Wer sind die Sikhs?

In Österreich leben knapp 3000 Sikhs. Ihr Glaube verbindet Teile des Islam und Hinduismus.

Wenn es um die indische Religionsgemeinschaft der Sikhs geht, fällt den meisten Menschen zunächst der Turban ein. Die Männer nehmen ihre charakteristische Kopfbedeckung nämlich nie ab, was immer wieder zu Problemen führt - etwa bei Passfotos, der Helmpflicht oder dem für einige Staatsbedienstete erforderlichen Tragen von "Amtskapperln".

Weltweit gibt es 20 Millionen Anhänger dieser monotheistischen Glaubensrichtung. In Österreich leben laut der jüngsten Volkszählung 2794 Sikhs, die Hälfte davon sind österreichische Staatsbürger. Erst im Vorjahr hatten die österreichischen Sikhs Kritik an der "mangelnden Religionsfreiheit" hierzulande geübt. So werde ihnen von den Behörden das Tragen von typischen Eigennamen wie auch das Tragen ihrer religiösen Symbole verweigert. Es gab auch Berichte über Sikhs, die in Wien als Busfahrer arbeiten wollten, dafür aber zugunsten einer Amtskappe auf das Tragen ihres Turbans hätten verzichten müssen. Inzwischen haben die Wiener Linien aber neue Bestimmungen. Auch das Bundesheer erlaubt inzwischen Turban und ungeschnittenes Kopf- und Barthaar.

"Reines" Leben führen

Die Religion wurde vor einem halben Jahrtausend von ihrem ersten Guru ("Meister") Nanak gestiftet, der Hinduismus und Islam verbinden wollte. "Nam Dan Isnan" lautete seine Formel - die Sikhs ("Jünger") sollen Gottes Namen ehren, Almosen geben und ein "reines" Leben führen.

Mit dem Hinduismus haben die Sikhs mehr gemeinsam als mit dem Islam, sie glauben nämlich an die Wiedergeburt. Allerdings werden nur "schlechte" Menschen viele Male als Tiere wieder geborgen - gute Menschen gehen gleich nach dem Tod zu Gott. Zugleich ist das Streben nach Wohlstand für die Gemeinschaft Teil ihrer Lehre - Sikhs gelten als geschäftstüchtig und als Menschen, die bereit sind, zu teilen. So betreiben die Sikhs auch in Wien, Salzburg und Klagenfurt "Gurdwaras", eigene Häuser, die zu jeder Zeit allen Menschen zu Verköstigung und Aufenthalt offenstehen. Auch Ehe und Familie nehmen für die Sikhs einen wichtigen Stellenwert im Leben ein, Frauen gelten als gleichberechtigt. Alle Männer bzw. alle Frauen haben als Ausdruck der Geschwisterlichkeit im Glauben den gleichen Namen - die Männer "Singh" (Löwe), die Frauen "Kaur" (Prinzessin). Viele führen aber noch einen zusätzlichen Nachnamen, der die Kaste oder den Beruf bezeichnet.

"Kämpfen heute gegeneinander"

Viele Sikhs beklagen, dass die einstige Solidarität der Glaubensgenossen mittlerweile dahin ist. "Vor 300 Jahren kämpften die Sikhs gegen die Moguln, vor 200 Jahren gegen die Briten, heute kämpfen sie gegeneinander", beklagte der Historiker Patwant Singh im Gespräch mit der deutschen Presseagentur dpa. Als etwa in den 1980er Jahren militante Sikhs im indischen Bundesstaat Punjab für ein unabhängiges "Khalistan" kämpften, wurde der Aufstand vom dortigen Polizeichef, einem bekennenden Sikh, mit harter Hand niedergeschlagen.

Die damalige Regierungschefin Indira Gandhi ließ damals auch das Heiligtum der Sikhs, den Goldenen Tempel von Amritsar, stürmen. Im Oktober 1984 wurde sie deswegen von einem ihrer Sikh-Leibwächter ermordet. Daraufhin wurden tausende Sikhs in regelrechten Pogromen umgebracht. Mittlerweile hat sich das Verhältnis zwischen der Regierung und der Glaubensgemeinschaft aber wieder merklich entspannt, stellt sie doch seit 2004 mit Manmohan Singh - einem Politiker von Gandhis Kongresspartei - den Regierungschef des Landes. Dabei stellen die Sikhs mit 20 Millionen Menschen nur zwei Prozent der indischen Bevölkerung, dazu kommen rund fünf Millionen im Ausland lebende Sikhs.

Turban

Der Turban ist erst seit 300 Jahren ein unabdingliches Requisit für jeden männlichen Sikh. Weil die Anhänger der Religionsgemeinschaft damals von den Hindus verfolgt wurden, gründete Gobind, der letzte Guru, im Jahr 1699 die "Gemeinschaft der Reinen" (Khalsa). Seitdem tragen alle Männer den Namen Singh ("Löwe") und müssen die fünf "K"-Regeln befolgen. Als Zeichen der Heiligkeit lassen sie ihre Haare wachsen (Kesh) und stecken sie unter den Turban. In der indischen Armee dürfen sie den Turban statt der Soldaten-Mütze tragen, und von der Helmpflicht auf dem Motorrad sind sie befreit. Für ihr Haar haben sie einen Kamm (Kangha) bei sich. Mit dem Säbel (Kirpan) sollen sie Schwache verteidigen. Um dabei beweglicher zu sein, müssen sie Hosen (Kuccha) tragen. Und ein Armband (Kara) aus Eisen soll ihre Entschlossenheit ausdrücken.

Neben dem Turban sorgt vor allem der Krummsäbel immer wieder für Aufsehen, etwa bei Sicherheitskontrollen auf Flughäfen. Deswegen tragen heutzutage viele Sikhs nur noch einen Kirpan in symbolischer Größe. Die etwa 2000 Sikhs im britischen Polizeidienst haben indes andere Probleme: Kürzlich forderten sie das Londoner Innenministerium auf, ihnen kugelsichere Turbane zur Verfügung zu stellen.

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