Weniger Abschiebungen nach Ungarn
Flüchtlinge, die illegal nach Österreich gekommen sind, dürfen nicht mehr in die Nachbarstaaten zurückgeschoben werden – soferne die Behörden nachweisen können, dass sie über Griechenland in die EU gekommen sind. Ein diesbezügliches Urteil des Verfassungsgerichtshofes führt zu Ratlosigkeit im Innenministerium – und zu Monaten der Ungewissheit bei den Flüchtlingen.
Betroffen ist die Hauptroute der Schlepper über Ungarn. Es hat aber nichts mit der Menschenrechtssituation in Ungarn zu tun, sondern mit der Geografie. In der Dublin-II-Verordnung ist nämlich festgelegt, dass das Ersteinreiseland für den jeweiligen Flüchtling zuständig ist. Das gilt aber nicht für Griechenland. Wegen der gravierenden humanitären Probleme bei der Flüchtlingsbetreuung dürfen Menschen dorthin nicht mehr abgeschoben werden.
Aus Griechenland kommen aber derzeit die meisten Flüchtlinge. Viele von ihnen reisen dann über Ungarn und in kleinerer Zahl über Slowenien nach Österreich. Dabei verlassen sie aber am Weg über Mazedonien und Serbien wieder die EU. Daraus folgte die bisherige Rechtspraxis, dass Österreich nun Ungarn als Ersteinreiseland definiert hat. Vergangenes Jahr wurden daher 150 Menschen nach Ungarn abgeschoben.
EuGH-Prüfung
Der Verfassungsgerichtshof hat diese Praxis nun gestoppt. Er anerkennt den kleinen Umweg über die Nicht-EU-Länder nicht als Ausreise und fordert eine Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof. Und das kann dauern. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofes wurde erst Donnerstagabend bekannt. Seither gibt es hektische Beratungen im Innenministerium. Denn Verfahren vor dem EuGH dauern durchschnittlich ein Jahr. Wolfgang Taucher, Chef des Bundesasylamtes, setzt jetzt auf den Vertrag von Lissabon, der Eilverfahren beim EuGH ermöglicht.
Unklare Schicksale
Abschiebungen, so Taucher, werde es weiterhin bei eindeutigen Fällen geben. Etwa jene, die nachweisbar längere Zeit in einem Nachbarland gelebt haben. Das Schicksal jener, die nur durchreisen, ist aber unklar. Müssen die jetzt im Flüchtlingslager Traiskirchen monatelang auf die EuGH-Entscheidung warten? Oder leitet Österreich Asylverfahren ein, obwohl nicht feststeht, wer dafür nun zuständig ist? Bis kommende Woche soll Klarheit geschaffen werden. NGOs wie die Diakonie freut die Entwicklung. So meint etwa Christoph Riedl vom Diakonie-Flüchtlingswesen, dass man nach Ungarn prinzipiell nicht abschieben sollte. Denn dort sei die Menschenrechtssituation für Flüchtlinge mindestens genauso schlimm wie in Griechenland.
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