Zweites Vatikanum: Aufbruch im Stocken

Zweites Vatikanum: Aufbruch im Stocken
Die größte Kirchenversammlung in der Geschichte brachte einen Modernisierungsschub. Doch viel ist davon heute nicht mehr zu spüren.

Der Aufmarsch an geistlichen Würdenträgern war enorm: 270 Kardinäle, Bischöfe und Patriarchen waren am Donnerstag nach Rom gepilgert, wo Papst Benedikt XVI. ein Jahr des Glaubens ausrief – anlässlich des 50. Jahrestages der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Am 11. Oktober 1962 hatten sich freilich rund zehn Mal so viele Kleriker und Theologen im Petersdom eingefunden. Es war dies die bis heute größte Kirchenversammlung in der 2000-jährigen Geschichte. Sie sollte die Institution fit machen für die Anforderungen der Moderne, was in Teilbereichen auch gelang.

Dass es damals überhaupt zu einem Konzil kam, war für viele überraschend. Denn der damalige Papst Johannes XXIII. war schon alt und gebrechlich, sein Pontifikat galt als eines des Übergangs. Doch der einfache Bauernsohn setzte das Konzil gegen die Hardliner im Vatikan durch. Auch nach seinem Tod 1963 wurde es fortgeführt und 1965 unter Nachfolger Paul VI. abgeschlossen. Es markiert die größte Zäsur in der Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts.

Schnell übernahmen fortschrittliche Kräfte das Kommando im Petersdom. Sie waren besser organisiert als die Konservativen. Zu ihnen gehörten der gemäßigte Reformer Kardinal König, aber auch die Theologen Joseph Ratzinger, der heutige Papst, sowie Hans Küng, der im Vatikan später in Ungnade fiel.

Letzterer erinnert sich: "Wir Konzilstheologen haben die Reden der Bischöfe geschrieben. Die Konzilssprache war Latein, und das konnten die meisten Bischöfe nicht sehr gut. Auf diesem Weg haben wir einen beträchtlichen Einfluss gewonnen." Doch auf ganzer Linie konnten sich die Erneuerer nicht durchsetzen. "Eine kleine Minorität, die von der Kurie gekommen ist und alle Schliche gekannt hat, hat Widerstand geleistet", sagt der Wiener Weihbischof i. R. Helmut Krätzl im Presse-Interview. Herausgekommen seien geglättete Texte, die beiden Seiten "Interpretationsspielräume eröffneten, was bis heute weiterwirkt und Gegenstand von Auseinandersetzungen ist", so Krätzl, der Konzilsstenograf war.

Neuerungen

Die wichtigsten Neuerungen waren:

Liturgie Seit dem Zweiten Vatikanum liest der Priester die Messe nicht mehr mit dem Rücken zum Volk. Und er spricht in der jeweiligen Landessprache, nicht mehr Lateinisch.

Kirchenverständnis Die Kirche wird als Gemeinschaft der Gläubigen definiert, die Laien erhalten mehr Bedeutung.

Ökumene Die Öffnung zu Protestanten und Orthodoxen kommt in Gang. Nicht christliche Religionen Juden werden nicht mehr als "Christusmörder" bezeichnet, mit ihnen wie mit den Muslimen startet ein Dialog.

Religionsfreiheit Jedem Menschen wird das Recht zugesprochen, seine Religion frei zu wählen.

Kirche und die Welt In diesem Kontext erlangen soziale und politische Fragen an Bedeutung: Rüstung, Umwelt, Gewaltherrschaft.

Neuer Rom-Zentralismus

Doch die große Aufbruchsstimmung mit vielen positiven Impulsen ging bald verloren. Konservative Kirchenkreise versuchten – teils sehr erfolgreich – das Rad der Zeit wieder zurückzudrehen. Im langen Pontifikat von Johannes Paul II. (1978–2005) wurden der Primat des Papstes und der römische Zentralismus wieder forciert, progressive Strömungen wie die Befreiungstheologie wurden an den Rand gedrängt. Der Spiritus Rektor dafür war der damalige Präfekt der Glaubenskongregation: Der vom Reformer zum Bewahrer mutierte Joseph Ratzinger.

Stichwort: Ökumenisches Konzil

Ziel Konzile dienen der Klärung von Glaubens- und Sittenfragen und zur Festlegung der Doktrin.

Anzahl Das Apostelkonzil war das Erste – im Jahr 48/49 n. Chr. Das erste ökumenische Konzil (die Gesamtkirche betreffend) fand 325 in Nizäa statt. Es folgten 20 weitere.

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