"Spreche nicht jedem in der SPÖ aus dem Herzen"

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ)
Am Nationalfeiertag gab es für den Verteidigungsminster "Bravo"-Rufe am Heldenplatz. In den Medien wird er hingegen als "Kerns rechte Faust" bezeichnet. Wie Doskozil mit Anfeindungen in der SPÖ umgeht, und wie er die holprige Koalitionsarbeit beurteilt.

KURIER: Herr Minister Doskozil, mit welchem Bundespräsidenten wollen Sie nächstes Jahr die Ehrenformation abschreiten?

Hans Peter Doskozil: Ich war am Freitag zu Arbeitsgesprächen in Berlin. Man spürt in den deutschen Regierungskreisen eine hohe Sensibilität für den Ausgang der Bundespräsidentenwahl. Bei jedem Termin wurde ich angesprochen, wie ich die Situation einschätze. Aber da halte ich es wie mit dem Wahlgeheimnis, dass ich keine Präferenz äußern werde. Wer auch immer der beiden Kandidaten Bundespräsident wird, ich muss als Verteidigungsminister mit jedem gewählten Bundespräsidenten entsprechend zusammenarbeiten, da er der Oberbefehlshaber ist. Daher werde ich keine Wahlempfehlung abgeben.

Sie wollen für die Soldaten der Zweiten Republik, die im Dienst gestorben sind, ein Denkmal am Heldenplatz erreichten. Es soll eine Million Euro kosten. Muss das so teuer sein?

Das Denkmal soll etwa 250.000 Euro kosten. Es geht um ein wichtiges Zeichen des Dankes und der Anerkennung für die Leistungen der Soldatinnen und Soldaten unseres Bundesheeres. Dazu stehe ich.

Die SPÖ kritisierte die Aussage von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, dass ein Bürgerkrieg wahrscheinlich ist, sehr scharf. Im Ministerratsbeschluss für das neue Sicherheitspaket steht allerdings folgende Einschätzung: "Terrorismus in Verbindung mit Migration gefährdet zunehmend den nationalen Frieden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt." Ist das nicht nur eine sanftere Ausdrucksform dafür, dass sich Österreich auf soziale Unruhen vorbereitet?

Da muss man schon die Kirche im Dorf lassen. Wer hätte sich vor zwei Jahren all diese Entwicklungen gedacht? Der Terror ist in Europa ein Faktor geworden, dazu kam die Migrationskrise. Die Bürger wollen, dass wir auf gewisse Szenarien vorbereitet sind und sie wollen auch, dass das Sicherheitsniveau im Land steigt. Das hat aber noch lange noch nichts damit zu tun, dass man überspitzt formuliert und das Wort Bürgerkrieg in den Mund nimmt. Mit einer derartigen Wortwahl verunsichert man die Menschen.

Auch die Grünen kritisieren, dass das Verteidigungsministerium mit den zusätzlichen 1,7 Milliarden im Budget auch Crowd-Control-Waffen (zur Überwachung von Menschenansammlungen, Anm.) kauft, und damit das Bundesheer zur schweren Polizei umbauen will.

Auch wenn uns Peter Pilz immer in diese Ecke drängen will. Wir bereiten uns in keinster Weise darauf vor, dass wir künftig im Inland bei der Überwachung von unfriedlichen Menschenansammlungen oder Eindämmung von Krawallen mitmachen. Das ist ein Kernbereich der Exekutive. Crowd Control ist eine Tätigkeit, die wir schon seit vielen Jahren bei den Auslandseinsätzen bedienen.

90 Prozent der negativen Asylbescheide werden nicht exekutiert, behaupten Sie. Der Gerichtshof für Menschenrechte hat die Rückschiebung einer Familie mit einer schwangeren Frau von Österreich nach Kroatien gestoppt. Die Diakonie spricht von einer richtungsweisenden Entscheidung. Wenn man nicht einmal nach Kroatien zurückschieben kann, wie soll das System jemals funktionieren?

Das Dublin-Thema müssen wir wahrscheinlich sowieso ganz neu überdenken. Dieses System war von Anfang an ein Denkfehler und hat nur deswegen funktioniert, weil die Zahl der Migranten niedrig war. Meinen Fokus habe ich darauf gelegt, wenn kein Asyl gewährt und Rückführungen möglich wären, diese aber trotzdem nicht funktionieren. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man etwa mit Marokko seit über 15 Jahren ein Rückführungsübereinkommen ohne ein Ergebnis verhandeln kann. Es ist bekannt, dass es mit Tunesien kein Abkommen gibt. Das ist in dieser Situation und Dynamik, in der wir uns jetzt befinden, nicht tragbar und duldbar. Europa muss aus dieser Ohnmacht aufwachen.

