Rom: Und immer lockt die Stadt am Tiber
Ich bin 14 Jahre alt, sitze auf einer Vespa, fahre durch Rom und habe keine Ahnung, wo ich mich genau befinde.
Das ist meine erste Erinnerung an Rom. 1982 war das. Eine Schülerreise in den Semesterferien. (Im Zug, dem "Romulus", spielte mir ein Freund die Kassettenaufnahme eines neuen Liedes vor und sagte: das wird ein Riesenhit. Ich war mäßig beeindruckt. Das Lied hieß "Der Kommissar").
Es war das erste Mal, dass ich ohne Eltern verreiste. Diese Woche war für mich wie ein vorweggenommenes Erwachsenwerden, voller erster Male: Zum ersten Mal Wein trinken, zum ersten Mal eine Zigarette rauchen, zum ersten Mal erst bei Sonnenaufgang schlafen gehen, zum ersten Mal Moped fahren, zum ersten Mal Kaffee trinken. (Das mit dem Kaffee habe ich wieder aufgegeben, das andere nicht). Es fühlte sich an wie Erwachen. Frühling des Lebens!
Dreifache Hauptstadt
Und Rom war der perfekte Ort dafür. Diese einerseits so lebensfrohe, andererseits so mysteriöse, mystische Stadt. Rom ist ja eine dreifache Hauptstadt: Die Metropole des modernen Staates Italien, das Zentrum einer Weltreligion und die Hauptstadt eines Geisterreiches, der antiken römischen Weltmacht.
Immer wieder sieht man in Rom die Reste antiker Bauten, auf denen mittelalterliche Hausteile sitzen, auf die man wiederum moderne Wohnungen draufgebaut hat. Ein Anblick, an den zumindest ich mich nicht gewöhnen kann, ich finde ihn faszinierend und unheimlich gleichzeitig. So, als würden in diesen Häusern die Menschen von heute gemeinsam mit den Geistern von mehr als 2000 Jahren leben.
Damals, vor 35 Jahren, erging ich mir Rom buchstäblich (die Vespas konnten wir uns nur für einen Nachmittag leisten), und so mache ich es heute noch, in Rom und auch in anderen Städten. Ich gehe einfach los. Rom ist dafür ideal, das alte Zentrum der Stadt – der Bereich zwischen den berühmten sieben Hügeln – ist nicht zu groß.
Das Spannende daran: Man weiß nicht, was man zu sehen bekommt, aber es wird auf jeden Fall etwas Interessantes sein. Hinter jeder Ecke könnte ein altrömischer Triumphbogen warten oder eine Kirche mit wertvollen Kunstschätzen und einer abenteuerlichen Geschichte oder ein merkwürdiges altes Restaurant oder ein kleiner, seltsamer Laden.
Verirren!
Es geht dabei um die paradoxe Übung, sich gezielt zu verirren. Die Stadt den Weg vorschlagen zu lassen. Sich bewusst zu verlieren, um sich dann an einem besonderen Ort wieder zu finden. Oder zu einer besonderen Zeit – in Rom kann man durch die Zeit gehen. Das ging natürlich bei meinem ersten Rombesuch leichter als heute, da ich die Stadt fast auswendig kenne.
Ich erinnere mich noch an das atemberaubende Gefühl, als ich mich, aus der Gegend der Via Ottaviano kommend, auf den Petersplatz verirrte – die schiere Größe war überwältigend (von Inszenierung verstand die Kirche immer viel). Oder als ich vom Aventin direkt auf den Circus Maximus stolperte (er ist ja nicht mehr wirklich da, aber allein die Leere, die er zurückgelassen hat, ist gewaltig).
Trastevere kann man gut mit einer Wanderung kombinieren: Vom Vatikan über den Giancolo nach Trastevere hinuntersteigen (toller Ausblick), dann bei der Porta Portese den Tiber überqueren und durch uneitle alte Wohnviertel zum Monte Testaccio gehen: Der achte Hügel Roms besteht aus antikem – Müll. Auch so zeigt eine Großmacht ihre Größe: Indem das, was sie wegzuschmeißen beliebt, so groß wird wie ein Berg. Wenn man dann noch Kraft hat, geht man über den Aventin runter zum Circus Maximus oder sogar entlang der Aurelianischen Mauer bis raus zum Lateran.
Mit Leben aufladen
Die beste Zeit, nach Rom zu reisen, ist der Frühling (wobei der in Rom einige Wochen früher dran ist), denn im Sommer ist die Stadt viel zu heiß und im Winter eher nasskalt. Ich versuche, möglichst jedes Jahr hinzufahren (leider gelingt mir das nicht).
Rom ist für mich die Möglichkeit, mich mit Leben aufzuladen, mit italienischer Leichtigkeit, und vor allem mit Gerüchen: Blüten, Speisen, Gewürze, Weihrauch, der Schlamm des Tiber … allein schon der Besuch in einem kleinen italienischen Lebensmittel-Laden oder einem kleinen Kaffeehaus ist eine Geruchsreise.
Info
– Mit der Bahnwww.oebb.at
Wohnen Rom hat prachtvolle Hotels, etwa im Diplomatenviertel unterhalb der Villa Borghese, aber auch sehr nette kleine Pensionen. Man kann aber auch via Airbnb Privatwohnungen mieten, etwa in alten römischen Zinshäusern oder über den Dächern der Subura.
Essen Riskieren Sie etwas und gehen Sie auf gut Glück in Lokale, interessant wird es auf jeden Fall. Am besten isst man in oft unscheinbaren Restaurants mit traditioneller römischer Küche (viel Fleisch, viel Fett, viel Geschmack!).
– Die Subura Liegt zwischen Forum, Kolosseum und Santa Maria Maggiore. Zu antiker Zeit ein berüchtigtes Viertel, ist es heute der Spittelberg von Rom: Viele junge Leute, tolle wie schräge Lokale und Geschäfte, viel Musik.
– Jüdisches Viertel Gegenüber der Tiberinsel. Großartige Lokale und Geschäfte und eine Wiener Bäckerei, die Apfelstrudel herstellt.
– Katzenasyl Beim Teatro Argentina, unweit der Stelle, wo Cäsar ermordet wurde, befindet sich ein Asyl für versehrte Straßenkatzen. Die Betreiber freuen sich über einen Besuch und eine kleine Spende, und es gibt herrliche Fotomotive von Katzen auf altrömischen Ruinen.
– Petersdom Unbedingt auf die Kuppel raufgehen. Das ist anstrengend, aber die Ausblicke sind grandios.
– Vatikanische Museen Egal, wie oft man sie besucht, man entdeckt immer wieder Neues.
– Aventin Für mich der schönste der sieben Hügel (der Hügel des Remus und der Plebejer). Alte Villen und Botschaftsgebäude, riesige Bäume, überall Bougainvillea-Blüten, und die alten Kirchen Santa Sabina und Santi Bonifacio e Alessio mit Blick auf den Petersdom.
– Kleine Kirchen Rom hat Tausende Kirchen, und selbst die kleinste von ihnen ist sehenswert. Denn ständig entdeckt man dabei Gräber von Päpsten und Kunstwerke von Bernini, Bramante oder Raffael.
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