"Wer EU infrage stellt, kann nicht regieren"

"Wer EU infrage stellt, kann nicht regieren"
Vizekanzler Michael Spindelegger grenzt ÖVP hart von der FPÖ ab: Das Verhältnis sei wegen Europa wie "Tag und Nacht".

KURIER: Herr Vizekanzler, jede Woche tauchen in der EU-Politik neue Kürzel und Begriffe auf – EFSF, ESM, Eurobonds, Projektbonds, etc. Man kann niemandem verdenken, sich nicht mehr auszukennen. Stimmt es, dass Sie an einer Informationsoffensive arbeiten, die wie vor dem EU-Beitritt von einer breiten Plattform aus Sozialpartnern, Regierung, Wirtschaft etc. getragen wird?

Michael Spindelegger: Ich möchte das gerne, ja. Die Gespräche dazu sind im Gang. Ich halte das für dringend notwendig, weil man jetzt, wo ein neues Zeitalter für Europa beginnt, wieder alle miteinbeziehen muss. Vor der Krise hat man gesagt, Europa-Politik interessiert mich nicht, das liegt nicht in meinem Lebenserfahrungshorizont. Das hat sich geändert, die Bürger sehen genau, dass von der Stabilität des Euro ihr Geld im wahrsten Sinn des Wortes abhängt. Daher gibt es eine starke Aufmerksamkeit für Europa-Politik, der man nachkommen muss.

Was sich rund um die Euro-Krise abspielt, ist ja nicht gerade populär. Bald beginnt der Nationalratswahlkampf. Wie werden Sie mit dem Thema umgehen? Werden Sie die EU aus Sorge vor Stimmenverlusten verstecken?

Ganz im Gegenteil, ich werde die Zukunft Europas in den Blickpunkt stellen, weil wir vor einer Weichenstellung stehen: Wenn die Bürger kein Vertrauen haben in die Politik und zu Europa, wird aus dem ganzen Projekt nichts. Europa wird ein entscheidendes Thema im Wahlkampf, bei dem sich durchaus Meinungen mit den anderen Parteien spießen werden.

Interessant – inwiefern wird es sich mit Ihrem Koalitionspartner SPÖ spießen?

Die Art des Haushaltens ist in dem ÖVP-Entwurf für Europa ein entscheidendes Element. Wie für jeden heimischen Unternehmer muss auch für Europa die Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns gelten. Man kann nicht alles auf Schuldenpolitik aufbauen, das hat schon national nicht funktioniert. Dieser Grundsatz des ordentlichen Kaufmanns muss für einen künftigen EU-Finanzminister gelten.

Bei den letzten EU-Abstimmungen im Parlament hat sich gezeigt: Die Parteienlandschaft teilt sich in ein pro- und in ein anti-europäisches Lager. Was bedeutet das für das Verhältnis zwischen ÖVP und FPÖ?

Es ist wie Tag und Nacht. Die FPÖ gaukelt den Bürgern vor, Österreich könne raus aus Europa und raus aus dem Euro, und dennoch seinen gewohnten Wohlstand erhalten. Das ist ein Hirngespinst. Mit einer solchen Anti-Europa-Linie gefährdet die FPÖ Österreichs Wohlstand, in dem sehr viele Bürger gut leben.

Muss die FPÖ ihre Europa-Linie ändern, wenn sie regierungsfähig sein will?

Für mich ist ganz klar: Eine Partei, die regierungsfähig sein will, muss sich mit den faktischen Gegebenheiten in Europa in einer redlichen Form auseinander setzen anstatt die Bürger am Schmäh zu halten. Wer seriöse Politik für Österreich machen und regieren will, darf das europäische Projekt nicht infrage stellen. Ein Austritt aus der Währungsunion würde den Verlust vieler Arbeitsplätze in Österreich bedeuten.

Wolfgang Schüssel sagte stets zur FPÖ: Das Herzstück Europa darf nicht in Frage stehen. Gilt dieser Kooperations-Grundsatz noch?

Der gilt noch.

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