Türkischer Politiker: "EU ist schwach"

Türkischer Politiker: "EU ist schwach"
Suat Kiniklioglu, Vize-Chef des außenpolitischen Ausschusses der AKP im Interview: "Ich habe kein Interesse mehr, der EU beizutreten."

Der Mann spricht Klartext. Ohne die meist üblichen politischen Floskeln kommt Suat Kiniklioglu stets kompromisslos auf den Punkt und formuliert seine Position und die seines Heimatlandes Türkei. Ob das dem Gegenüber nun passt oder nicht. Das selbstbewusste Auftreten des Vize-Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses der Regierungspartei AKP spiegelt das neue Selbstverständnis der Türkei wider.

Was die EU-Beitrittsambitionen seines Landes anbelangt, geht der 46-Jährige im KURIER-Gespräch hart ins Gericht mit Brüssel: "In Europa gibt es keinen Willen, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei voranzutreiben. Wir sind offensichtlich nicht willkommen." Was den Politologen aber weiters nicht (mehr) stört. Die Union sei "sehr schwach", agiere "chaotisch" und sei "unfähig, Entscheidungen zu treffen".

Seine Schlussfolgerung: eine Abkehr vom Westen. "Unsere europäischen Freunde müssen lernen, dass, wenn man in Ankara sitzt, nicht die ganze Welt aus Europa besteht. Wir sehen den Aufschwung im Osten - China, Indien, Korea. Wir müssen unsere Risken streuen und dürfen nicht alle Eier in einen Korb legen. Diesen Luxus können wir uns nicht leisten."

"Kein Interesse"

Wobei Suat Kiniklioglu, der auf Einladung des Kreisky-Forums in Wien war, noch einen Schritt weitergeht: "Ich glaube ein EU-Beitritt ist gar nicht mehr im Interesse der Türkei. Da vertrete ich zwar eine Minderheitenposition, aber ich habe Europa aufgeben. Ich habe kein Interesse mehr, der EU beizutreten." Die Türken würden die großen Probleme von Griechenland, Irland, Italien oder Portugal sehen - während die türkische Wirtschaft um acht, neun Prozent pro Jahr wachse.

Der AKP-Politiker hebt aber nicht nur die Märkte im Osten hervor, auch die in der arabischen Welt, vor allem in Nordafrika nach den Umstürzen. "Wir haben hier eine spezielle Rolle, die stärker akzeptiert ist als die von westlichen Ländern", die oftmals Kolonialherren in den betroffenen Regionen gewesen seien. Von einer neo-osmanischen Ausweitung des türkischen Einflussbereiches will Suat Kiniklioglu freilich nichts wissen: "Dazu gibt es nicht den Willen und auch nicht die Kapazitäten. Aber es gibt eine Restrukturierung dieser Gebiete, die wir als unsere Nachbarschaft erachten."

Dass Ankara die Beziehungen zur EU während der EU-Präsidentschaft Zyperns (im zweiten Halbjahr 2012) auf Eis legen will, ist für den Außenpolitiker eine logische Sache: "Wir anerkennen die griechisch-zypriotische Regierung nicht, also können wir gar nicht verhandeln." Danach könne ja man wieder in Kontakt treten - "wenn es dann überhaupt noch etwas gibt, worüber gesprochen werden kann".

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