Hallenbädertest: Das Auge schwimmt mit

Hallenbädertest: Das Auge schwimmt mit
Zwei Architektur-Fans nehmen Europas bemerkenswerteste Schwimmhallen unter die Lupe. Auch das Wiener Jörgl.

Das Jörgerbad in Hernals ist eine Wiener Institution. Das merkt man auch daran, dass der Bademeister uneingeschränkter Chef der Lagen ist. Er redet, ohne gefragt zu sein. Deswegen gibt er Iris Meder und Monika Schuller Ezzes zu ihren Brusttempi. Obwohl die beiden Architektur-Profis gar nicht wegen des Schwimmens da sind. Sondern wegen der Baukunst des ältesten Städtischen Schwimmbads Österreichs.

Plötzlich ein Pfiff aus der Trillerpfeife des Bademeisters - jemand ist unerlaubt randgesprungen. Im "Jörgl" herrscht Disziplin. Die beiden Chronistinnen der mitteleuropäischen Badekultur nehmen es wohlwollend zur Kenntnis.

Meder und Schuller haben in den vergangenen zehn Jahren Hunderte Schwimmbäder zwischen Schwarzwald und Schwarzem Meer ausprobiert und die bemerkenswertesten Bauformen in einem Bildband zusammengetragen (siehe Buchtipp). Ihr Ziel: ein Führer für Schwimmbad-Feinspitze. Ihre Arbeitskleidung: Bikini und Badeschlapfen.

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Das Jörgerbad in Wien Hernals
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Badehaus-Schmankerln

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Die Besonderheiten am Jörgerbad sind sein Alter und sein Design. In dem 1914 eröffneten Bad fallen die weißen und orangefarbenen Sitzbänke sowie die blau-orange Wandfliesen auf. "Retro, das gefällt", sagt Meder, die auch das Stadthallenbad spannend findet. Die richtigen Schmankerln liegen jedoch weit im Westen und Osten ihres Forschungsgebietes. Zwei Beispiele: Das Thermalbad Zürich (Schuller: "Mit Dachbad unter freiem Himmel, du schaust direkt auf die Landschaft") und das Türkische Bad "Török fürdő" im nordungarischen Eger ("Die goldene Kuppel ist der Hammer").

Auf ihrer Euro-Bade-Tournee sind die beiden nicht streng nach Kriterienkatalog vorgegangen, sondern "kontemplativ, auf dem Rücken schwimmend" - architektonische Details studierend. Grindig sei bislang nur das Heilbad Balf (Ungarn, Anm.) gewesen. Auch wenig bekannte Bäder haben Meder und Schuller "entdeckt", darunter das kleine Badehaus Sargfabrik in Wien Penzing, das nur an manchen Abenden im Monat öffentlich zugänglich ist. Oder das Höhlenbad in Miskolc-Tapolca (Slowakei). In dieser Karsthöhle des Bükk-Gebirges sprudeln Thermalquellen mit starkem Nitratgehalt. Und das Budapester Bad Kiraly fürdő aus dem Jahr 1565. "Früher hatten Bäder nur Kabinen zum Umziehen, das sieht man in Wien noch im Amalienbad", erklärt Meder. Das in den 1920er-Jahren als Prestigeprojekt des "Roten Wien" errichtete städtische Schwimmbad war schon bei seiner Eröffnung veraltet. Kästchen waren längst Standard, um den Andrang an Badegästen zu bewältigen.

Freude am Schwimmen

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Das Gerede um Farben und Formen wird dem Schwimmlehrer, er wird übrigens Petzi gerufen, zu viel. Ohne Worte, aber mit großer Geste, fordert er Taten: Meder muss zeigen, dass sie nicht nur klug reden, sondern auch eine Länge schwimmen kann - und erntet Lob. "Ich bin ja eigentlich unsportlich, aber schwimme gern", sagt sie. Demnächst in Frankreich.

Volksbäder: Ein Hoch der Sauberkeit

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Volksschwimmbäder
Ab den 1880er-Jahren entstanden in Deutschland "Volksschwimmbäder" mit Duschen und Schwitzkammern. Populär war diese Wellness vor allem in Kohleabbaugebieten. In Österreich tat sich lange nichts. Meder: "Der Katholizismus war immer schon körperfeindlich."

Stadthallenbad
Nach einer Generalsanierung soll das 38 Jahre alte Wiener Stadthallenbad als modernstes Hallenbad Österreichs im Februar 2012 wieder eröffnet werden.

Baden im alten Wien: Dolce far niente im Stubenviertel

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Sauberkeit und Hygiene haben in Wien keine Tradition. Im 16. Jahrhundert bliesen zwar bereits "Badewärter" einmal pro Woche ins Horn, eine unbedingte Verpflichtung, sich zu Hause zu waschen, sahen die Wiener darin aber nicht.

Man vergnügte sich lieber in den 21 Badestuben, die im Spätmittelalter aufkamen, und nach denen das Stubenviertel benannt ist. Den Grund für die Beliebtheit der Etablissements erklärt Hubert Hinterschweiger in seinem Buch "Wien im Mittelalter" (Verlag Pichler. 24,95 Euro): Es ging ums Plantschen im Wasser, Männlein und Weiblein eng im Zuber, verbunden mit Necken, Kosen und Lieben, mit Völlern und Trinken, das war das Dolce far niente des Mittelalters. Und sauber wurde man auch.

1534 gab es nur noch elf Badestuben. Erklärung: Seit der Entdeckung Amerikas 1492 zog die Syphilis eine Spur des Schreckens durch Europa. Die Schuld an der Verbreitung der "Lustseuche" gab man dem Kontakt mit Wasser, die den Körper für Ansteckung öffne. Tatsächlich war aber nicht das Badewasser schuld sondern mangelnde Hygiene beim Aderlassen und Schröpfen.

Erst im 19. Jahrhundert kamen neue Wannenbäder (Diana-, Sophien-, Margaretenbad und das Centralbad Kaiserbründl) auf. Zur Weltausstellung 1873 entstanden beim Praterstern "Römische Bäder", heute Lager- und Verkaufsraum eines Sanitärfachhandels.

Buchtipp

Hallenbädertest: Das Auge schwimmt mit

Badefreuden. Eine Reise zu den außergewöhnlichsten Bädern in Mitteleuropa.
Metro Verlag, 25 Euro

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