Zyperns Präsident: „Europas Bankrott nicht zulassen“

Zyperns Präsident: „Europas Bankrott nicht zulassen“
Zypern steht im Bann der Griechenland­krise. Staatsoberhaupt Christofias warnt vor Anarchie und Rechtsextremismus.


Die Republik Zypern übernimmt Anfang Juli den Ratsvorsitz in der EU. Ein heikles Unterfangen – angesichts der vielen Krisenthemen in und um Europa. Zyperns Präsident Demetris Christofias ist derzeit in Wien. Dem KURIER erläutert er Zyperns Kurs für den EU-Ratsvorsitz.

KURIER: Herr Präsident, Ihr Land hat im zweiten Halbjahr 2012 die EU-Ratspräsidentschaft. Welche Schwerpunkte werden Sie in diesen Zeiten der Krise setzen?

Demetris Christofias: Die Schwerpunkte werden ja vom Leben selbst gesetzt. Die Wirtschaftskrise ist ein Schwerpunkt – ob man das will oder nicht. Es stellt sich aber die Frage, mit welcher Methode man sie bekämpfen will. Die neoliberale Denkschule meint, dass der Markt König bleiben sollte. Die zweite Denkschule hält eine Kombination für notwendig: Die Krise mit Wachstums-Maßnahmen bekämpfen, ohne die Sparmaßnahmen außer Acht zu lassen. Wir in Zypern sind Anhänger der zweiten Denkschule.

Sie sehen also EU und Eurozone noch nicht am Ende?

Würde es zu einem Ende der Europäischen Union kommen, käme es damit auch zu einem Ende Europas. Ich sehe nicht, dass die politischen Führer in Europa zurzeit so etwas vorhaben. Sie wollen einen Bankrott Europas nicht zulassen. Auch mit all seinen Schwächen ist dieses Europa eine Alternative zur Anarchie.

Diese Anarchie könnte nämlich zu rechtsextremen Bewegungen führen – und auch zu Faschismus. Die Europäische Union braucht jetzt eine Selbst-Analyse – sie muss sich den eigenen Fehlern stellen und nicht immer nur auf die Probleme anderer aufmerksam machen.

Gibt es weitere Schwerpunkte für Zyperns EU-Ratsvorsitz?

Wir haben in diesem Halbjahr auch das Problem, dass das nächste Sieben-Jahres-Budget der EU 2014-2020 erstellt werden muss. Sogar dazu gibt es divergierende Ansichten: Soll das EU-Budget erhöht oder reduziert werden? Und wenn reduziert, wo soll dann eingespart werden?

Ein jahrelanger Krisenfall ist die türkische Besetzung des Nordteils von Zypern. Zuletzt gab es scharfe Töne aus Ankara. Herrscht jetzt Stillstand im Dauerstreit?

Würde die türkische Seite guten Willen zeigen und die Europäische Union respektieren, dann wäre das Problem längst gelöst. Stattdessen verfolgt die Türkei eine sehr abenteuerliche Politik, eine Kanonenboot-Politik. Sie torpediert auch die – allerdings sehr stockenden – Gespräche der letzten Zeit. Wir wollen, dass diese Gespräche weitergeführt werden. Das Verhalten der Türkei führt aber in eine Sackgasse.

Haben Sie ein Angebot an die türkische Seite?

Ich habe meine Bereitschaft erklärt, die Verhandlungen auch während unseres EU-Vorsitzes weiterzuführen. Aber der Führer der türkischen Zyprioten hat diese Vorschläge abgelehnt.

Um mehr Bewegung in die Gespräche zur Lösung der Zypern-Frage zu bringen, habe ich erneut einen Vorschlag bei den Vereinten Nationen unterbreitet: Dass man den Hafen von Famagusta unter EU-Schirmherrschaft öffnet und die verlassene Stadt Famagusta unter UN-Aufsicht sowohl für die türkischen wie für die griechischen Zyprioten öffnet, für eine Rückkehr der Bevölkerung von Famagusta.

Die Türkei hat diesen Vorschlag, den ich bereits 2010 unterbreitet habe, abgelehnt. Ich glaube aber, dass es eine Reihe guter Voraussetzungen gibt, sollte die Türkei diesem Vorschlag zustimmen. Das würde zu einer Win-Win-Situation für beide Seiten führen.

 

Zyperns Präsident: „Europas Bankrott nicht zulassen“

Zypern hat eine Vermittlerrolle zwischen Europa und der arabischen Welt. Wie bewerten Sie die Ereignisse im "Arabischen Frühling", vor allem in Syrien?

Dass demokratische Reformen in Syrien stattfinden müssen, das ist doch selbstverständlich! Vor zwei Jahren habe ich den zypriotischen Außenminister nach Damaskus entsandt, um mit Präsident Assad die Möglichkeit von Reformen zu erörtern. Es kam leider zu keinen Reformen. Die jetzige Situation ist uns allen klar. Es scheint, dass sich keine der beiden Seiten Richtung Reformen bewegt.

Wir Zyprioten wünschen uns, dass sich in unseren Nachbarländern demokratische Institutionen etablieren. Aber dauerhafte Demokratiebewegungen können nur aus den Ländern selbst kommen. Ich wünsche mir, dass sich auf dem Weg zur Demokratie in diesen Ländern nicht die extrem-muslimischen Bewegungen etablieren – oder Al-Kaida. Dafür müssten wir dann alle die Rechnung bezahlen.

Streit um Bodenschätze vor Zyperns Küste

Abseits der kommenden EU-Ratspräsidentschaft Zyperns steht der Mittelmeer-Inselstaat vor einer ganz besonderen Herausforderung: In den Hoheitsgewässern östlich der Insel wurden riesige Öl- und Erdgas-Vorkommen entdeckt – ihre Ausbeutung wird jetzt in die Wege geleitet.

Bisher hat die Republik Zypern mit den Mittelmeer-Anrainern Libanon, Israel und Ägypten Abkommen über sogenannte "Ausschließliche Wirtschaftszonen" geschlossen. In diesen Gebieten erhalten die Vertragsstaaten besondere Rechte, unter anderem zur Ausbeutung der Öl- und Gasvorkommen.

Kurz vor Übernahme des EU-Vorsitzes durch Zypern hat die Türkei nun internationale Energie-Konzerne davor gewarnt, sich an der Ausbeutung der Öl- und Gasvorkommen Zyperns zu beteiligen. Ankara droht mit "unerwünschten Spannungen" und dem Ausschluss solcher Unternehmen von Energieprojekten in der Türkei. Bisher haben sich etwa 15 Unternehmen an einer Ausschreibung Zyperns beteiligt, darunter Konzerne wie Gazprom (Russland), Eni (Italien), Total (Frankreich) und Marathon (USA).

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