, sagt die Dauerreisende, ergeben sich oft Gelegenheiten, andere kennenzulernen, etwa in einem Hostel, und mit ihnen einige Zeit herumzufahren. Mit Vorsicht und Respekt vor anderen Kulturen werden unangenehme Situationen vermieden. "Klar, man wird als Frau in manchen Ländern anders angesehen, umso wichtiger ist es, sich vorher zu informieren und sich gegebenenfalls anzupassen."
Dennoch, neben aller Vorsicht, hat sie während ihrer Reisen auch gelernt, Menschen zu vertrauen und offener zu werden: In Australien lernten sie und zwei Mitreisende einen Ranger kennen, der ihnen Unterkunft und Tour durch den Nationalpark anbot. "Ich bin eher zurückhaltend und konnte mir nicht vorstellen, dass er das, ohne Erwartungen zu haben, tut." Doch es kam anders: "Wir wohnten drei Tage bei ihm und er zeigte uns alles – weil er sein Land liebt und stolz darauf ist." Wo und wann die Bloggerin also demnächst ihren Laptop aufklappt, weiß sie noch nicht. "Am Ende des Monats setzt das Kribbeln meistens wieder ein, dann wird es Zeit, weiterzuziehen."
Sie trug Männerkleidung, reiste alleine durch die Sahara und das Atlasgebirge, betrat Bordelle und Bars: Isabelle Eberhardt (1877–1904), geboren in Genf, trotzte allen gesellschaftlichen Hindernissen ihrer Zeit. Schon als Zwölfjährige interessierte sie sich für den Islam, konnte den Koran auf Arabisch lesen. Einer öffentlichen Schule blieb sie fern und wurde zu Hause unterrichtet. Als 20-Jährige zog sie mit ihrer Mutter nach Algerien und trat zum Islam über. Um sich freier bewegen zu können, gab sie sich als Mann aus. Bekannt wurde Eberhardt durch ihre Reiseberichte, die in algerischen Kolonialzeitschriften und französischen Magazinen erschienen.
Eine ebenso bekannte Reiseschriftstellerin war Alexandra David-Néel (1868– 1969). Mit 17 Jahren riss sie von zu Hause aus, fuhr in die Schweiz und wanderte über den Sankt-Gotthard-Pass. Kurze Zeit später begann sie sich für asiatische Sprachen zu interessieren und studierte diese. Als sie mit 23 Jahren Geld erbte, beschloss sie, nach Indien und Ceylon zu reisen. Auch später zog es sie wieder nach Asien – sie reiste teils 14 Jahre alleine, ihr Mann blieb in Frankreich. Sie lebte als Einsiedlerin, ordinierte als buddhistische Nonne in Tibet und war vermutlich die erste Europäerin, die in die verbotene Stadt Lhasa reiste. Damit sie nicht als Ausländerin erkannt wurde, musste sie ihr Gesicht mit Schmutz und Ruß tarnen.
Welch Wissen durch reisenden Frauen gesammelt wurde, beweist die Geschichte von Mary Wortley Montagu (1689–1762). Sie begleitete ihren Mann – obwohl es unüblich war – nach Istanbul, als dieser Botschafter am Osmanischen Hof wurde. Montagu saugte alle Eindrücke auf und schrieb viele Briefe. Als sie in der Türkei eine Pockenimpfung miterlebte, versuchte sie in England Ärzte davon zu überzeugen – anfangs ohne Erfolg. König George I. ließ dann auf ihr Bestreben hin Tests durchführen. 1769 entwickelte Edward Jenner die Pockenschutzimpfung.
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