USA: Russland hat moralische Verantwortung für Giftgasangriff

Syrischer Soldat auf einem Beobachtungsposten (Symbolbild)
Die Westmächte wollen nun eine Verurteilung Syriens im UNO-Sicherheitsrat. Laut Russland wurde ein Munitionslager mit chemischen Kampfstoffen getroffen.

Nach dem schweren Giftgasangriff in Syrien erhöhen die USA den Druck auf Russland und den Iran. Die beiden Verbündeten Syriens hätten eine "große moralische Verantwortung" für die Toten, erklärte US-Außenminister Rex Tillerson am Dienstag in Washington.

Die Zahl der Todesopfer ist nach Angaben von Aktivisten auf 72 gestiegen. Wie die "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" am Mittwoch mitteilte, waren unter den Toten in der Stadt Khan Sheikhoun (Chan Scheichun) in der nordwestlichen Provinz Idlib auch 20 Kinder.

Die Westmächte USA, Großbritannien und Frankreich brachten indes einen Resolutionsentwurf zur Verurteilung Syriens im UNO-Sicherheitsrat ein.

"Es ist klar, wie Assad operiert: mit brutaler, unverfrorener Barbarei", betonte Tillerson. Moskau und Teheran sollten ihren Einfluss auf die syrische Führung geltend machen und "garantieren, dass so ein schrecklicher Angriff nie wieder passiert". Tatsächlich lieferte Russland aber in der Nacht auf Mittwoch eine Art Alibi für das syrische Regime. Die syrische Luftwaffe habe in Khan Sheikhoun ein großes Munitionslager von Rebellen bombardiert, in dem sich auch chemische Kampfstoffe befunden hätten, teilte das russische Verteidigungsministerium unter Berufung auf eigene Luftraumbeobachtungssysteme mit.

UNO-Sicherheitsrat

Wegen des Giftgasangriffs mit 72 Toten kommt der UNO-Sicherheitsrat am Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammen. Im Resolutionsentwurf der drei westlichen Vetomächte wird eine internationale Untersuchung des Angriffs gefordert. Syrien solle Flugpläne und Logbücher vorlegen und die Namen der Helikopter-Kommandanten nennen. Zudem soll Ermittlern Zugang zu Luftwaffenstützpunkten gewährt werden, von denen aus die Angriffe gestarten worden sein könnten. Zudem soll UNO-Generalsekretär Antonio Guterres monatlich darüber Bericht erstatten, ob Syrien mit den internationalen Waffenkontrolloren kooperiert.

Die Internationale Gemeinschaft sei "empört darüber, dass wiederholt Menschen in Syrien durch Chemiewaffen getötet und verletzt würden", heißt es in dem Entwurf. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Beobachter rechnen damit, dass Russland eine Annahme der Resolution durch Einsatz seines Vetorechts im höchsten UNO-Gremium verhindern wird. Moskau hat mehrmals eine Verurteilung des Assad-Regimes durch den UNO-Sicherheitsrat vereitelt.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete am Dienstag aus der von Rebellen kontrollierten Stadt Khan Sheikhoun (Chan Scheichun) im Nordwesten des Landes zudem Dutzende Verletzte. Mehrere Stellen machten die Assad-Regierung verantwortlich. Die Rettungshelfer der Organisation Weißhelme berichteten sogar von 240 Verletzten. Die Hilfsorganisation Union of Medical Care and Relief Organizations (UOSSM) sprach von 100 Toten und 400 Verletzten.

Die Vereinten Nationen kündigten eine Untersuchung an. Der UNO-Sicherheitsrat wollte am Mittwoch auf Antrag Frankreichs und Großbritanniens zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. Aus US-Sicherheitskreisen verlautete, es sei "fast sicher", dass der Angriff von Assad-Truppen durchgeführt worden sei. Das Weiße Haus sprach von "abscheulichen Handlungen des Regimes".

Merkel verurteilt Angriff

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte "den offensichtlichen C-Waffenangriff". "Solche Kriegsverbrechen müssen bestraft werden", zitierte Regierungssprecher Steffen Seibert die Kanzlerin auf Twitter. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) forderte auf Twitter eine umfassende Untersuchung des Angriffs und eine Bestrafung der Täter.

Die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) zeigte sich zutiefst besorgt. Experten der OPCW sammelten und analysierten zur Zeit alle verfügbaren Informationen, teilte die Organisation in Den Haag mit.

Auch Frankreich und Großbritannien sahen die syrische Regierung hinter dem Angriff. "Wie am 21. August 2013 in Ghouta greift Baschar al-Assad Zivilisten an und nutzt dabei Mittel, die von der internationalen Gemeinschaft geächtet sind", teilte der Elyseepalast am Dienstag mit. Der britische Außenminister Boris Johnson erklärte: "Das trägt alle Anzeichen eines Angriffs durch das Regime, das wiederholt chemische Waffen eingesetzt hat."

Syrische Luftwaffe

Auch Aktivisten machten für den Angriff Jets der syrischen Luftwaffe verantwortlich. Diese wies den Vorwurf zurück. Ein syrischer General, der ungenannt bleiben wollte, erklärte, die syrische Armee habe in Khan Sheikhoun kein Giftgas eingesetzt.

Die Menschenrechtsbeobachter erklärten, Jets seien in der Früh mehrere Angriffe geflogen. Menschen seien in Ohnmacht gefallen, hätten sich erbrochen und Schaum vor dem Mund gehabt. Der Zustand vieler Verletzter sei ernst. Bilder im Internet zeigten zahlreiche Leichen und Opfer, die mit Sauerstoff behandelt wurden.

Später sei die Stadt erneut angegriffen worden, meldeten die Menschenrechtler. Andere Aktivisten erklärten, bombardiert worden sei eine Klinik, in der Verletzte behandelt worden seien. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Menschenrechtler sitzen in England, stützen sich aber auf ein Netzwerk von Informanten in Syrien. Ihre Angaben haben sich als zuverlässig erwiesen.

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