Trauerreisen: Wieder neugierig aufs Leben werden

Trauerreisen: Wieder neugierig aufs Leben werden
Nach einem schweren Verlust ist es nicht einfach, in den Alltag zurückzufinden. Doch immer mehr Angebote helfen dabei, in ein neues Leben aufzubrechen. Ein aktueller Trend sind dabei begleitete Trauerreisen in der Gruppe.

Reisen, um einen Todesfall zu verarbeiten - das erschien Hanne-Lore Wozny auf den ersten Blick seltsam. 2009 hatte die 67-Jährige aus Köln ihren Mann nach 44 Ehejahren verloren. "Mein Selbstwert war sehr angekratzt", erzählt sie. "Es gab immer nur ein 'Wir', und plötzlich war ein 'Ich' daraus geworden. Ich habe es auch fast nicht verkraftet, dass aller Einsatz gegen die Krebserkrankung meines Mannes nichts gebracht hat."

Zufällig fiel ihr das Programm einer besonderen Reise in die Hände, die der Reiseveranstalter TUI 2009 erstmals anbot. Frau Wozny gab sich trotz Skepsis einen Ruck: "Ich habe mich ganz spontan zu dieser Trauerreise nach Madeira angemeldet. Ich wollte alles probieren, was mir helfen könnte."

Ein- bis zweiwöchige, von ausgebildeten Trauerbegleitern unterstützte Gruppenreisen mit Trauernden nehmen - ausgehend von Deutschland - zu. "Das Produkt ist sehr erfolgreich", sagt Josef Peterleithner, Unternehmenssprecher von TUI Österreich. In der deutschen Zentrale wurden mit der privaten Trauer-Akademie Pütz-Roth in Bergisch Gladbach derartige Spezialreisen erarbeitet. "Die Öffentlichkeit ist immer mehr bereit, neue Wege zu gehen", betont Trauerbegleiterin Hannelore Gerhards.

Das merkt man auch beim Bayrischen Pilgerbüro, das seit Jahren im deutschsprachigen Raum spirituelle Reisen anbietet: Das alte Pilgermotiv des Aufbrechens passe gut zur modernen Idee der Trauerreisen. "Auf dem Weg zu neuer Zuversicht" heißt das Motto. Nicht nur bei einem Todesfall. Zuversicht kann man auch in anderen Lebenslagen brauchen. "Es gibt viele Situationen, wo man Abschied nehmen muss - etwa von einem Lebensziel oder vom Ex-Partner bei einer Scheidung", sagt Angela Bürvenich vom Pilgerbüro.

Wer jedoch Amüsement sucht, wird aber auf so einer Reise nicht glücklich werden. "Das Ziel ist, den Trauerschmerz wirklich zu begleiten. Nicht, einsame Herzen zu verkuppeln. Der Aspekt der Gleichgesinnten, die Ähnliches erlebt haben, ist wesentlich", meint Gerhards. Auch trauen sich viele Neo-Singles noch nicht zu, alleine zu reisen. "In dieser
Reisegruppe fühlen sie sich aufgehoben. Die meisten wissen auch, wie es sich anfühlt, wenn man plötzlich in Tränen ausbricht." Hanne-Lore Wozny ergänzt: "Wir haben die Trauer gemeinsam ausgehalten. Man brauchte sich nicht zu erklären." Dass zwei ausgebildete Trauerbegleiter mitfuhren, empfand sie angenehm. "Es war sofort jemand da, wenn es zu einer schwierigen Situation kam."

Lachen

Grau und trüb war die Trauerreise dennoch nicht, im Gegenteil. "Wir haben gemeinsam viel gelacht und gesungen - einfach wieder Neugier und Lust aufs Leben bekommen. Es begann, wieder ein bisschen bunter zu werden." Einige Kontakte blieben sogar aufrecht.

Mittlerweile reist Hanne-Lore Wozny aber auch alleine - oder mit einem ebenfalls verwitweten Reisepartner. "Mein Leben ist zwar ganz anders als früher. Aber es ist trotzdem wieder schön." Auch wenn eine "gewisse Traurigkeit" immer da sein wird. Die Reise sieht sie als "eine Initialzündung zur Weiterentwicklung. Ich habe gelernt: Trauern ist ein Prozess, den man geduldig aushalten muss. Ich kann heute noch auf diese Reise zurückgreifen."

Anders trauern

Trauerreisen: Wieder neugierig aufs Leben werden

Virtuelle Kerzen entzünden

In Zeiten des Internets ist auch ein virtueller Friedhof keine Utopie. Unter www.begraebnis.at/begraebnis/friedhof kann man kostenlos eine Gedenkstätte für liebe Verstorbene anlegen - samt eigenem Trauerspruch. Das virtuelle Grab sollte mindestens ein Mal im Monat besucht werden, sonst wird der Eintrag gelöscht. Gegen einen kleinen Geldbetrag kann man auch Grabkerzen anzünden.

Virtuelle Kerzen und Trauerunterstützung bietet das Trauerportal Aspetos unter www.aspetos.at . Die Kerzen können an einer selbst gestalteten "Trauerwand" entzündet werden (Jahreskerzen je 9 €).

Im Kommen sind auch Rituale, die früher besonders in ländlichen Gegenden allgemein üblich waren - etwa beim Waschen und Ankleiden des Toten mitzuhelfen. Heute geht es dabei meist um einen persönlich gestalteten Abschied. Bestatter-Innungsmeister Eduard Schreiner: "Wir versuchen, solche Wünsche zu erfüllen." Unter www.bestatter.at können auch Partezettel veröffentlicht werden.

Service

Trauerreisen: Wieder neugierig aufs Leben werden

Reiseanbieter von Trauerreisen:
- "Reise ins Leben" bei TUI nach Madeira (Flug ab München oder Frankfurt/M., 7 Nächtigungen im 4*-Hotel, HP, Trauerbegleitung) ab 1690 € pro Person. Nähere Infos:
Tel.: 050 / 884-500; www.tui.at

- "Auf dem Weg zu neuer Zuversicht" beim Bayrischen Pilgerbüro. Vier- bis sechstägige Reisen (Bus, 3*-Hotel, HP), darunter zu einem Kloster am Bodensee, in die Ammergauer Alpen oder nach Spanien. Kosten: ab 475 € pro Person, Info: Tel.: 0049 / 89 / 545 811-0; www.pilgerreisen.de

- Reisen nach Ostfriesland, Südschweden oder an die Algarve veranstaltet die Deutsche Martina Taruttis seit Jahren mit ihren "Trau Dich Reisen". Die Kosten liegen zwischen 350 und 1050 €. Info: Tel.: 0049 / 2163 / 82245 ; www.traudichreisen.de

- Bücher können auf dem Weg aus der Trauer ebenso unterstützen:
Fritz Roth, Das letzte Hemd ist bunt, Campus Verlag, 20,60 € (Bild) .

Gabriel de Saint Victor, Der gezähmte Tod. Wie Sterbende Hoffnung schenken, Sankt Ulrich Verlag, 17,40 €.

Anna Maria Rumitz, Ohne dich leben. Geschichten vom Trauern und Abschiednehmen. Sankt Ulrich Verlag, 17,50 €.

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