In der Auslage eines leerstehenden Geschäftslokal schlafen – klingt zunächst befremdlich, könnte in Wien aber zum nächsten Renner werden. Wenn es nach den Betreibern des "Grätzlhotels" geht, soll das Geschäftsmodell eine professionelle Antwort auf Airbnb sein. Doch statt in privaten Wohnungen residieren die Gäste in Schaufenstern, die zu durchgestylten Suiten mit Kitchenette, geplant vom Architekturbüro BWM (BWM-Partner Markus Kaplan ist auch einer der Gesellschafter des Hotels), umgemodelt wurden.
Zum Erfolg könnte das "Grätzlhotel" nicht nur wegen des außergewöhnlichen Konzepts, sondern auch wegen einer der Akteure werden. Denn eine der geschäftsführenden Gesellschafterinnen ist neben Theresia Kohlmayr von Urbanauts auch Fanny Holzer-Luschnig. Als Direktorin des 25hours Hotels in Wien hat sie den Dachboden zum beliebten Hotspot der Wiener gemacht. Jetzt möchten die beiden– mit fünf weiteren Gesellschaftern – etwas Eigenes, Kleines eröffnen, etwas das "Gefühl und Herz zeigt".
Es ist nicht das erste Mal, dass in ÖsterreichGeschäftslokale in Hotelzimmer verwandelt werden, das Pixel Hotel in Linz hat das bereits gemacht. Es ist jedoch das erste, dass das Grätzl in den Vordergrund stellt: Der Gast soll Teil des Lebens der Umgebung werden und das Gefühl eines Zuhauses haben, groß genug, um auch Besuch einzuladen. Gestartet wird Anfang Dezember mit 18 Suiten in drei Bezirken, weitere Unterkünfte sollen rasch folgen.
Eines dieser Hotels befindet sich in der Nähe des Karmelitermarkts. Im Haus an der Ecke Große Sperlgasse/ Karmelitergasse sind sieben Suiten im Erdgeschoß untergebracht (drei Garden Suites, drei Street Suites und eine Street Junior Suite). Wert legt Hotelfrau Holzer-Luschnig, auf deren Visitenkarte schlicht "Gastgeberin" steht, auf die Qualität der Betten, "schließlich verkaufen wir immer noch Schlaf". Angst, dass sich die Gäste in der Auslage nicht wohlfühlen hat sie nicht – Vorhänge sorgen für absolute Privatsphäre.
Den Stil nennt sie "Industrial Design mit Spuren der Vergangenheit". Diese Spuren sind dezent, aber entzückend: Im ehemaligen Lampen-Geschäft hängen etwa zahlreiche Lampen aus Restbeständen. Die Wandverzierung ist keine Tapete, sondern ist nach dem Vorbild eines Musters gestaltet, das hinter einem Schrank verborgen war, und wurde mittels altem Verfahren aufwendig gewalzt.
Aber auch schein-alt findet sich im Mobiliar: Zum Beispiel ein Radio im Vintage-Look, das mit neuer Technik ausgestattet ist und sich via Bluetooth mit dem Smartphone verbinden lässt.
Rezeption für das "Hotel" am Karmelitermarkt ist das Café "Zur Rezeption" im selben Haus. Hier können nicht nur Hotelgäste ihr Frühstück einnehmen und den Concierge-Service nützen, hier sollen sich auch die Wiener wohlfühlen. Und heimelig wirkt es wirklich: an den Wänden hängen alte Familienfotos von Fanny Holzer-Luschnig, das Porzellan ist zum Teil aus Familienbesitz, zum Teil vom Flohmarkt, eine Hobelbank des Vormieters wurde als Tisch umfunktioniert.
Für die beiden anderen Standorte – Belvedere und Meidlinger Markt – wurde keine eigene Rezeption geschaffen. Ansprechpartner gibt es natürlich trotzdem: Die Gäste vom Grätzlhotel Meidlinger Markt werden vom Café "Milchbart" am Markt betreut. Um das Grätzlhotel Belvedere kümmert sich das Architekturbüro Kohlmayr Lutter Knapp. Diese Zimmer sind jedoch nicht neu, sondern Bestand der Urbanauts Hospitality Group, die kürzlich mit dem Grätzlhotel fusionierten.
Was kostet der Spaß?
Die Suiten, werden aufgrund des Zugangs in Street Suites und Garden Suites bzw. aufgrund der Größe in Junior Suites (25 m²–30 m² ) und Suites (35 m²–40 m² ) unterschieden. Die Junior Suite gibt es ab 120 Euro, die Suite ab 140 Euro.
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