Oberösterreich: Druiden-Turnen im Kneipp-Kurheim

Oberösterreich: Druiden-Turnen im Kneipp-Kurheim
Die Marienschwestern von Bad Kreuzen haben ihr Kurhaus zum „1. Zentrum für Traditionelle Europäische Medizin“ umgemodelt. Auf dem Programm: Heidnische Gymnastik, „heilsames Singen“, Räuchern oder Augen- und Zungenbeschau.

Die ehrwürdigen Marienschwestern von Bad Kreuzen sind über ihren Schatten gesprungen: Seit wenigen Tagen heißt ihr Heilkunst-Refugium in der schönen Hügellandschaft des Mühlviertels nicht mehr "Kneipp Traditionshaus", sondern "1. Zentrum für Traditionelle Europäische Medizin (TEM)". Geworben wird mit so seltsamen Therapie-Angeboten wie "Druiden-Gymnastik" und "heilsames Singen". Der KURIER hat nachgeschaut, was sich hinter dem neuen Etikett verbirgt.

Mein erster Eindruck ist zunächst einmal ernüchternd: Ein Schild "Zum Kurheim" ist in Bad Kreuzen der einzige Hinweis, dass es hier ein Gesundheitszentrum gibt. Von wegen "TEM"-Zentrum.

Das Haus der Marienschwestern ist eine Bausünde aus den 1970er-Jahren mit hauptsächlich Beton, und mein erster Rundgang bestätigt Vorurteile: Kruzifixe an den Wänden und antiquierte Aufschriften wie "Speisesaal" wirken zunächst einmal recht verstaubt, auch die Zimmer haben Krankenkassen-Kurheim-Charme.

Dass sich das Haus im Wandel befindet, merkt man erst, wenn man sich mit den Menschen und den Therapie-Angeboten auseinander setzt.

"Hände verschränken, Daumen an Daumen, Augen schließen, einatmen, ausatmen, Schritt zur Seite. Hände zur Seite." Trainerin Friederike versetzt mich mit ihren Turn­übungen der Druiden in Asterix-Feeling. "Wyda" heißt diese Trainingsart. "Sie wirkt sich positiv auf die Körperenergie aus", sagt Friederike. Was Wyda bedeutet, weiß sie allerdings nicht.

Oberösterreich: Druiden-Turnen im Kneipp-Kurheim

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Birkensaft als Zaubertrank

Oberösterreich: Druiden-Turnen im Kneipp-Kurheim

Als "Zaubertrank" habe ich zuvor Birkensaft genossen – schmeckt wie abgestandenes Wasser und soll entschlackend wirken. "Die Schwester Oberin hat davon ganz viele Pickel bekommen", erzählte mir der Betriebsleiter Friedrich Kaindlstorfer, "ein Zeichen, dass Birkensaft wirkt". Pickel sind mir erspart geblieben, die Wyda-Übungen haben mich zur Ruhe gebracht.

Dasselbe gilt für das "heilsame Singen". Vorsängerin Marion empfängt mich mit zehn mutigen, überwiegend weiblichen Teilnehmern, Gitarre und aufmunternden Worten: "Es geht nicht darum, wie wir singen, sondern dass wir singen und was wir dabei wahrnehmen." Die Melodien erinnern an eine Pfadfinderstunde, die Texte beschränken sich auf einige Worte und sind nicht unbedingt katholisch: "Shalom, Shalom", "Namaste!", "Ich gehe meinen Weg!" Anfangs zaghaft, dann selbstbewusster kommen die gesungenen Mantras über die Lippen. Namaste, die indische Begrüßung, bedeutet übrigens genau übersetzt "Ich grüße das Göttliche in dir". Wir gehen im Kreis, grinsen einander an. "Wer singt, kann nicht grübeln", sagt Marion. Stimmt. Für einen Moment vergesse ich, dass ich quasi dienstlich singe.

Spannend ist der Online-Fragebogen: 80 Fragen über Charaktereigenschaften, Befinden und Verhaltensweisen muss ich beantworten, die Auswertung bekomme ich an der Rezeption: Ich bin Sanguiniker, das bestimmt etwa meinen Massage- und Speiseplan. Auf mein Bier muss ich aber nicht verzichten. "Sanguiniker brauchen kühle Anwendungen und Abreibungen", sagt Kurarzt Martin Spinka. Vorher wurden Iris und Zunge fotografiert. Von den Bildern kann der Arzt organische Schwachstellen ablesen und Lebensstil-Tipps geben.

Es geht um die Einheit von Körper, Geist und Seele. Drum nehmen sich die Marienschwestern viel Zeit für (freiwillige) Gespräche. Zwangsbekehrung gibt’s nicht, betont Ordensoberin Christiane Reichl.

"Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren"

Oberösterreich: Druiden-Turnen im Kneipp-Kurheim

Nachgefragt – Kurarzt Dr. Martin Spinka über Traditionelle Europäische Medizin, Körpersäfte und die Kraft der Spiritualität.

KURIER: Was ist Traditionelle Europäische Medizin?

Dr. Martin Spinka: Das ist jene Medizin, die seit Jahrtausenden in unseren Breiten praktiziert wurde, aber mit der Entdeckung der Zelle als kleinste Einheit des Körpers ein wenig in Vergessenheit geraten ist.

Steht TEM im Widerspruch zur Schulmedizin?

Nein. Wenn ich etwa einen Herzinfarkt habe, möchte ich bitte auch mit den Mitteln der modernen Intensivmedizin behandelt werden. Danach ist die Funktion meines Herzens zwar wieder hergestellt, aber deswegen bin ich danach noch nicht gesund. Traditionelle Medizin hilft in Ergänzung zur Schulmedizin, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu reaktivieren.

Ihre wichtigsten Bestandteile?

Im Mittelpunkt steht die Säftelehre mit den vier Säften Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle und ihre Entsprechung mit den vier Temperamenten Sanguiniker, Choleriker, Phlegmatiker und Melancholiker. TEM geht davon aus, dass man bei ein und derselben Krankheit einen Sanguiniker anders zu behandeln hat als etwa einen Choleriker.

Mit welchen Mitteln?

Indem der Mensch in seiner Ganzheit betrachtet wird und ihm entsprechende Therapien angeboten werden – etwa Wickel- und Wasseranwendungen, Aromatherapie, Kräuter und Bewegung. Wichtig ist auch die Ernährung und das psychosoziale Umfeld. Auch Meditation, Anregungen zur Selbstwahrnehmung und spirituelle Gespräche, unabhängig von Konfessionen, bergen enorme Heilkraft in sich.

Infos

Oberösterreich: Druiden-Turnen im Kneipp-Kurheim

Adresse

1. Zentrum für Traditionelle Europäische Medizin (TEM),

Bad Kreuzen 106, Tel.: 07266/ 6281,

www.tem-badkreuzen.at

Anreise

Westautobahn bis Ybbs, Bundesstraße über Grein nach Bad Kreuzen (ab Wien ca. 138 Kilometer, zwei Stunden Fahrzeit)

Ausflugs-Tipps

– Speck-Alm: Urige Jausenstation, www.speck-alm.at

– Burg Kreuzen: Tolle Aussicht auf die Region, www.burg-kreuzen.at

– Burg Clam: Freiluftkonzerte von Gossip bis Hubert von Goisern, www.clam.at

– Keltendorf Mitterkirchen, www.keltendorf-mitterkirchen.at

– Rad- und Wandertipps unter www.region-strudengau.at

Auskünfte

OÖ Tourismus Info, Tel.: 0732/ 22 10 22, www.oberoestereich.at

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