Aug’ in Aug’ mit dem König der Tiere

Geo Reisen
Ostafrikanisches Abenteuer in wilder, unberührter Natur – mit Logis in Luxus-Lodges.

Es gibt hier eine Regel: Ihr hört nur auf mich. Das Kommando, das ihr am ehesten hören werdet, ist, dass ihr euch sofort auf den Boden werfen sollt. Nur dann habe ich freies Sicht- und Schussfeld. Ihr hört nur auf mein Kommando.“ Richards Blick geht von einem Teilnehmer zum nächsten. Sie nicken. Er schultert das Gewehr, dreht sich um und geht, hinein in die weite afrikanische Steppe. Wir tauschen unsichere Blicke aus. Und folgen.

Aug’ in Aug’ mit dem König der Tiere
Kenia
Kenia ist das Parade-Land für Safarifans: Nilpferde im Vorgarten, Giraffen auf den Straßen, Pflanzen mit Stacheln, groß wie Zahnstocher, und Fächerpalmen, die vom Boden weg Blätter tragen. Richard Corcoran ist unsere Lebensversicherung in der Wildnis. Er wurde in Kenia geboren. Er kennt die Pflanzen, die Tiere, die Steppe ist seine Heimat. Ein fleischgewordener Indiana Jones, ein Alleskönner. Wir treffen ihn zum ersten Mal in unserem Hotel in Nairobi, einige Tage vor dem Spaziergang durch die Steppe.

Flamingos und Freunde

Drei Stunden dauert die Fahrt von Nairobi zum Nakurusee. Die A109 ist die Hauptverkehrsader der Landes.

Aug’ in Aug’ mit dem König der Tiere
Andrea Hlinka
Kleine Dörfer mit bunten Häusern zieren den Straßenrand. Es sind Cafés und Geschäfte und Hotels mit Zimmern, die stündlich zu mieten sind – in denen sich Fernfahrer ausruhen. Auf der rechten Seite erscheint eine kleine weiße Kirche. Richard hat in dieser Kirche geheiratet. Sein Trauzeuge ist unser Fahrer: Muli. Die beiden kennen einander seit der Kindheit. Als Richard Rallyes gefahren ist, war Muli sein Techniker. Hat Richard in einer Firma gearbeitet, hatte auch Muli dort einen Job, vom Trinkgeld der Touristen zahlten sie zu Beginn ihres Unternehmens den Tank für den nächsten Ausflug.

In den darauffolgenden Jahrzehnten hat Richard mit Partnern eine Firma aufgebaut, mit Luxus-Lodges im Portfolio.

Der Nakurusee beheimatet eine Million Flamingos, liest man. In manchen Monaten soll der See zwischen all dem Rosa kaum zu erkennen sein. „Jetzt, im Jänner, ist der Wasserstand zu hoch. Es sind nur wenige hier“, erklärt Richard. Mit der Hand zeigt er auf einen rosa Streifen draußen am See.

Die Straße ist überschwemmt, Safari-Autos ziehen neue Spuren. „Eine Giraffe links.“ Die Gruppe schreckt hoch und übersieht vor Euphorie fast die andere Giraffe, die am Straßenrand steht. Sie frisst von einem Strauch, der Stacheln hat, spitz und lang. Die ersten Tiere in der freien Natur werden penibel gemustert – eine ganz neue Welt, ganz ohne Gitterstäbe.

Große Männer & Geparde

Die Zebras sehen der DHC-6 Twin Otter bei der Landung auf dem staubigen Naishi Air Strip zu. Der Flug in die Masai Mara ist ein wenig turbulent, er dauert zur Erleichterung einiger Passagiere nicht länger als 40 Minuten. Passagiere steigen aus, wir starten erneut, zehn Minuten später wiederholt sich die Szene. Einen weiteren Start und fünf Minuten später sind wir am Ziel angekommen. Wie Busfahren.

Die Masai Mara ist Kenias berühmtester Nationalpark, bekannt für den Reichtum an Wildtieren. Benannt nach den hier lebenden auffallend großen Massai und dem Fluss Mara.

Aug’ in Aug’ mit dem König der Tiere
Lodge Alex Walker's
Direkt am Mara liegt Alex Walker’s Serian Bush Camp. Richard und sein Geschäftspartner Alex sind vier Tage den Fluss entlanggewandert, bis sie diesen Platz am Ufer gefunden haben. In acht Monaten war das Camp gebaut.

Es liegt frei, ist nicht eingezäunt. Die Luxus-Zelte sind soweit voneinander gebaut, dass der Nachbar außer Sichtweite ist – eine höchst exklusive Einsamkeit. So nah am Fluss gebaut, dass von der Badewanne aus Flusspferde beobachtet werden können. Acht Zelte liegen auf der einen Flussseite, Krieger führen über die Hängebrücke zu den anderen vier auf der gegenüberliegenden Seite.