Aber Rückführungen nach Marokko und Tunesien werden zu wenig sein. In welche Länder wollen Sie noch abschieben?

Das sind Länder wie Algerien, Pakistan, Afghanistan, Somalia, Nigeria.

Afghanistan zählt für Sie wirklich dazu? Erst diese Woche haben in Afghanistan IS-Mitglieder 30 Zivilisten getötet.

In Afghanistan gibt es friedenssichernde Maßnahmen durch die internationale Gemeinschaft. Zusätzlich gibt es auch finanzielle Unterstützungen. Die stabilisierenden Maßnahmen sollten Hand in Hand mit Rückführungen passieren. Das muss auch im Interesse von Afghanistan sein, denn es braucht Menschen, um neue Strukturen im Land aufzubauen.

Sie haben beim SPÖ-Parteitag in Tirol Zweifel geäußert, dass die Koalition bis 2018 hält. Warum glauben Sie, dass wir Herbst 2017 wählen oder sogar noch früher?

Man muss realistisch sein und die Entwicklungen betrachten. Wir erwecken derzeit den Anschein nach außen, dass es innerhalb der Koalition gar nicht gut funktioniert. Natürlich sollten wir auch an den Ergebnissen gemessen werden. Entscheidend wird deshalb sein, was bei den Arbeitsgruppen herauskommt. Aber es ist schon sehr störend, dass es auf dem Weg zu einem Ergebnis immer wieder Zwischenrufe gibt und man sich medial die Extrempositionen ausrichtet. Das ist nicht das, was sich die Bevölkerung unter einer Regierungszusammenarbeit erwartet. Aber ich blicke positiv in die Zukunft und meine, beide Parteien wären gut beraten, aufeinander zuzugehen.

Könnte die Mindestsicherung der Stolperstein werden?

Ich denke, Sozialminister Alois Stöger hat einen entscheidenden Schritt in Richtung ÖVP gemacht, in dem er bereit ist, über eine Deckelung zu diskutieren, und eine Sachleistungskomponente einzuführen.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie es in der Regierung mit einer Oppositionspartei statt mit einem Regierungspartner zu tun haben?

Natürlich gibt es in den verschiedenen Sachthemen harte Diskussionen und da verschwimmt manchmal der Eindruck, ob das nun der Regierungspartner ist oder doch eine Oppositionspartei. Diskussionen sind wichtig, aber dass man sich findet, ist ebenso wichtig. Aber so weit sind wir eben noch nicht. Doch die umfassende Beurteilung sollten wir erst dann fällen, wenn alle Themen abgearbeitet sind.

Sie werden medial als "Kerns rechte Faust" bezeichnet, oder "Christian Kerns Kurz" genannt, weil Ihr Mentor Hans Niessl eine rot-blaue Koalition im Burgenland einging. Wo sehen Sie Ihren Platz in der SPÖ?

Es ist leider so, dass unsere Partei von außen in einen linken und einen rechten Flügel gesplittet wird. Ich habe klare Positionen und einen pragmatischen Zugang zu gewissen Sachthemen. Dass man mit diesem Stil nicht jeden in der SPÖ mitnimmt und nicht jedem aus dem Herzen spricht, ist klar. Aber ich sehe es positiv für die SPÖ, wenn eine breitere Basis existiert. Im Grunde geht es mir bei meiner Politik darum: Wie lösen wir die anstehenden Herausforderungen? Was ist den Menschen wichtig, wenn man in die Bevölkerung hineinhört? Und wie funktioniert die Regierungsarbeit?

Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie eher die Sprache der FPÖ sprechen. Wo ist bei Hans Peter Doskozil die Handschrift der SPÖ zu erkennen?

Sicherheit und Stabilität im Land sind die Grundlage für Wohlstand und sozialen Frieden. Sicherheitspolitik ist daher eine wichtige sozialdemokratische Aufgabe. Mir geht es darum, dass man die Themen, die die Bevölkerung bewegen, aufnimmt und versucht, Lösungen zu bieten. Ein weiterer Fokus ist für mich, dass man sich auf dem Arbeitsmarkt dem Trend zur Privatisierung im Zuge der Globalisierung entgegenstellt. Wenn wir über Flexibilisierung diskutieren oder über Mindestlöhne, dann muss sich die SPÖ ganz stark einbringen.

Werden Sie in der SPÖ angefeindet, weil man Ihnen nachsagt, dass Sie keine Berührungsängste mit der FPÖ haben?

Mit Anfeindungen muss man als Politiker leben. Ich habe damit kein Problem und stelle mich auch gerne kontroversiellen Diskussionen – auch intern. Auch wenn gewisse Themen wie beispielsweise die Obergrenze schwierig sind zu diskutieren. Aber es ist wie überall im Leben: Man kann es nicht allen recht machen.

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