Kreuzfahrtträume einst und jetzt
Heute bedient der Kreuzfahrtmarkt sowohl Klasse als auch Masse, doch das war nicht immer so. Die Reise mit dem Kreuzfahrtschiff hat sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus bescheidenen Anfängen entwickelt. Dann nämlich begannen Reedereien Vergnügungsreisen auf See zu organisieren. Das außergewöhnliche Reisen zu den touristisch interessanten Zielen war jedoch nur den Reichen und Privilegierten vorbehalten. "Vergnügungsreisen" waren sie anfangs jedoch nur dem Namen nach. Der fehlende Komfort machte die Reise oft eher zur Strapaze. Bis Albert Ballin, Direktor von Hapag, es sich zum Ziel setzte "die Reisenden von allen Unzuträglichkeiten zu befreien, die bisher als untrennbar von einer Seereise angesehen wurden, und ihnen dieselben Bequemlichkeiten zu sichern, wie sie nur ein erstklassiges Hotel zu bieten vermag". Dies tat er nicht etwa um die Freizeitgestaltung der Reichen zu revolutionieren, es ging ihm vor allem darum, seine Flotte auch während der Wintermonate auszulasten.
Der Erfolg gab ihm Recht, die erste touristische Kreuzfahrt von Hapag wurde in den Folgejahren - mit Ausnahme zur Zeit des ersten Weltkriegs - wiederholt. Konkurrierende Reedereien zogen nach und Ende des 19. Jahrhunderts etablierte sich die Kreuzfahrt als neuer Ort gesellschaftlicher Exklusivität.
Das änderte sich im Zuge der amerikanische Prohibition (1919 bis 1933). Altgediente Passagierschiffe verwandelten sich kurzerhand in "Booze Cruises", da auf offenen Gewässern kein Alkoholverbot herrschte und die Leute zum Trinken an Bord kamen. Die Einnahmen waren auch bitter nötig, denn durch das US-amerikanische Quotengesetz von 1921, das die Einwanderung beschränkte, buchten weniger Passagiere die günstigen Passagen im Zwischendeck. Auswanderer waren bis dahin eine regelmäßige Einnahmequelle im Überseeverkehr gewesen.
Die Reedereien zielten danach darauf ab, neue, bescheidenere Zielgruppen an Bord ihrer "Vergnügungsdampfer" zu holen. Vor allem die amerikanische Mittelklasse war der Seereise angetan und amerikanische Studenten wollten mit dem Schiff Europa entdecken. Die dritte Klasse wurde kurzerhand in die "Touristenklasse" verwandelt und preiswertere All-inlclusive-Reisen wurden angeboten. Die zweite Klasse verschwand und die "Kabinenklasse" gewordene First Class wurde noch luxuriöser.
Die moderne Kreuzfahrt
Mit dem Aufschwung neuer norwegischer und amerikanischer Reedereien (in den 1960ern und 70ern), die sich auf Karibikreisen von der Ostküste der USA aus konzentrierten, begann die moderne Kreuzfahrt. Die neuen Pioniere, darunter die Royal Caribbean Line, die Norwegian Caribbean Line (NCL) oder die Carnival Cruise Line, zielten darauf ab, mithilfe relativ günstiger Preise Kunden jeden Alters aus der Mittelschicht auf ihre Schiffe zu locken. Die Seereisen dauerten nur ein paar Tage, aber man hoffte auf offene Geldbörsen der Passagiere. Zum Erfolg trug ganz wesentlich auch die Serie "Love Boat" bei.
Ein Wettlauf der Reedereien um Tonnagen und Megagröße begann 1979 mit der "Norway" von NCL. Der modernisierte, für die Kreuzfahrt umgerüstete und ausgestattete weltgrößte Transatlantikliner feierte enorme Erfolge als weltgrößtes Kreuzfahrtschiff. Da die Modernisierung alter Passagierdampfer bald nicht mehr genügte, wurde in neue Schiffe – schwimmende Ferienanlagen – investiert. Die Kreuzfahrt – immer komfortabler, immer luxuriöser – wurde endgültig ein Fall für die Massen. Je größer die Schiffe wurden, desto vielfältiger das Angebot: Von Swimmingpools bis Minigolf über Basketballfelder, Einkaufszentren und Theater. Die Etikette von damals war nicht mehr zu entdecken, die Atmosphäre locker, die Kleidung leger.
Seereisen heute
Während sich 1970 noch ungefähr eine halbe Million Touristen auf den Weltmeeren tummelten, sind es heute 20 Millionen. Zwar existiert noch immer ein Luxusmarkt mit einem hohen Standard bei Service, Ausstattung, Bordaktivitäten und kulinarischen Leistungen, doch gibt es auch Angebote für Kunden mit bescheidenem Einkommen. Das Niedrigpreis-Segment offeriert bis zu sechstägige Kreuzfahrten ohne großen Schnickschnack, vor allem im Mittelmeer. Auf Familien mit Kindern zielt das mittlere Preissegment ab. Die Schiffe sind farbenfroh mit bunter Inneneinrichtung und fahren etwa drei bis sieben Tage in die Karibik, nach Alaska, ins Mittelmeer und zu den Atlantischen Inseln. Das Premiumangebot zeichnet sich durch viele Landausflüge und Entdeckungstouren aus und richtet sich an Stammkunden, die es bevorzugen auf kleineren Schiffen mit dezenterem Ambiente zu reisen. Die Luxusklasse schließlich bietet Kreuzfahrten von mehr als zehn Tagen an, bei denen die Anlaufhäfen eine ebenso große Rolle spielen wie die Serviceeinrichtungen mit stilvollem Interieur. Sie überzeugen mit weniger Passagieren und mehr Platz sowie zahlreiche Kabinen mit Balkon zum Meer.
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