Tunesien: Ernüchterung zum Jubiläum

Tunesien: Ernüchterung zum Jubiläum
Ein Jahr nachdem Diktator Ben Ali davongejagt wurde, hat sich die Wirtschaftslage der Menschen kaum verbessert.

Die Geschichte wiederholt sich, zumindest teilweise. Als sich im Dezember 2010 ein verarmter Straßenhändler selbst verbrannte, weil er keinen Ausweg mehr sah, war das der Beginn der Revolte in Tunesien (und in weiten Teilen der arabischen Welt). Am 14. Jänner des Vorjahres wurde Diktator Ben Ali samt Entourage aus dem Land gejagt. Jetzt, ein Jahr später, haben sich wieder Menschen in Brand gesteckt. Denn die ökonomische Lage der Menschen ist weiterhin mehr als trist.

 

Viel Pomp

Daran konnte auch die am Samstag mit viel Pomp inszenierte Feier zum Jahrestag der Revolution nicht hinwegtäuschen. Neben Vertretern mehrerer arabischer Staaten waren auch Algeriens Präsident Bouteflika, der Präsident des libyschen Übergangsrates, Jalil, und der Emir von Katar eigens angereist. Begleitet wurde der Promi-Auflauf von kleineren Demonstrationen.

„Es hat sich wenig geändert“, begründete die 28-jährige Bloggerin Lina Ben Mhenni den Protest. 40 Prozent der Tunesier im erwerbsfähigen Alter sind weiterhin ohne Job; die Touristen bleiben aus, und damit fällt eine wichtige Stütze der Volksökonomie weg; mittelständische Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück.

Im politischen Bereich gibt es auf der Habenseite die ersten freien Wahlen zu verbuchen, aus denen die islamische Ennahda-Partei als klare Siegerin hervorgegangen ist. Allerdings steht das Kabinett erst seit zwei Wochen. In welche Richtung die neue Regierung das nordafrikanische Land führen wird, ist aber noch unklar. Fest steht aber, dass die Religion, der Islam, jetzt schon eine bedeutendere Rolle einnimmt. Mehr Frauen als früher tragen das Kopftuch, Islamisten fordern lautstark, dass dies auch an den Unis erlaubt sein soll. Zudem klagen einige Journalisten über versuchte Einflussnahmen seitens der Behörden auf die freie Berichterstattung.

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