Volksanwältin: "Es darf keine Tabus geben"

Auch Volksanwältin Gertrude Brinek wird als mögliche Karl-Nachfolgerin gehandelt.  
Bürokratie-Abbau: Volksanwältin Gertrude Brinek ist ständig mit Auswüchsen der Verwaltung konfrontiert – Sparansichten einer Insiderin.

Rund 16.000 Menschen wenden sich pro Jahr an die Volksanwaltschaft. Sie alle haben in irgend einer Form ein Problem mit der Bürokratie. Da haben sie etwas gemeinsam mit der Regierung, die vor allem mit der Finanzierung des Systems ihre liebe Not hat. Im Zuge der Sparpakets-Verhandlungen steht deshalb einmal mehr das Thema Bürokratieabbau und Verwaltungsreform am Programm.Viele Ideen der Regierung dazu sind noch nicht bekannt, außer dem Aufnahmestopp für den Öffentlichen Dienst. Für Volksanwältin Gertrude Brinek ist das nicht die ideale Lösung. Ein Aufnahmestopp nach der Rasenmähermethode könne zu Engpässen in einzelnen Bereichen führen, was wiederum die Bürger zu spüren bekommen könnten.

Dienstgeber

Bund Im Gespräch mit dem KURIER schlägt die Volksanwältin eine umfassende Dienstrechtsreform vor. Im Staatsdienst solle es künftig zumindest für bestimmte Aufgaben nur noch eine einzige Dienststelle geben, wo die Mitarbeiter nicht einem bestimmten Ministerium zugeordnet sind. "Wenn ich im Innenministerium einen EDV-Experten brauche, muss ich jemanden einstellen, oder jemanden dazu ausbilden. Gleichzeitig kann es sein, dass im Verteidigungsministerium ein solcher Experte nicht gebraucht wird und andere Aufgaben erledigen muss." Um das unflexible Dienstrecht zu umgehen, würden die Ämter Leistungen häufig teuer extern zukaufen. Das wäre durch die neue "Dienststelle Bund" nicht mehr nötig, meint die Volksanwältin.

Ihr schwebt eine "Pool-Lösung" vor. Bestimmte Aufgaben sollen für mehrere Ministerien zentral erledigt werden, wie Personalverwaltung, EDV oder Haushaltsverrechnung. Was heute nur in Ausnahmefällen möglich ist, müsste zur Regel werden. Brinek ärgert sich auch über so manche Vorteile für Staatsdiener, die ihrer Meinung nach die Arbeit in der Verwaltung erschweren. So können sich Bundesbedienstete bis zu zehn Jahre karenzieren lassen. Die Karenz-Vertretung darf die Tätigkeit des Karenzierten aber maximal fünf Jahre lang ausüben. Dann muss wieder jemand eingeschult werden.

Aufgabenreform

Das Hauptziel der Verwaltungsreform müsse die Aufgabenreform sein. Dennoch ortet sie auch Sparpotenzial: " Da ist schon was drinnen", sagt die Volksanwältin. Sie fragt sich, ob sich der Öffentliche Dienst noch diverse Extras leisten kann: Etwa geschenkte Fenstertage, zum Teil freie Karfreitage und Landesfeiertage, Ski- oder Kulturausflüge, Hitzefrei usw.

Brinek ist in der Volksanwaltschaft unter anderem für Finanz- und Justizverwaltung zuständig. Sparmaßnahmen in diesem Bereich hält sie für möglich. Das gilt auch für die angekündigte Zusammenlegung von Bezirksgerichten. Die Argumente, damit würde der ländliche Raum weiter geschwächt und Arbeitsplätze in der Region würden verloren gehen, lässt sie nicht gelten: "Gerichte sind nicht zur Regionalförderung da. Da darf es keine Tabus geben."

Föderalismus

Ihre liebe Not hat Brinek auch mit dem zu ausgeprägten Föderalismus. Als Beispiel nennt sie das Baurecht: Es gibt nicht nur neun unterschiedliche Raumordnungen und Bauordnungen der Länder, dazu existieren noch zahlreiche "Nebengesetze", wie Aufzugsgesetze, Garagengesetze, Kanalgesetze. In der Praxis bedeute dies, dass Unternehmen, die im Umland von Wien tätig sind, mit den Regelungen von zumindest drei Bundesländern vertraut sein müssten. Die unterschiedliche Rechtslage stellt auch die Konsumenten immer wieder vor große Probleme.

In welch schwierige Situationen Menschen durch die Verwaltung oft kommen können, zeigt sie in ihrem neuen Buch "Vom wahren Leben im Rechtsstaat" auf, das Mitte Februar im Styria-Verlag erscheint. Brinek, die am Samstag ihren 60. Geburtstag feierte, ist seit dreieinhalb Jahren Volksanwältin und gibt in dem Buch vor allem ihre persönlichen Erfahrungen wieder. Ihr Resümee: "Das wahre Leben im Rechtsstaat ist ein anderes, als es sich der Rechtsstaat vorstellt."

Volksanwälte: Beistand für die Bürger

Institution Die Volksanwaltschaft kontrolliert seit fast 35 Jahren die öffentliche Verwaltung. Rund 16.000 Personen wenden sich jährlich an die Volksanwälte Gertrude Brinek, Terezija Stoisits und Peter Kostelka. Sie prüfen, ob behördliche Entscheidungen den Gesetzen entsprechen.

Vorsitzende Bis Juli 2012 ist Gertrude Brinek turnusmäßig Vorsitzende der Volksanwaltschaft. Sie ist zuständig für die Finanz- und Justizverwaltung, die Landes- und Gemeindeverwaltung sowie für kommunale Angelegenheiten wie Raumordnung und Baurecht.

Buch "Vom wahren Leben im Rechtsstaat – Aufzeichnungen einer Volksanwältin", Styria Verlag, 336 Seiten, 24,99 Euro, erhältlich ab Mitte Februar.

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