Warum nun Wulffs Rücktritt nötig war

Warum nun Wulffs Rücktritt nötig war
Seine persönliche Situation begann auch Kanzlerin Merkel zu bedrohen.

Verglichen mit den Maßstäben von früher und anderswo wären Wulffs Affären – nach bisher bekanntem Stand – Petitessen: Der letzte SPD-Vorgänger Johannes Rau nutzte als Landeschef von Nordrhein-Westfalen den Firmenjet „seiner“ Landesbank privat und blieb doch, als es bekannt wurde, Bundespräsident.

Auch im Vergleich zur politischen Hygiene im Rest Europas ist Wulffs Rücktritt die Ausnahme. Die Politik solle sich mehr um die historische EU-Krise kümmern, die Deutschland viel abverlangt, meinte bis gestern die Mehrheit der Deutschen in Umfragen. Und fand doch zugleich, dass Wulffs Rücktritt in der Luft lag.

Den hat nun die formale Aufnahme der Ermittlungen durch die Staatsanwälte ausgelöst: Der Bundespräsident ist der höchste Moralapostel der Nation, undenkbar, dass gegen ihn offiziell ermittelt wird.

Es waren aber die Medien, nicht die Staatsanwälte, die zäh Wulffs Schnorren bei reichen Freunden und deren gefährliche Nähe zu seiner früheren Macht verfolgten. Die Wächter der Demokratie handelten dabei nicht ganz uneigennützig: Die Boulevardpresse agierte, wie zuvor beim Hochschreiben des Glamour-Paares im Schloss Bellevue, auch aus Auflagen-steigernder Sensationsmache. „Wer mit Bild im Lift hochfährt, fährt auch mit Bild nach unten“, so einst der Chef des Springer-Verlags Matthias Döpfner. Und die linken Medien wussten, dass sie mit Wulff auch dessen Patin treffen konnten, die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Dass er dieser Kampagne mit dreisten Vertuschungsversuchen auch noch Vorschub leistete, machte das höchste Amt des Staates zu seiner Geisel.

Wulff bot zuletzt das Bild eines Mannes, dem der Aufstieg aus dem Volk nie schnell genug gehen konnte. Sein Fall ist tief. Und er wäre sogar tragisch, wenn, wie in 70 Prozent aller Anfangsermittlungen, dann doch kein Verfahren daraus entstehen sollte.

 

Große Koalition

Der bereits zweite Präsidenten-Rücktritt der Legislaturperiode hat starke Wirkung auf die Bundespolitik. Wulff und dessen aus banalem Grund zurückgetretener Vorgänger Horst Köhler waren Merkels Kampfkandidaten, eine eigene Mehrheit für einen weiteren ist nun fast aussichtslos. Da liegt ein überparteilicher Nachfolger besonders nahe.

Dafür hat Merkel offenbar schon den Konsens der SPD. Weil der aber ein weiteres starkes Signal für eine Große Koalition nach der Bundestagswahl 2013 wäre, drängen auch die Grünen mit ins Boot. Ohnehin ist das von ihnen erträumte Rot-Grün als nächste Koalition in den Umfragen in weiter Ferne. Die würden derzeit nur eine dritte Regierung Merkel erlauben – mit der SPD.

Das Wochenende wird vielleicht schon zeigen, wer nächstes und diesmal gemeinsames Staatsoberhaupt wird. Und welchen Preis die SPD dafür bekommt.

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