Licht und Schatten für Bahnfahrer

Licht und Schatten für Bahnfahrer
Während das Tempo auf der Westbahn weiter erhöht wird, geht anderswo weiterhin wenig
Von Uwe Mauch

Das Problem, das die Österreichischen Bundesbahnen gelegentlich mit mir haben: Ich bin seit dreißig Jahren ihr Stammkunde, lege in einem Jahr gut und gerne 30.000 Bahnkilometer zurück. Ich kann daher nicht alles glauben, was ÖBB-Pressesprecher verkünden müssen. Keine Frage, die Fahrzeit-Verkürzung auf der Westbahn mit dem Fahrplanwechsel in einem Monat (am Sonntag, 9. Dezember), ist genial: 25 Minuten vom Wiener Westbahnhof nach St. Pölten, 230 km/h Höchstgeschwindigkeit, 150 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Strecke WienLinz Sagenhafte 2 Stunden 22 Minuten mit dem Railjet von Wien nach Salzburg.

Selber schuld, wer da noch mit seinem Auto über die Westautobahn holpert.

Nebenbahn daneben

Doch die Probleme beginnen dort, wo die einzige gut ausgebaute Hauptachse der Republik zu Ende ist. Was helfen mir die Milliarden teuer erkauften Minuten-Einsparungen auf der Westbahn, wenn ich diese Minuten sofort wieder verliere, sobald ich tiefer in die Provinz vordringen will? Weil die Nebenbahnen noch immer nur sehr schleppend verkehren. So sie überhaupt noch verkehren...

Arm dran ist außerdem, wer mit dem Zug von der zweitgrößten in die drittgrößte Stadt des Landes gelangen will. Auch nach dem Fahrplanwechsel wird es zwischen Graz und Linz keine einzige Direktverbindung geben, und der schnellste Zug, wenn man hier überhaupt von schnell sprechen kann, benötigt ernsthaft 3 Stunden und 23 Minuten.

Nicht viel besser ist die Relation Wien–Graz: Zwar verkehren jetzt auch über den Semmering moderne Rail-jets. Ihre Fahrzeit ist jedoch mit 2 Stunden 32 Minuten eine Farce. Der deutsche ICE benötigt für die um 80 km längere Strecke BerlinHamburg 1 Stunde 39 Minuten.

Nicht minder abenteuerlich: Eine Zugfahrt von Eisenstadt in das nur 31 km entfernte Wiener Neustadt. Viel Glück! Vor fünf Jahren habe ich es in knapp zwei Stunden geschafft. Heute dauert’s immer noch eine Stunde.

Aber vermutlich habe ich insgesamt einfach nur Pech: Denn meine private Pünktlichkeitsstatistik deckt sich so gar nicht mit jener der ÖBB. Und so sitze ich nur bei jeder dritten Fahrt in jenen 99 Prozent der Züge, die laut ÖBB auf die Minute pünktlich unterwegs sind.

Und weiter geht’s: Die Sparschiene klingt nur in der Werbung gut. Ist aber im Alltag längst ausgebucht, wenn man sie tatsächlich einmal braucht. Allerdings kostet die Fahrt von Wien nach Zell am See und retour eine vierköpfige Familie wohlfeile 341 Euro. Ein Öko-Schuft, wer als Sparefroh da nicht ans Auto denkt?

Notdurft notdürftig

Im Preis inbegriffen ist eine Tortur, die sich bei fast jeder Zugfahrt wiederholt: Erste Toilette rotes Licht = kaputt; zweite Toilette rotes Licht = besetzt; dritte Toilette abgegriffener Aufkleber = kaputt.

Jeder Klogang in Zügen der ÖBB wird somit zu einer unwürdig-unappetitlichen Wanderung durch mehrere Waggons. Schon vor Jahren versprach die ÖBB-Konzernleitung dem KURIER, das WC-Thema zur Chefsache zu machen. Passiert ist aus Sicht des Fahrgasts wenig. Und wehe, wenn die Tochter mal muss. Es gibt nicht mehr viele Toiletten in Europa, die noch unappetitlicher sind als jene im Eurocity.

Schaffner sterben

Deutlich besser und moderner sind die Fern- und die Pendlerzüge geworden. Railjet, Talent, Wiesel – da kann man nicht klagen, auch nicht auf der jahrzehntelang verwaisten Südbahn. „We schortli ereif in Mürzzuschlag!“ Deutlich freundlicher und serviceorientierter sind die Zugbegleiter geworden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Das gilt übrigens auch für die Karten-Verkäufer, denen man früher mehr als Bittsteller denn als Kunde gegenübertrat. Sofern es sie noch gibt. Versuchen Sie einmal, auf dem verwaisten Bahnhof in der steirischen Bezirkshauptstadt Hartberg ein Zugticket zu kaufen. Ich habe vom einzigen Passanten weit und breit erfahren, dass man im Wirtshaus neben dem Bahnhof fündig wird.
 

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