Verbrecherjagd rund um den Globus

Verbrecherjagd rund um den Globus
Seit 2003 nahmen Zielfahnder 125geflüchtete Schwerverbrecher fest. Die Kriminellen werden weltweit aufgestöbert.

Unser Job ist wie ein Schachspiel. Mit dem Unterschied, dass unsere Gegner immer die weißen Figuren haben und vorlegen", so beschreibt Helmut Reinmüller, Chef der Zielfahnder im Bundeskriminalamt (BK) seine Arbeit. Dann folgt ein kurzes Zucken um die Augen des Oberst: "Bis die Täter den falschen Zug machen. In der Regel haben wir sie dann."

125 Schwerkriminelle, von Mördern über Erpresser bis zu Menschen- und Drogenhändlern, hat die kleine Zielfahnder-Einheit seit 2003 für die heimischen Gerichte, eingefangen. Die Einsätze führten rund um den Globus.

Alle fünf Zielfahnder sehen aus wie normale Passagiere im voll besetzten Charterflieger. Hinter den unauffälligen Fassaden steckten jedoch Experten mit ausgeprägtem Jagdinstinkt. Die Männer wollen anonym bleiben und prahlen nicht mit Erlebnissen oder Erfolgen.

Ihre Arbeit ist Lichtjahre vom James-Bond-Image entfernt. Die einzigen Parallelen finden sich im Reisen rund um die Welt und in der 24-Stunden-Erreichbarkeit.

"Haben wir eine Zielperson im Ausland lokalisiert, dürfen die Fahnder, wir sind im Ausland immer zu zweit, keine Waffen tragen. Dafür begleiten uns lokale bewaffnete Kollegen", erzählt Oberst Reinmüller. Darauf ein Kollege: "Ich habe nur ein Mal erlebt, dass ein Gesuchter unbewaffnet war."

Details der Verbrecherjagd dürfen die Beamten nicht verraten. Aber Schwerkriminelle wurden schon in Paraguay oder in den Slums von Brasilien, im entlegenen Tschetschenien und in verarmten Dörfern der Dominikanischen Republik festgenommen.

Korrupter Beamter

Verbrecherjagd rund um den Globus

Ein Fall in der dominikanischen Republik ärgert die Zielfahnder bis heute. "Wir wussten nach sechs Monaten Recherche den Aufenthaltsort des Gesuchten und waren nur noch wenige Kilometer davon entfernt. Trotzdem gelang dem Mann 2006 die Flucht. Der uns zugeteilte korrupte Verbindungsbeamte hatte uns verraten. Das war’s. Wir flogen nach Hause." Sechs Monate später saß der Mörder trotzdem in Österreich hinter Gittern. Beim zweiten Zugriff wurden die Zielfahnder nicht verraten.

Auch Österreichs meistgesuchter Ex-Häftling, Tibor Foco steht seit 2004 auf der Fahndungsliste. 1987 wegen Mordes im Rotlichtmilieu zu lebenslang verurteilt, flüchtete der Oberösterreicher 1995 bei einem Studiengang durch ein Toilettenfenster der Linzer Johannes-Kepler-Universität. Seitdem ist er untergetaucht. Foco bestritt die Tat.

Die jüngsten Erfolge der Zielfahnder sorgten für Anerkennung in der "Branche": So konnte nach einem Jahr Recherche der Donauinsel-Mörder in der tschetschenischen Stadt Urus-Martan lokalisiert und festgenommen werden. Der 27-Jährige erstach einen deutschen Staatsbürger. Und Anfang Oktober wurde der rechtskräftig verurteilte Tiroler Herbert P. (40) in Brasilien aufgespürt und nach Österreich gebracht. Er wurde 2009 wegen krimineller Vereinigung, und Zuhälterei verurteilt, flüchtete aber vor Haftantritt. Auch den Millionenbetrüger Ernst Klimitsch hätten die Fahnder jagen sollen. Der Ex-Juwelier stellte sich aber zu Wochenbeginn.

"Analysieren Flüchtige von ihrer Geburt an"

Aufträge zur weltweiten Verbrecherjagd erhalten die Zielfahnder von der Staatsanwaltschaft. Gesucht werden Verbrecher die zu Haftstrafen von mindestens drei Jahren verurteilt wurden und gegen die ein europäischer oder weltweiter Haftbefehl erlassen wurde.

Observation von Personen aus dem Umfeld des Flüchtigen, aber auch Telefon-, Post- und/oder Mailüberwachung wird von der Staatsanwaltschaft beauftragt. Oberst Reinmüller: "Wir nutzen jede Möglichkeit." Auch technischer Natur. Denn das Internet hilft den Zielfahndern. Mit Kollegen aus anderen Staaten wird ein Fahndungsnetz aufgebaut. Auch bei der Recherche, etwa beim Kontakt mit ausländischen Banken oder Telefonnetzanbietern, ist das Internet unverzichtbar. Zusätzlich müssen die Gerichtsakten Seite für Seite aufgearbeitet werden.

Den Großteil der kriminalistischen Feinarbeit aber machen die Zeit-Weg-Diagramme aus. "Wir analysieren den Flüchtigen. Das beginnt bei der Geburt, führt über Ausbildung, Job, Freunde, Geldgebarung bis hin zu Urlaubszielen und Kommunikation. Wir nennen das systematische Fahndung", erklärt Reinmüller.

17 der 26 EU-Staaten haben bereits eine Fahndungseinheit. Mit Kroatien und Slowenien bestehen Austauschprogramme. Werden in Österreich ausländische Kriminelle gesucht, unterstützen die BK-Fahnder ihre Kollegen. Die längste Jagd dauerte 4,5 Jahre. Eine wichtige Rolle bei der Verbrecherjagd spielen unsere Botschaften und Interpol. 2013 feiert die Zielfahnder-Einheit ihr Zehn-Jahres-Jubiläum.

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