Wo sind Leitfiguren?

Martina Salomon
Vaclav Havel war ein Held, wir haben „Staatskünstler“. Das ist nicht nur schlecht.

Vaclav Havel ist tot. Der intellektuelle Revolutionär unterschied sich radikal von anderen Politikern. Er ließ sich durch Inhaftierung nicht brechen und wurde zur strahlenden Leitfigur gegen den Kommunismus. Eine ähnliche Ausnahmeerscheinung ist derzeit der chinesische Künstler Ai Weiwei, der allen Schikanen trotzt und damit auf weltweite Resonanz stößt (nachzulesen im großen KURIER-Interview, Sonntags-Ausgabe) . In Russland hat Putins glänzende Fassade Kratzer bekommen, erstmals ist öffentliches Aufmucken spürbar. Und siehe da: Der Kaiser ist nackt! Doch eine charismatische Identifikationsfigur haben die Putin-Gegner (noch) nicht.

Im westlichen Europa ist Widerstand leichter und schwerer zugleich: Wer die europäische Finanz- und Politik-Elite kritisiert, repräsentiert den Mainstream. Man wird damit sogar zum „Staatskünstler“. Die Ironie, die im Titel des ORF -Kabarettprogramms mitschwingt, ist in Wahrheit keine. Österreichs Autoren wanderten zeitweise ohnehin lieber nach Irland aus. Aber nicht aus Protest, sondern weil es dort Steuerprivilegien für Dichter gibt. Sehen wir es adventlich milde: Das Fehlen starker Figuren kann auch ein positives Zeichen für die Verfasstheit eines Staates sein. Offensichtlich geht’s uns (noch) gut.

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