Die Krieger sind immer hier, in allen Lodges, auch wenn man sie nicht sieht. Sie sind immer wach, auch wenn wir schlafen. Mit Speeren bewaffnet, beobachten sie das Camp bei Tag und Nacht. Mit der Taschenlampe in den Himmel leuchtend kann der Gast sie rufen. In die Dunkelheit dürfen Gäste nur von einem Krieger begleitet.

Zu Fuß wirkt die Masai Mara größer, bedrohlicher als vom Auto aus. Wir gehen – eingeschüchtert von der eindringlichen Ansprache zu Beginn der Walking Safari – immer hinter Richard.

Aug’ in Aug’ mit dem König der Tiere
kenia
Er trägt das Gewehr auf den Schultern, denn er hat mehr als 150 Meter Sicht. Unter 150 Metern trägt er es in der Hand, unter 50 Metern ist das Gewehr geladen. Bajila, einer der besten Spurenleser der Gegend, trägt die goldenen Patronen dafür in seinen Gürtelschlaufen. Bajila sieht Geparden, wo nur Gras ist, und erkennt anhand der Exkremente, wie alt ein Elefant ist.

Auch ein Massai begleitet uns: William. Er trägt das traditionelle Gewand der Massai, seines ist rot kariert. Er trägt nie feste Schuhe, nur Ledersandalen. William liebt es zu laufen, bis in die Stadt läuft man drei Tage, erklärt er.

Richard lädt die Waffe.

Nichts zu sehen. Wir gehen weiter. Eineinhalb Stunden später kommen wir im Camp an.

Aug’ in Aug’ mit dem König der Tiere
Kenia
Wir haben an diesem Tag faule Löwen und müde Geparden gesehen. Eine Gruppe Elefanten, dessen ältestes Mitglied das 70. Lebensjahr längst überschritten hat. Vier junge Elefanten passten auf ihn auf. Wir haben an diesem Tag Giraffen, Warzenschweine, Vögel mit schillernd blauem Federkleid, Hyänen, Schlangen, Schakale und Dik-Diks, kleine Gazellen, gesehen. „Es ist eine der wenigen Tierarten, die monogam sind. Wenn ein Partner stirbt, stirbt auch der andere innerhalb weniger Tage. An gebrochenem Herzen“, erzählte Richard.

Schutz für Elefanten

Ein Kleinflugzeug bringt uns von der Masai Mara in den Tsavo National Park. Auf der Erde unter uns sehen wir die Massai-Dörfer: In der Mitte ist die Tierweide, im Ring herum lebt ein Massai, oft mit mehreren Frauen.

Auf der rechten Seite erscheint der Kilimandscharo, der höchste Berg Afrikas. Die Piloten kennen die Landebahn in Tsavo nicht, Richard war etliche Male hier, also gibt er ihnen Infos zur Beschaffenheit der Piste. Er hat keinen Pilotenschein, kann jedoch fliegen. Am Boden winkt uns Muli. Er ist vom Nakurusee mit dem Auto gefahren. Er begrüßt uns: „Jambo.“

Aug’ in Aug’ mit dem König der Tiere
Vor wenigen Wochen hat im Tsavo West National Park das Kipalo Camp eröffnet. Ein Luxus-Camp, eines, das sich der Nachhaltigkeit verpflichtet hat. 700 Elefanten leben im Nationalpark, sie sollen geschützt werden. Das Land, auf dem das Camp erbaut wurde, gehört der Gemeinde. Projektleiterin Tamsin hat mit 200 Männern über das Land verhandelt. Man hat es vorerst für 45 Jahre gepachtet, pro Jahr bekommt die Gemeinde 30.000 €. Zudem ist die Gemeinde am Gewinn beteiligt. Tamsin ist Richards Schwester, sie trägt Federn in den Haaren und erzählt von Kindern und Schulbüchern. Und von 800 Tierfallen, die auf dem Territorium gefunden wurden. Nach und nach wächst in der Bevölkerung das Bewusstsein, dass die Natur ein wertvolles Gut ist.

In der Nacht tropft es auf das Zeltdach, es regnet jedoch nicht. Es sind Samen eines Baumes. Irgendetwas brüllt und grunzt vorm Zelt. Ein Krieger mit Pfeil und Bogen und Steinschleuder erzählt am Morgen, dass Paviane manchmal den jagenden Leoparden ein Junges opfern, um sich zu schützen.

Hakuna Matata

Aug’ in Aug’ mit dem König der Tiere
Lodge 2
Der Weg durch den Nationalpark in eines der wenigen Feuchtgebiete des Landes, ins Tana Delta, dauert einige Stunden. Auf der Straße stehende Giraffen flüchten. Wegen der langen Beine und der langen Übertragungszeit der Bewegung auf den Hals wirken laufende Giraffen wie in Zeitlupe.

Ein Boot bringt uns in die Delta Dunes Lodge. Diese Luxus-Lodge mit Robinson Crusoe-Feeling liegt zwischen dem Indischen Ozean und dem Fluss Tana. Es ist längst dunkel.

Am Steg warten Mitarbeiter. Sie singen. Das Lied endet mit Hakuna Matata, übersetzt: „Kein Problem“.

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