Der Esel lehrt sein Tempo

Eselwandern
An der Seite von Zwergeselin Emily wird die Zeit zur Nebensache.

Die Eselstute wird langsamer, beugt ihren Kopf nach unten, deutet an, sich am Vorderhuf zu reiben. Beißt dann aber schnell in die Grasbüschel am Wegesrand. Ein Trick, der ihr an diesem Tag noch öfter gelingt.

Der Esel lehrt sein Tempo
Eselwandern
Esel-BesitzerHorst Winklerklärt mich und meine Freunde Jakob, Zoran und Katharina über die Eigenheiten der Tiere auf: „Sie haben kein Sättigungsgefühl, auch wenn sie gefüttert sind. Während der Wanderung entscheidet aber der Eselführer, wann gefressen wird, und nicht der Esel.“ Diese Philosophie teilt unsere neunjährige Zwergeselin Emily nicht ganz.

Sie trägt keine Wanderer, sondern deren Rucksäcke. In ihrem Tempo. Knapp 6,5 Kilometer weit vom Eselstall bis zur Remschnigg-Hütte und wieder zurück. Die Strecke ist Teil des Grenzpanoramawegs und in zwei bis drei Stunden zu bewältigen. Mit einem Esel sollte man – inklusive Pausen – doppelt soviel Zeit einplanen.

Der Esel lehrt sein Tempo
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Kurz nach dem Einstieg fallen uns weiße Steine auf. Die Markierungen OE oder RS zeigen, auf welcher Seite des Grenzgebietes wir uns befinden. „Pozor! Državna Meja!“ – „Achtung Staatsgrenze!“ Wir passieren ein ehemaliges Zollhaus. Es verschwindet fast hinter der zwei Meter hohen EU-Tafel mit der Aufschrift „Slovenija“. Der Weg führt kurz bergauf und vorbei an Bauernhöfen und Kuhweiden. Wald und Alm bilden den passenden Hintergrund.
Der Esel lehrt sein Tempo
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Es hat 35 Grad, die Sonne knallt uns auf die Köpfe. Ein roter Traktor rattert auf dem Feld. Emily bleibt stehen und spitzt ihre langen Ohren. Während ein Pferd beim kleinsten Geräusch wegzulaufen droht, zeigen sich Eselstuten neugierig und gelassen. Selbst das Brummen der Hummeln lässt Emily innehalten – mich auch. Ein kurzer, fester Zug an der Leine signalisiert ihr, dass es Zeit ist weiterzugehen. Beim ersten Schritt beißt sie ein paar Blätter vom Baum. Man kann es ihr nicht übel nehmen.

Der einzige Wanderer, der sich an diesem heißen Augusttag noch auf den Weg wagt, trägt Rucksack, Zelt und lange Kleidung. Der Schweiß läuft ihm über das Gesicht. Sein Blick fällt auf Emily. Mit deutschem Akzent will er unseren Esel „ausleihen“. Er bekommt von uns nur den Hinweis zum nächstgelegenen Badeteich. Wir ziehen der kühlen Erfrischung unser Ziel vor – die Remschniggalm auf 700 Metern. Herrlich, ein schattiger Garten. Emily wird an einen Baum gebunden. Ungestört kann sie sich der saftigen Wiese hingeben. Sie will dennoch unsere Aufmerksamkeit, das laute, heisere Iiiiaahhhh klingt furchterregend. Streicheleinheiten und eine Karotte stimmen die Eselin milde.

Der Esel lehrt sein Tempo
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Auf dem Rückweg entlang des Bergkammes eröffnet sich eine atemberaubende Aussicht über das Steirerland und die Weinberge. Wir bleiben und verweilen. Ein Blick auf die Uhr überrascht uns, wir sind schon sechs Stunden unterwegs. Durch Emilys gelassenes Tempo haben wir an diesem Tag jegliches Zeitgefühl verloren. Und das ist gut so.

Der Weg

Der Grenzpanoramaweg zählt zum sogenannten „Internation- alen Weitwanderweg 03“ von Sillian nach Bad Radkersburg. Die Strecke an der steirisch-slowen- ischen Grenze von Soboth bis Berghausen/Plac ist 80 Kilometer lang und in mehreren Tages- etappen zu gehen. Der Weg vom Eselstall in Oberhaag bis zur Remschniggalm ist ein Teil davon.

Die Umgebung

Er führt von den Almen der Koralpe über die Remschniggalm, bis hinein in die Weinberge an der Grenze und die Aulandschaften von Bad Radkersburg.

Der Esel lehrt sein Tempo

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