Äthiopien wird verscherbelt

Als Folge der Dürre herrscht weiterhin Nahrungsmittelmangel. Dennoch werden von der Regierung Anbauflächen an Ausländer zu Schleuderpreisen vergeben.

Zuletzt verschwand die verheerende Dürre-Katastrophe am Horn von Afrika im Osten des Kontinents aus den Schlagzeilen - dennoch bleibt sie für Abermillionen Familien bittere Realität. "Die Leute verlieren weiter ihre Herden und damit ihre Lebensgrundlage, weil sie das Vieh nicht tränken können. Allein in meinem Heimatland Äthiopien sind vier bis fünf Millionen Menschen auf Hilfe von außen angewiesen", sagt Nyikaw Ochalla von der "Anuak Survival Organisation", einer NGO mit Hauptsitz in London. Insgesamt würden von den rund 85 Millionen Einwohnern des Landes 13 Millionen hungern.
Besonders hart treffe es die somalisch-stämmigen Äthiopier. "Weil die Regierung sie als Unterstützer von Terroristen ansieht (der Nachbarstaat Somalia wird weitgehend von Islamisten kontrolliert) , erhalten sie keinerlei staatliche Hilfe und müssen von internationalen Organisationen durchgefüttert werden", klagt der Aktivist im KURIER-Gespräch.

Ein anderer Vorwurf des 46-Jährigen an die Zentralgewalt in Addis Abeba wiegt mindestens ebenso schwer: Trotz der Hunger-Misere und des akuten Nahrungsmittelmangels würden Millionen Hektar fruchtbarer Anbauflächen zu Schleuderpreisen an Staaten und ausländische Konzerne verscherbelt. 3,9 Millionen Hektar sollen es im Endausbau sein - das entspricht rund der Hälfte Österreichs. 2,6 Millionen Hektar seien bereits vergeben - zu Pachtpreisen zwischen vier und sieben Euro pro Hektar.

Nur für den Export

"Die Investoren kommen aus Europa, China, Malaysia, Israel oder den USA und produzieren fast ausschließlich für den Export - Reis, Blumen oder Zuckerrohr", sagt Nyikaw Ochalla, der auf Einladung der Organisationen Südwind, FIAN und des Renner-Instituts in Wien war. Die angestammte Bevölkerung werde vertrieben und verliere ihre Lebensgrundlage, führt der Äthiopier aus, der ein Experte in Sachen Landraub (land grabbing) ist. "Das ist ein krimineller Akt der Regierung." Die Neuansiedlungen der Betroffenen in oft unfruchtbaren Regionen nennt er "Konzentrationslager".

Die Menschen dort könnten ohne (Nahrungsmittel-)Hilfe nicht überleben, der Migrationsdruck, auch Richtung Europa, würde steigen. Dass der Vorstoß von Staaten oder internationalen Investoren in die Weiten des afrikanischen Kontinents nicht sofort und gänzlich zu stoppen ist, weiß auch Nyikaw Ochalla. In diesem Zusammenhang fordert er aber klare Regeln für derartige Transaktionen, die derzeit alles andere als transparent über die Bühne gehen. "Genauso wichtig ist aber der Dialog mit den Menschen, die jahrhundertelang das Gebiet besiedelt haben."

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