Das faszinierende Nordlicht
Die blaue Stunde ist für mich die schönste Zeit hier oben“, sagt Ian Robins. Er meint die Zeit, in der im Norden Norwegens die Sonne es zwar nicht mehr über den Horizont schafft, die Landschaft aber trotzdem zeitweise in ein melancholisches arktisches Blau taucht. „So finster, wie viele glauben, ist es bei uns im Winter wirklich nicht. Und ab Mitte Januar scheint die Sonne jeden Tag 20 Minuten länger.“
Ian Robins lebt auf der Vesterålen-Inselgruppe, etwa 200 Kilometer nördlich des Polarkreises. Er ist Engländer, lebte wie seine norwegische Partnerin Karina Jakobsen 20 Jahre in Deutschland und fand seine Traumheimat im weltentlegenen Bø auf der drittgrößten norwegischen Insel Langøya. Dort kocht Karina im Ringstad Sjøhus für einen kleinen Gästekreis inseltypische Gerichte, und Ian geht als Natur-Guide auf Seeadler- und Robben-Safari, gibt Tipps im Foto-Workshop.
Aurora Borealis
Nicht nur Ians geliebte blaue Stunden, auch eine blaue Stadt gibt es auf Vesterålen. In Sortland nämlich haben die Einwohner sich darauf geeinigt, ihre Häuser blau zu streichen. Nicht weit von Sortland lohnt ein Abstecher zu einem weißen Haus: In Jennestad am Gavlfjord steht noch eine der einst größten Handelsniederlassungen im Nordland. Andenes, ganz oben auf der Insel Andøya, ist ein guter Tipp für Walsafaris, aber wohl doch besser im Sommer.
Wer mit dem Auto, im Winter natürlich nur mit Spikes-Reifen, über die durch Brücken verbundenen Inseln kurvt, wird auch häufiger Elche sehen. „Der Schnee in den Bergen ist zu tief, sie kommen deshalb herunter“, sagt Ian. Vesterålens Landschaft ist mit den tief eingeschnittenen Fjorden, mit Moor, Heide und den Bergen vorgelagerten landwirtschaftlich genutzten Flächen erstaunlich abwechslungsreich. Die Berge sind nicht so schroff und bizarr wie auf den benachbarten Lofoten, bieten aber gerade deshalb gute Wintersportmöglichkeiten auf Pisten und Loipen. Und natürlich gehört eine Tour im Hunde- oder Rentierschlitten dazu.
Motorschlitten
Die Samen, die Urbewohner im Norden, sausen heute freilich lieber im Motorschlitten zu ihren Herden. 30.000 Samen leben noch in Norwegen. „Davon sind fünf Prozent Rentierleute“, erzählt Arild Inga, dessen Familie seit 140 Jahren Rentiere züchtet. Mit seiner Frau Laila hat er in Kvalsaukan auf der Insel Hinnøya ein Erlebniscenter organisiert. Im Lavvo, dem traditionellen Samen-Zelt, erzählt Arild von jenem harten Winter, in dem er 50 Prozent seiner Herde verlor. „Seitdem können die Rentiere zum Füttern von den Bergen herunterkommen“. Und die ganz schlauen Tiere ergattern bei Laila gleich noch ein Leckerli aus nahrhaften Flechten. Wie groß ihre Herde ist, darf man die beiden keinesfalls fragen. Das gilt als absolut unschicklich. Bei einer kräftigen Rentiersuppe erzählt Arild, dass er ein Zubrot verdiene, weil die Chinesen die Geweihe der Rentiere kaufen. Und Laila erklärt den Joik. Das ist ein Obertongesang, eine Art Erkennungslied jedes Samen, der Ausdruck der samischen Seele.
Fischer von Nykvåg
Von Januar bis März ist Saison. Dann arbeiten in der Fischfabrik Hilfskräfte aus Litauen und sogar Ärzte aus Russland. An Holzgerüsten paarweise aufgehängt, trocknet der Kabeljau bis in den Juni hinein in der arktischen Luft und wird so zum knüppelharten Stockfisch. Der ist seit Jahrhunderten ein Exportschlager der Norweger.
Ein Stück Tradition sind die Schiffe der Hurtigruten, die ursprünglich als Postdampfer die Küste von Bergen bis hoch nach Kirkenes abfuhren und heute mehr Kreuzfahrtcharakter haben. In drei Häfen – Harstad, Sortland und Risøyhamn – legen sie auf den Vesterålen an. Das liegt wohl etwas nostalgisch daran, dass die Schifffahrtslinie hier 1893 von Kapitän Richard With gegründet wurde. Vor dem 1993 zum Hundertjährigen eröffneten Postschiff-Museum in Stokmarknes steht die aufgedockte MS Finnmarken als „größter Museumsgegenstand der Welt“.
Von Stokmarknes nehmen die Hurtigruten-Schiffe Kurs auf die Zackenwand der Lofoten. Die Fahrt geht durch den engen Raftsund. Nur im Sommer ist von dort der Abstecher in den Trollfjord möglich. Er war Schauplatz einer legendären Schlacht, in der 1890 Küstenfischer mit 600 Ruderbooten gegen die neuen Dampfschiffe kämpften, die ihnen den Zugang zum Kabeljau-Fang im Trollfjord versperrten. Ian Robins legt Wert auf die Feststellung, dass der Trollfjord zu den Vesterålen gehört – und keineswegs zu den Lofoten.
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