Wie viel Behinderung darf sein?

Rauchergesetz und Rettungsgasse: Beides Mist!
Salomonisch - die Kolumne von Martina Salomon, stellvertretende KURIER-Chefredakteurin

Was würden Sie tun, wenn Sie erfahren, dass Ihr ungeborenes Kind Trisomie 21 (Downsyndrom) hat? Schon ein "normales" Kind stellt das Leben der Eltern auf den Kopf. Umso mehr ein behindertes. Eine schreckliche Entscheidung.

Demnächst kommt ein einfacher Blut-Test (statt der für den Embryo nicht ganz ungefährlichen Fruchtwasseruntersuchung) auf den Markt, der erstmals ein Massen-Screening ermöglicht.

Das wirft extrem schwierige Fragen auf: Soll die Krankenkasse dieses Verfahren für alle zahlen – auch dann, wenn keine Risiken (etwa höheres Alter der Mutter) vorliegen? Wird das den Druck auf Familien erhöhen, solches Leben auszumerzen? Steht, wer so ein Kind bekommt, später am öffentlichen Pranger, weil das ja vermeidbar gewesen wäre? Und ist es nicht eine Art vorgeburtlicher Euthanasie? Ja, natürlich ist es das.

Beim Thema Behinderung sind wir eine extrem zwiespältige Gesellschaft: Einerseits geschieht sehr viel, um Behinderte zu integrieren. Wenn das heimische Bildungswesen irgendwo vorbildlich ist, dann hier (wobei die Tendenz, die Sonderschulen völlig abzuschaffen, in Wahrheit zu weit geht und auch nicht immer im Sinne der Betroffenen ist). Andererseits ermöglicht/erzwingt die pränatale Diagnostik frühzeitige Entscheidungen über medizinisch begründbare Abtreibungen.

Gott sei Dank empfindet es niemand mehr so wie früher als "Schande", ein behindertes Kind zu haben. Gerade in letzter Zeit treten Menschen mit Downsyndrom verstärkt an die Öffentlichkeit – etwa in aktuellen Filmen. Oder als Erfolgsstory, weil sie stolzer Restaurantbesitzer, manchmal sogar Uni-Absolventin sind. Sind sie krank, behindert – oder nur anders?

Faktum ist, dass es verschiedene – schwere und leichtere – Ausformungen des Gen-Defekts gibt. Die Betroffenen selbst fühlen sich nicht krank, haben eine fast normale Lebenserwartung. Trotzdem passen sie scheinbar nicht in unsere Hochgeschwindigkeitsgesellschaft, die am liebsten alle über einen Kamm schert.

Natürlich erfordert ein Kind mit Trisomie 21 noch viel mehr (lebenslange) Aufmerksamkeit, Liebe, Kraft und Geld als ein anderes. Sehr oft beeinträchtigt es auch das Leben seiner Geschwister.

Maßen wir uns also kein Urteil an. Der Test wird kommen – und jede Frau soll individuell entscheiden, ob sie ihn machen will und was dann ihre Konsequenz im Falle des Falles wäre. Verständnis verdienen alle: Die, die sich gegen und die, die sich für ein Kind mit Behinderung entscheiden. Gleichzeitig müssen wir weiterhin daran arbeiten, Behinderte als normalen Teil der Gesellschaft zu betrachten. Da ist nämlich trotz aller Fortschritte noch viel zu tun.

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