Segeltörn-Premiere mit fünf blauen Wundern

Korfu
Das wunderbar blaue Gefühl, wenn Sonne und Meer gleißen, die Segel blähen, die Planken schwanken, stellt sich nur auf einem Segeltörn um die Ionischen Inseln ein. Ein Neuling kann dabei seine blauen Wunder erleben ...

Den Begriff halsen kannte ich bislang nur aus Büchern – für Umarmen.

Anluven wiederum hielt ich für eine nasse, unappetitliche Tätigkeit. Und Knoten machte ich mir ausschließlich in Schuhbänder.

Bis ich eines Tages auf den heißen Planken einer Segelyacht stand, eingeladen, das Ionische Meer tagelang zu durchkreuzen. Seitdem knote ich euch blind eine ganze Hängematte aus lauter Palsteks (= der universale Schifferknoten), bücke mich beim Kommando „Halse“ routiniert unterm Segelbaum durch und weiß, was eine Drehung in den Wind bedeutet.

Man könnte bereits diese Leistungen eines vorher eher meerwasserscheuen Festländers als Wunder des heiligen Spyros bezeichnen. Doch dieser Schutzpatron der Insel Korfu tat an mir noch ein Übriges; davon später.

Die Landratten-Bande

Segeltörn-Premiere mit fünf blauen Wundern
Korfu, Segeltörn
Der Name des Boots (griechisch) ist mir inzwischen entfallen, obwohl ich es vom ersten Tag an geliebt habe. Über 13 m schlanke, weiß glänzende Kurve von Heck bis Bug, 4 ½ m satte Breite, üppige 82 m² geblähtes Segeltuch (bei Wind). 54 PS-Motorleistung bei Windstille. Oder wenn wir es eilig hatten.

Wir, das war eine bunt zusammengewürfelte Bande von Landratten, denen man Attraktionen eines Segeltörns einbläuen wollte. Und wirklich: Du stehst an Deck, schaust nur einmal rundum und sofort wird dir die Bedeutung von „Blau machen“ überwältigend bewusst. Strahlende Bläue, wohin du blickst, Wasser, Himmel, sogar Türen und Fensterrahmen der Tavernen. Blau: die Farbe Griechenlands. Und die Urlaubsfarbe schlechthin.

Mir wurde vom freundlichen Skipper (= Personalunion von Kapitän, Steuermann, Maat, Bootsjunge und Koch) – einem ganz augenscheinlich von Wind und Wetter gegerbten Seebären – meine Kajüte mit den Ausmaßen einer halben Mönchsklause zugeteilt. Nasszelle und Bullauge inklusive. Aber von Klaustrophobie keine Spur, sondern im Gegenteil pure Geborgenheit: schon einmal das erste Wunder.

Das zweite Wunder: es gelang mir, die Spültechnik meiner Toilette (jede Kabine hatte eine eigene inklusive Dusche) ohne fremde Hilfe zu betätigen (Hebel umlegen, pumpen, zweiten Hebel umlegen, spülen, ersten Hebel wieder zurück. Oder doch umgekehrt?)

Segeltörn-Premiere mit fünf blauen Wundern
Das dritte Wunder war, dass den Griechen auf jenen Orten, die wir ansteuerten, die Krise ganz offensichtlich nicht die Laune verderben kann. Sie schimpften in Sivota oder auf der Insel Paxos zwar auf die Touristen (nur die ausbleibenden natürlich, wir wurden geradezu gefeiert), verfluchten später auch ihre als unfähig verspottete Regierung. Aber sie lachten dabei fröhlich, bewirteten uns Seefahrer-Laien mit Unmengen von gegrilltem Fisch, tranken dazu mit uns noch mehr wunderbaren, kühlen Wein. Danach hörten sich ihre Flüche noch lustiger an, und nach dem Abschied von unseren neuen Freunden plumpsten wir anschließend glücklich und etwas blau (schon wieder ein griechisches Blau) in unsere sanft schaukelnden Kajüten-Betten.

Das vierte Wunder: es war mir, sobald ich an Bord gegangen war, absolut wurscht, ob mein Handy funktionierte oder nicht. So eine Bootsgemeinschaft ist wie eine fürsorgliche Familie, die dich nichts vermissen lässt. Man sonnt gemeinsam in sorglosem Schweigen an Deck, badet ausgelassen im Meer, erkundet abenteuerlustig geheimnisvolle Höhlen an der Küste. Und macht sich einen Riesenspaß daraus, einmal mit selbst eingekauftem Lamm und örtlichem Gemüse die Seinen samt dem Skipper üppig zu bekochen.

Geküsste Füße

Das fünfte und größte Wunder: in der Agios-Spyridonas-Kirche mitten im idyllischen Gassengewirr von Korfu-Stadt wurde just bei unserem Besuch für eine kleine, exklusive Gruppe weitgereister Wallfahrer der silberne Sarkophag des Heiligen geöffnet. Ich legte meinen nagelneuen I-Pad (den man nur bei Landausflügen aufladen konnte, was mir auch bereits wurscht war) auf die Kirchenbank, um mich unter diese Pilger zu schmuggeln. Jeder einzelne von diesen küsste die – seit 1700 Jahren aufs wunderbarste erhaltenen – nackten, kohlschwarzen Füße des Heiligen.

Obwohl ich mich dazu nicht überwinden konnte, lag dann mein I-Pad noch immer auf der Bank, als ich zurückkehrte.

Wunderbares Erleben

Segeltörn-Premiere mit fünf blauen Wundern
Yacht
Das war allerdings erst vier Stunden später, weil ich Idiot es vor lauter Verwundern in der Kirche vergessen hatte. Irgendwann im Verlauf des Stadtbummels vermisste ich es dann doch. Worauf ein verzweifeltes Suchen an allen Ecken und Enden der Hafenstadt begann, das schließlich beim frisch gebackenen Schutzheiligen aller iPads endete. Wie gesagt, ein wirklich großes Wunder, wie mir meine Reisegefährten bestätigten.

Aber waren nicht die ganze Segelfahrt, die vielgestaltigen Kulissen der Insellandschaft, ihre liebenswerten, unheilbar optimistischen Bewohner, ihre romantischen Hafenstädte, Buchten, Höhlen und einladenden Strände ganz wunderbar?

Ich glaube, ich muss bald wieder einmal dort hin. Auf eine Yacht mit Segeln, heimeliger Kajüte, Sonne, Meer, Fisch und Wein. Vielleicht merke ich mir dann auch endlich, was Ahoi auf Griechisch heißt.

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