Wiedergewonnene Kraft und alte Feindbilder
Ist sie zu zaudernd gewesen, zu blass, zu fad? Ja sicher. Immer wieder. Aber letzten Endes hat sich Angela Merkel mit einer Zähigkeit in der Eurozone durchgesetzt, die andere, "buntere" Politiker blass aussehen ließ. Keine Frage, Deutschland hat in der Eurokrise wieder die Führungsrolle in Europa errungen. Was durchaus nicht der Ironie entbehrt: Schließlich wurde die gemeinsame Währung seinerzeit auch eingeführt, um eine Dominanz der D-Mark (und damit Deutschlands) zu verhindern. Das war die Bedingung für ein Ja der EU zur Wiedervereinigung Deutschlands. Hugo Portisch erinnert in seinem neuen Buch ("Was jetzt") daran.
Schon damals meinten Skeptiker, das würde nur funktionieren, wenn gleichzeitig eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik verwirklicht würde. Bei dieser Diskussion sind wir nun also wieder angelangt - mit dem interessanten Unterschied, dass die Briten in Europa mittlerweile weniger mitreden (dürfen).
Und welche Rolle spielt Österreich? Keine. Es genügte schon, würde die Regierung zumindest daheim ihre Hausaufgaben machen. Dazu zählt nicht nur Schuldenabbau, sondern auch, sich nicht mit hetzerischen, europafeindlichen Medien ins Bett zu legen. Sollten diese nicht auch einmal bei Portisch nachschlagen? Denn Österreich war selbst mehrfach pleite. Nach dem Staatsbankrott 1922 half der Völkerbund, entmündigte aber praktisch die heimische Politik und erzwang brutale Sparmaßnahmen, was zu einer Rezession führte. Österreich zahlte die allerletzten Schulden erst 1980 zurück.
Österreich ist sozial gerecht
Heute ist Österreich weit von einer Pleite entfernt, hat aber Leichen im Keller, die längerfristig das Triple A gefährden können: (versteckte) Staatsschulden, irrwitzig hohen Verwaltungsaufwand, zu viele Pragmatisierungen, zu starke Pensionierungsanreize und vergleichsweise hohe Kosten bei nur mäßigen Ergebnissen des Bildungswesens. Wir stehen nicht so gut da, dass wir andere an den Pranger stellen könnten. Nur beim Thema "Gerechtigkeit" - Lieblingsforderung der Sozialdemokraten, vom Bundespräsidenten abwärts - brauchen wir uns nichts vorwerfen lassen: Eine neue OECD-Studie bescheinigt Österreich den 13. Platz von 31 Ländern.
Dennoch ist Klassenkampf nicht nur hierzulande groß in Mode, speziell Banken sind zum Feindbild geworden - auch das hatten wir in der Geschichte schon. Jetzt werden sie zur Kasse gebeten und an die Kandare genommen. Jene Naiven, die noch weiter gehen und Banken bestraft sehen wollen, übersehen, dass davon auch Millionen Bürger direkt betroffen sind, etwa durch Pensionsfonds und Abfertigungskassen, im Falle eines Bankrotts mit ihren Spareinlagen. Die Banken, das sind letztlich wir alle - und keine fernen bösen Mächte.
"Ich bin ganz zufrieden", sagte Merkel nach dem EU-Gipfel in unglaublicher Untertreibung. Deutschland hat sich seine Macht zurückerarbeitet. Aber im friedlich geeinten Europa stellt das keine Bedrohung mehr dar. Auch das wird bei allem EU-Frust gerne vergessen.
Kommentare