Wenn es in Dallas geregnet hätte

Wetter schreibt Weltgeschichte: Der Einfluss des Klimas auf Kriege, Katastrophen, Attentate und andere historische Ereignisse ist gewaltig.

Wir erleben einen Sommer, der keiner ist. Das Wetter beeinflusst unsere Laune, unsere Gesundheit, unser Leben. Und mitunter auch den Lauf der Weltgeschichte.

Besonders dramatisch wirkten sich die Witterungsverhältnisse vom 22. November 1963 aus, an dem John F. Kennedy ermordet wurde. Während es am Morgen in Dallas/Texas regnerisch war und die Temperaturen um neun Grad Celsius lagen, zeigte sich am späteren Vormittag die Sonne und die Luft erwärmte sich auf 20 Grad. Aus diesem Grund wurde die Entscheidung getroffen, den US-Präsidenten im offenen Wagen statt in einer gepanzerten Limousine durch die Stadt zu fahren. Hätte es um 12.30 Uhr noch geregnet - Kennedy hätte vermutlich überlebt.

Kriege

"Kriege wurden gewonnen und verloren, weil sich das Wetter anders verhielt, als die Feldherren dachten", erklärt der Wiener Klimaforscher Ernest Rudel, der sich auch mit "historischen Wetterlagen" befasst. So sind Napoleon und Hitler unter anderem daran gescheitert, dass sie den russischen Winter unterschätzten.

Dass die Altstadt von Venedig in ihrer Einzigartigkeit erhalten ist, verdanken wir dem Wetter: Während österreichische Truppen im Sommer 1849 unter der Führung des Feldmarschalls Radetzky die Lagunenstadt in der ersten Luftschlacht der Weltgeschichte aus Heißluftballons beschossen, drehte sich der Wind dermaßen, dass die Brand- und Sprengbomben über dem Meer explodierten und Venedig verschont blieb.

Gewitterstürme

Kriege und strategische Überlegungen waren es auch, die zur Gründung der ersten meteorologischen Stationen führten: Als im Krimkrieg des Jahres 1853 mehrere Schiffe der alliierten Mächte in Gewitterstürmen versanken, wurden nationale Wetterdienste ins Leben gerufen, um bei künftigen Schlachten das Wetter besser abschätzen zu können. Nur die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien war bereits zwei Jahre davor gegründet worden.

Es kommt sogar vor, dass Meteorologen die Geschichte umschreiben. Wenn Ernest Rudel von der Zentralanstalt auf der Hohen Warte in Mozart-Biografien liest, dass sich zur Beerdigung des Genies am 7. Dezember 1791 nur wenige Menschen eingefunden hätten, da an diesem Tag ein Schneesturm wütete, "dann muss man das anzweifeln. Unsere Aufzeichnungen reichen bis ins Jahr 1775 zurück, und wir entnehmen ihnen, dass Mozart an einem eher milden, trockenen Tag beerdigt wurde." Zum "Unwetter" kam es wohl, weil es den Wienern später peinlich war, dass man Mozarts Größe nicht erkannt und er deshalb keine "schöne Leich" hatte.

Flutwelle

Der Einfluss des Wetters auf die Weltgeschichte geht Jahrtausende zurück. So wissen wir heute, dass die Israeliten um 1250 v. Chr. den Ägyptern entkamen, weil sie durch das ausgetrocknete Rote Meer wateten, während beim Eintreffen der Verfolger bereits eine Flutwelle eingetreten war. Weiters vermutet man, dass der Zusammenbruch des Römischen Reichs durch eine Völkerwanderung hervorgerufen wurde, die als Folge einer Klimaverschlechterung stattfand.

Titanic

So manche Katastrophe, die sich vor 100 Jahren ereignete, wäre mithilfe der modernen Meteorologie vermeidbar. Als die "Titanic" am 14. April 1912 einen 150 km langen Eisberg rammte, waren 1500 Opfer zu beklagen. Ein derartiges Unglück, meint Dr. Rudel, "wäre heute undenkbar, da die Weltmeere ständig von internationalen Wetterdiensten beobachtet werden, die die Reedereien über Satellit vor einer solchen Gefahr warnen würden."

Aber natürlich haben klimatische Kapriolen auch in unseren Tage schwerwiegende Folgen: Das traf im Besonderen auf die Wetterlage vom 26. April 1986 zu, an dem im Atomkraftwerk Tschernobyl ein Reaktorblock explodierte. Während die Strömung des Windes meist von West nach Ost geht, war es ausgerechnet an diesem Tag und an den Tagen danach umgekehrt. So gelangten die hochgiftigen verstrahlten Teilchen zu uns.

Norwegen & Japan

Mehrmals zeigte das Wetter auch heuer schon dramatische Auswirkungen: Wäre es am 22. Juli in Norwegen um drei, vier Grad wärmer gewesen, hätten es mehr Jugendliche geschafft, von der Insel Utøya zum Festland zu schwimmen, als der Attentäter Anders Behring Breivik wild um sich schoss. Bei einer Wassertemperatur von rund zehn Grad hatten viele keine Chance, die große Distanz zu überleben.

In einem anderen aktuellen Fall verhinderte das Wetter hingegen noch Schlimmeres: Hätte sich der Wind nach der Atomkatastrophe von Fukushima in Richtung Südwest gedreht, wären die Folgen für Tokio unabsehbar gewesen, weil die radioaktiv verseuchten Wolken dann die Millionenmetropole erreicht hätten - so aber wurden sie über das Meer hinausgetrieben.

Extreme Wettersituationen führen immer wieder zu Flut-, Brand-, Dürre- und Hungerkatastrophen. Wie derzeit auch in Ostafrika.

So gesehen sollten wir uns über einen Sommer, der keiner ist, nicht allzu sehr aufregen.

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