Türkei ist nun gefordert

Türkei ist nun gefordert
Ankara muss auf den Vorstoß der Kurden in Syrien mit Besonnenheit reagieren.

Die Türkei wird jetzt von ihrer bisherigen Syrien-Politik eingeholt. Nachdem sie bei dem Umsturz in Libyen den Zug fast verschlafen hätte, ließ Premier Erdogan seinen früheren Urlaubspartner Assad schnell fallen. Doch dieser, besser gesagt die alten Kader der Machtelite, ziehen in dem quälend langen Sterbeprozess alle Register und spielten zuletzt die "Kurden-Karte": Der syrische Ableger der kurdischen Guerilla PKK, die in Anatolien für Autonomie kämpft, wurde angeblich mit Waffen versorgt, die Streitkräfte des Regimes zogen sich aus dem Norden des Landes zurück. Die Kurdenführer Syriens nutzten die Gunst der Stunde, begruben ihre Streitigkeiten und erklärten weite Teile der Region als "befreit". Jetzt ist in Ankara Feuer am Dach. Zu Recht. Denn niemand weiß, wie es nach dem Sturz Assads weitergeht, der Zerfall des Landes ist eine Option, ein loser Verbund weitgehend selbstständiger Gebiete eine andere. So oder so könnte vor der Haustüre der Türkei nach Irakisch-Kurdistan ein weiterer de facto unabhängiger Kurdenstaat entstehen – und den Traum der Volksgruppe nach der großen Lösung (wieder-)beleben: ein Verbund aller Kurden, inklusive der iranischen und türkischen.

So weit wird es nicht kommen, aber die Kurden wittern Morgenluft. Und jetzt ist in der Türkei Fingerspitzengefühl gefragt. Ein Einmarsch in Syrien, um dort eine Pufferzone zu schaffen, in Wahrheit aber die Kurden niederzukämpfen, wäre kontraproduktiv. Zielführend wäre zweierlei: Ein pragmatischer Umgang mit den (neuen) Gegebenheiten, wie ihn Ankara mit dem kurdischen Nordirak schon an den Tag legt, wo türkische Unternehmen von dem gigantischen Wirtschaftsboom profitieren. Und die längst überfällige Lösung des eigenen Kurden-Problems.

Mehr zum Thema

  • Hintergrund

  • Kommentar

Kommentare